Titel: Dieb in der Nacht
Autor: Valdan
Serie: SG-1
Genre: AU, Krimi, Humor, ein bisschen Romantik
Warnungen: ein kleines bisschen Slash zum Ende hin
Pairing: Cam/Sam, Daniel/ ?? (wäre zuviel verraten)
Rating: ab 12
Beta: Liljana – vielen Dank für deine Mühe und Ideen
Anmerkungen: Die Geschichte wurde geschrieben für den Deutschen-Multifandom-BigBang im LJ. Es wird noch eine FanArt von KitKaos nachgeliefert, die toll geworden ist.
Eine kleines Danke an Antares, die mir mit ihren Ideen und Anregungen wieder geholfen hat, dass ich trotz AU nicht zu sehr ooc geworden bin.
Prolog
Irgendwo in einem kleinen, mondänen Urlaubsparadies an der südlichen Adria;
50er Jahre des 20. Jahrhunderts
Es war stockfinstere Nacht und die Uhr der zentralen Kirche schlug zweimal, als eine Silhouette sich aus dem Schatten eines Schornsteins des Grand Hotels löste. Auf leisen Sohlen bewegte sich die Gestalt über das Dach, hangelte sich an einem efeuumrankten Spalier hinunter und landete zielsicher auf einem Balkon. Die Tür stand auf, um die lauen Brisen, die die Nacht mit sich brachte, hineinzulassen.
Der ungeladene Besucher trat vorsichtig in den Raum, orientierte sich kurz und steuerte dann zielsicher auf das Ankleidezimmer der Suite zu. Wie die gesamten Räumlichkeiten, so war dieses ebenfalls großzügig angelegt und besaß sogar ein eigenes Fenster. Durch dieses schien der Mond und in seinem Licht funkelten die Edelsteine des Schmucks auf, der dort in einer sorglos offen gelassenen Schatulle lag.
Keine fünf Minuten später war der Behälter leer und die dunkle Gestalt wieder aus dem Raum verschwunden. Sich geschmeidig und leise wie eine Raubkatze bewegend verschmolz sie mit den Schatten der Nacht.
Kapitel 1
Es kam auf den Titelblättern - wobei natürlich wieder einmal maßlos übertrieben wurde.
In dem kleinen Fürstentum Calana, welches zwischen den südlichen Ausläufern von Kroatien und Albanien lag, gab es nur zwei Zeitungen, die friedlich nebeneinander existierten. Calana wurde oft als das Monaco der Adria bezeichnet. Auch hier regierte eine Familie, die es bisher immer geschafft hatte, sich ihre Neutralität zu bewahren, zumindest nach außen hin. Dass eine große Sympathie für die jugoslawischen Partisanen während des zweiten Weltkrieges geherrscht hatte und diese immer ein Möglichkeit bekommen hatten, sich in Calana auszuruhen, neu zu ordnen und zu versorgen, war der breiten Öffentlichkeit gegenüber nie zum Thema gemacht worden.
Im Laufe der wechselnden Jahrhunderte war an einem kleinen natürlichen Hafen eine blühende Stadt entstanden. Sie diente als Handelsstützpunkt für alle Sorten von Seefahrern und die dabei vorherrschende Neutralität brachte es mit sich, dass selbst die schlimmsten Piraten nie auf den Gedanken kamen, die Siedlung zu plündern oder niederzubrennen, sondern eher dazu neigten, dort eine Menge Geld zu lassen. Dies brachte einen gewissen Wohlstand für die Menschen, die sich dort niederließen und natürlich auch für die Fürstenfamilie selber.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte das damalige Familienoberhaupt der Rosic den Entschluss gefasst, mehr Menschen mit dem nötigen Kleingeld anzulocken. Er baute den Hafen weiter aus und regte den Bau eines großen Hotels sowie eines Casinos an, dem noch zwei weitere folgten. Damit war für jeden Geldbeutel und Geschmack die Möglichkeit einer angemessenen Unterkunft gegeben. Die Rechnung ging auf, und langsam aber sicher fanden viele sogenannte V.I.P.s den Weg in diese kleine Oase.
Mittlerweile kamen öfters große Schiffe und machten dort Halt, um ihre Gästen für einen oder zwei Tage auf die Altstadt und das Casino loszulassen. Auch hatten sich im Hinterland und an der Küste entlang einige wohlhabende Leute ein Domizil errichtet, um dort mindestens den Sommer zu verbringen oder auch dauerhaft zu leben. Das kleine Land florierte und lebte in Ruhe und Frieden, bis zu diesem Morgen, als die Zeitung erschien.
RAUB IM GRAND HOTEL
Calana. Wie uns soeben vom Polizeichef mitgeteilt wurde, schlich sich gestern Nacht ein dreister Dieb ins beste Hotel am Platze und beraubte die berühmte Schauspielerin Teyla Emmagan, die sich dort gerade von den anstrengenden Dreharbeiten zu ihrem letzten Film erholt.
Dies ist schon der dritte Diebstahl in diesem Monat und langsam fragen wir uns, was die Polizei zu tun gedenkt. Bisher scheint es noch keine nennenswerten Ermittlungsergebnisse zu geben.
Der Stil der Einbrüche ähnelt bis auf das I-Tüpfelchen denen, die vor 10 Jahren vom „Schwarzen Panther“ an der Cote 'd Azur begangen wurden. Er wurde gefasst, aber aus Mangel an Beweisen frei gesprochen. Seitdem ist er untergetaucht und es gibt Gerüchte, dass er sich hier in Calana niedergelassen hat.
Wir müssen uns jetzt darauf verlassen, dass die Polizei die Angelegenheit schnellstens aufklärt, bevor unsere kleine funktionierende Wirtschaft Schaden nimmt. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten. Ihre Reporterin vor Ort, Janet Frasier.
Dieser Artikel bekam in ganz Calana an diesem Morgen eine Menge Aufmerksamkeit. Dabei waren es nicht unbedingt die anwesenden Gäste, die sich darüber Gedanken machten, sondern eher ein paar der Einwohner der Stadt, die auf die unterschiedlichste Weise darauf reagierten.
Teal'c, ein großer, dunkelhäutiger Mann, den normalerweise nicht so schnell etwas aus der Ruhe bringen konnte, faltete die Zeitung nach der Lektüre sorgsam zusammen, um sie dann mit mehr Schwung als notwendig, auf seinen Schreibtisch zu werfen.
Teal'c bekleidete das Amt des Polizeichefs von Calana und hatte diese Aufgabe bisher hervorragend erfüllt. Die Vorgänge der letzten Tage empfand er als Herausforderung und hatte auch schon alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Daher war er von den Unterstellungen in dem Artikels überhaupt nicht erbaut. Wenn er ehrlich war, konnte man schon auf den Gedanken kommen, dass dass wenig getan wurde, um den oder die Täter zu fassen. Immerhin war die Polizei in den letzten Jahren kaum in Erscheinung getreten, weil die meisten Verbrechen, die hier begangen worden waren, doch in aller Stille aufgeklärt wurden. Auch im vorliegenden Fall hatte er eigentlich so vorgehen wollen; aber er hatte nicht mit dieser Ms. Frasier gerechnet. Er würde bei ihrem nächsten Zusammentreffen ein ernstes Wort mit ihr reden müssen.
„Siler“, rief er laut seinen Adjudanten und als dieser fast unmittelbar darauf sein Büro betrat, ordnete er mit leicht unterdrücktem Ärger in der Stimme an: „Holen Sie sich ein paar Männer zusammen. Es ist Zeit, einem gewissen Herrn einen Besuch abzustatten und herauszufinden, was er in den letzten Tagen so getrieben hat.“
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Zur gleichen Zeit saß ein anderer Mann in einem anderen Büro, ungefähr einen Kilometer Luftlinie entfernt, an einem anderen Schreibtisch. Neben sich stand sein Frühstück, bestehend aus einer großen Tasse Kaffee, Toast und einer Portion Rühreiern mit Speck.
Während er den Artikel las, kräuselten sich seine Lippen zu einem maliziösen Lächeln.
„Der Panther“, murmelte er, „so, so. Da bin ich ja mal gespannt, wann der Kater hier auftaucht und miaut. Und vor allem, mit was für einer Erklärung er aufwarten wird.“ Er sah von seiner Lektüre auf. Sein Büro war an einer Seite verglast, so dass er immer einen Blick in die Küche – das Herzstücks seines Restaurants - des Chulaks - hatte. Dank des guten Rufes, welchen die Küche genoss, war es immer gut besucht und es gab kaum eine Party in den Villen in und um Calana, die nicht von seinem Partyservice beliefert wurde.
Nachdem er die geschäftige Betriebsamkeit in der Küche ein paar Minuten beobachtet hatte, wusste er, dass auch die meisten seiner Angestellten die Zeitung oder zumindest den Leitartikel gelesen hatten, denn anstatt miteinander zu feixen und sich gut gemeinte Beleidigungen an den Kopf zu werfen, gingen seine Leute ihrer Arbeit mit verbissenen Mienen und weitgehend schweigend nach.
Ba'al leerte seine Tasse und zündete sich dann, weiterhin in sich hinein lächelnd, eine Zigarillo an.
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Die dritte Person, die den Artikel las, war ein Mann von ungefähr Mitte dreißig. Er saß auf der überdachten Terrasse seines Hauses inmitten von Hügeln am anderen Ende der Bucht. Er war schon seit geraumer Zeit auf den Beinen und das Frühstück lag bereits hinter ihm, denn sein Tagesablauf begann immer mit der Kontrolle seines kleinen Weinbergs. Er hatte zwar in Walter Harriman einen absoluten Kenner und Könner an seiner Seite, ließ es sich aber nie nehmen, selber auch nach dem Rechten zu sehen oder mit Hand anzulegen. Er liebte es, in der frischen Morgenluft durch die Weinberge zu streifen, den Geruch der taufeuchten Erde in sich aufzunehmen und zu sehen, wie prächtig sich die Reben entwickelten.
Danach kümmerte er sich mit Harriman um die beiden Pferde und frühstückte anschließend mit ihm zusammen. Der Rest des Tages gestaltete sich zumeist nach den anstehenden Arbeiten, aber eines hatten alle Tage gemeinsam: Cameron Mitchell nahm sich immer die Zeit, die Zeitung zu lesen, sobald diese geliefert wurde und es war eine der wenigen Gelegenheiten am Tag, an denen man ihn ruhig auf einem Fleck antreffen konnte.
Als er jetzt den Leitartikel las, stöhnte Cam leise auf. 'Das darf doch nicht wahr sein. Was denkt derjenige sich dabei.' Er ließ die Zeitung achtlos auf den Tisch fallen und machte sich auf den Weg zu Harriman, der ebenfalls mit der brisanten Lektüre beschäftigt war. Als dieser Cams energische Schritte hörte sah er auf: „Ah, Sie haben es also auch gelesen.“
„Ja, leider, oder besser gesagt, glücklicherweise. So bin ich wenigstens vorgewarnt. Ist alles fahrbereit? Ich könnte mir denken, dass bald jemand auftaucht, um mich zu Teal'c zu bitten.“ Dabei setzte er das letzte Wort mit seinen Fingern in Anführungszeichen.
„Alles start- und fahrbereit und Martha weiß auch Bescheid, falls ein Ablenkungsmanöver nötig sein sollte. Wie viel Zeit werden Sie brauchen?“, fragte er seinen Chef dann grinsend.
„Schauen wir mal, was passiert und entscheiden dann spontan“, gab dieser zurück.
Einen Moment später hörte man den Kies der Auffahrt vor dem Haus knirschen, ein Motor erstarb und kurz darauf klappte eine Autotür zu. Dann hallte ein dumpfes Klopfen durch die Eingangshalle bis in das Büro von Harriman, in dem die beiden standen. 'Auf ins Gefecht', dachte Cam und ging zu der schweren, eichenen Eingangstür, um diese zu öffnen.
„Hallo Siler“, grüßte er den Abgesandten des Polizeichefs fröhlicher, als ihm eigentlich zumute war und bat den Polizisten mit einer Handbewegung, das Haus zu betreten.
Dieser erwiderte den Gruß mit einem knappen Nicken und trat ein. „Sie wissen sicherlich, warum ich hier bin, Mitchell?“, fragte er in seiner ruhigen Art und ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort. „Ich wüsste gerne, wo Sie in der letzten Nacht waren und ob es dafür Zeugen gibt.“
Verschmitzt sah Cam Siler an. „Mein lieber Siler. Wenn Sie wissen wollen, ob ich allein schlafe oder mit wem ich meine Nächte verbringe, dann hätten Sie nicht mit ...“, er sah kurz aus dem kleinen Fenster neben der Tür ... „mit zwei Autos kommen müssen, um mich zu fragen. Eine kleine informelle Einladung auf einen Kaffee hätte auch genügt.“
Siler reagierte nur, indem er ihn fragend ansah, ging aber ansonsten nicht weiter auf Cams leichte Provokation ein. Unbeirrt sah er Cam an, als er ihn aufforderte: „Mr. Mitchell, ich möchte Sie bitten, mich in das Präsidium zu begleiten. Teal'c würde gerne ein kleines Gespräch mit Ihnen führen. Dort können Sie auch gerne einen Kaffee bekommen.“
Eine leise, aber deutliche Härte schwang in seiner Stimme mit, die auch nicht völlig von Cam abprallte. Dieser räusperte sich, bevor er sich fünf Minuten ausbat, um „die Stallklamotten loszuwerden“.
„Sie bekommen sogar 10 Minuten, dann werden wir fahren“, antwortete Siler nickend. Cam eilte die Treppe hinauf, die zu einer Galerie im ersten Stockwerk führte, von der nur zwei Türen abgingen. Beide Türen führten in zwei baugleiche Zimmer mit angeschlossenem Bad, von denen eines Cam selber nutzte. Das andere war als Gästezimmer gedacht.
Nachdem Mitchell die Tür hinter sich geschlossen hatte, wartete Siler auf und ab gehend in der Halle. Als die zehn Minuten um waren, stieg Siler ohne weitere Umstände die Treppe hoch und klopfte an die Tür, hinter der Cam verschwunden war. Als sich nichts regte, drückte er die Klinke runter, nur um dann feststellen zu müssen, das die Tür verschlossen war. Laut rief er Cams Namen und hämmerte an die Tür. „Mitchell! Machen Sie sofort auf. Sie kommen ja doch nicht drum herum, sich früher oder später mit Teal’c zu unterhalten.“
Als sich immer noch nichts rührte, trat er zum Geländer der Galerie, sah in den Eingangsbereich hinunter und schaute sich suchend um. Diesen Moment wählte Harriman, um in Sichtweite zu kommen und so sprach der Beamte den Verwalter an. „Wer sind Sie?“ Harriman runzelte die Stirn und warf einen fragenden Blick nach oben. „Das wollte ich auch gerade fragen. Können Sie mir sagen, was Sie hier in Mr. Mitchells Haus zu suchen haben?“
„Sie sind also ein Angestellter von Mr. Mitchell? Dann können Sie mir bestimmt auch behilflich sein, diese Tür hier oben zu öffnen. Ich bin Inspektor Siler und wollte Mr. Mitchell auf Befehl von Teal'c zur Polizei bringen, weil der Chef ihm ein paar Fragen stellen will. Mitchell steht unter dem Verdacht, mehrere Diebstähle begangen zu haben.“
„Das kann ich mir jetzt überhaupt nicht vorstellen, aber wenn Sie von der Polizei sind, können Sie das bestimmt auch beweisen, und dann kann ich auch die Hauptschlüssel holen. Auch wenn mir dabei etwas mulmig ist, Sie so einfach in Mr. Mitchells Räume zu lassen. Sie müssen mir auch versprechen, dort kein Chaos zu veranstalten. Er reißt mir sonst noch den Kopf ab, wenn ...“ „Papperlapapp“, unterbrach ihn Siler, „Jetzt machen Sie schon, Mann. Ich will nur kontrollieren, ob Mr. Mitchell wohlauf ist. Er ist vorhin in sein Zimmer, um sich umzuziehen und auf mein Klopfen hin reagiert er nicht.“
„Oh mein Gott. Wenn das so ist, helfe ich Ihnen natürlich. Der Zweitschlüssel ist im Büro, den muss ich allerdings erst holen. Ich bin gleich wieder da.“ Obwohl diese Worte in ernstem Tonfall vorgebracht wurden, hatte Harriman Schwierigkeiten, ein Lachen zu unterdrücken. Auf dem Weg zum Büro schaute er kurz auf die Uhr und entschied, dass genug Zeit verstrichen war, um Cam einen „Vorsprung“ zu geben, also holte er schnell den Schlüssel und eilte zu Siler.
Der war in der kurzen Zeit auch nicht untätig gewesen. Er war zum Fenster gegangen und hatte mit einem kurzen Pfiff, zwei seiner Leute aufgescheucht und ins Haus beordert. Diese waren gerade eingetreten und er gab ihnen kurz Anweisungen die Hintertür zu suchen und zu sichern.
Kurz darauf öffneten er und Harriman gemeinsam die Tür, zu Cams Zimmer. Sie traten ein und schauten sich erwartungsvoll um. Still und leer lag der Raum vor ihnen. Die Tür eines Schranks stand offen und bot den Einblick auf eine Kleiderstange. Es sah so aus, als ob jemand auf die Schnelle ein paar Teile herausgenommen und die Tür nicht richtig verriegelt hatte, so dass diese langsam wieder aufgegangen war.
Der Beamte sah sich weiter um, aber außer ihm und Harriman war niemand in dem Schlafzimmer. Er ging zum Fenster, welches geschlossen schien, was er auch umgehend kontrollierte und dabei feststellte, dass es nicht verriegelt war. Er öffnete es, sah hinaus und erblickte einen knappen Meter tiefer die Bedachung der Terrasse. Mit einem lauten, empörten Schnauben drehte er sich zu Harriman um. „Das hat sich Ihr Chef ja fein ausgedacht, uns hier so an der Nase herumzuführen. Sie sagen mir sofort, wo er hin ist.“ Drohend baute er sich vor Harriman auf, der völlig unbeeindruckt stehen blieb, selbst als Siler weiter grollte: „Das wird noch ein Nachspiel haben.“ Dann drehte sich der Beamte ohne ein weiteres Wort um, verließ das Zimmer. Er rief seine Leute zusammen und kurz darauf verließen sie das Haus.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis die Polizeiautos aus der Einfahrt verschwunden waren und wieder friedliche Stille herrschte.
Harriman lauschte trotzdem noch etwas länger, bis er schließlich auf den Schrank zuging, zwischen die verbliebenen Kleidungsstücke griff und dreimal an die Rückwand klopfte. Sofort schob sich diese geräuschlos zur Seite und Cam trat durch den Schrank nach draußen. „Früher waren die Menschen eindeutig kleiner“, bemerkte er mit einem schiefen Grinsen, während er sich streckte. „Und, hat er es geschluckt?“, fragte er dann neugierig das Gesicht des Verwalters beobachtend, der schmunzelnd nickte. „Ich wäre allerdings vorsichtig, wenn ich das Gebäude verlassen würde“, gab dieser zu bedenken. „Siler war ziemlich sauer, als er gegangen ist und ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein paar Wachhunde zurückgelassen hat. Wenn Sie also in die Stadt wollen, bietet sich das Boot an oder vielleicht der ‚Hinterausgang’ durch die Weinberge.“
Cam nickte nachdenklich. „Ich muss mir die nächsten Schritte sehr gut überlegen. Es gibt mir doch sehr zu denken und macht mich auch wütend, dass mir anscheinend jemand diese Diebstähle anhängen will und damit meine mühsam gehütete Ruhe stört. Ich denke, ich werde als erstes Mal meine alten Freunde im Chulaks besuchen und versuchen, herauszubekommen, ob der Chef etwas weiß. Wie sieht es aus“, er sah seinen Harriman fragend an, „wollen Sie mir helfen und noch ein kleines Ablenkungsmanöver starten oder fahren wir beide zusammen mit dem gleichen Boot?“
Harriman überlegte kurz und stimmte dann eindeutig für das Boot. „Auf die Art können wir ziemlich unbemerkt raus und auch wieder rein und die Beamten geben ein gutes Alibi ab. Außerdem ist damit mindestens ein Auto der Polizei hier und kann nicht in der Stadt nach Ihnen suchen.“
Cam nickte grinsend und kurze Zeit später lief sie die Treppen zum Anleger hinunter, an dem das kleine Motorboot vertäut war. Der Weg über die Bucht dauerte ungefähr eine halbe Stunde und als ihn das Boot mit Harriman am Yachthafen verließ, stand die Sonne hoch am Himmel und sorgte für einen strahlend schönen, heißen Tag. Leichtfüßig lief Cam über die Holzbohlen der Stege und weiter quer über die Promenade, um in eine Seitenstraße einzutauchen.
Auch hier in dieser ruhigen Ecke umgaben Cam noch die unterschiedlichen Hafendüfte. Angefangen bei den Abgasen der Schiffsmotoren, die in der kleine Reede überprüft wurden, über den leicht modrigen Fischgeruch der Netze, der vom Fischereihafen hinüber wehte, wo diese zum Trocknen aufgehängt waren, bis hin zu den ersten Schwaden der Grillkohle aus den Restaurants an der Promenade, wo bald die ersten Gäste erwartet wurden.
Zielstrebig bog Cam rechts ab und nach ungefähr hundert Metern stand er vor einem Holztor, welches zum Hinterhof des Chulak führte. Schnell durchquerte er diesen, ging den Atem anhaltend an den überquellenden Mülleimern vorbei und betrat durch die offen stehende Tür das Gebäude.
Drinnen folgte Cameron dem Lärm, der aus der Küche zu ihm drang und in dem sich Flüche, Anweisungen und das Klappern von Töpfen und Pfannen mischte. Nach einigen Schritten stand er im Durchgang zur Küche und grinste, als er das Miteinander der Küchencrew beobachtete, das, obwohl auf den ersten Blick sehr chaotisch wirkend, anscheinend doch irgendeine Ordnung beinhaltete, denn die Kellner brauchten nie lange auf die Bestellungen zu warten, die sie laut in die Küche riefen.
Als einer der Küchenhelfer aufschaute und Cam erblickte, ließ er prompt die Metallschüssel fallen, in welche er gerade frisch geschnittene Pilze gefüllt hatte. Als diese mit einem lauten Klirren auf dem Boden aufprallte, er aber keinerlei Anstalten machte, diese wieder aufzuheben, wurden auch die anderen Anwesenden auf Cam aufmerksam und kurz darauf herrschte gespenstische Stille.
„Hallo Tomin“, sagte Cam ruhig und gefasst zu dem Mann, der die Schüssel hatte fallen lassen. Dieser warf ihm aber nur einen giftigen Blick zu und bückte sich, mühsam sein steifes Bein von sich streckend, um den ehemaligen Inhalt der Schüssel aufzuklauben und in den Müll zu befördern.
Auch vom restlichen Küchenpersonal bekam Cam nur ein paar böse Blicke zugeworfen, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandten und der Geräuschpegel wieder auf das vorherige Niveau anstieg. Mit einem letzten Blick in die Runde sah Mitchell mehr als ein Messer mit blitzartiger Geschwindigkeit Gemüse zerteilen, wobei ihm immer wieder kurze giftige Blicke zugeworfen wurden, die mehr als klar machten, dass man am liebsten ihn auf dem Schneidbrett liegen haben würde.
'Das ist also aus der Kameradschaft von früher geworden', dachte Cam traurig. Er war einerseits betroffen, konnte die Reaktionen aber auch verstehen, denn schließlich war er aus genau diesem Grund hier, aus dem mehr als einer des Küchenpersonals ihn gerne in kleine Stücke geshreddert hätte. Cameron drehte sich um und prallte gegen einen Mann, der dicht hinter ihm stand. Mitchell machte einen Schritt rückwärts, dann schaute er in das Gesicht der Person, die er gesucht hatte. Dieser sagte nichts, sondern deutete mit einem Kopfnicken an, ihm in sein Büro zu folgen.
Während Cam die Tür hinter sich schloss, lehnte sich Ba'al an seinen Schreibtisch und zündete sich ein Zigarillo an. Als Cam sich ihm zuwandte, pustete Ba'al ihm den ersten Schwall Rauch entgegen. Mitchell schnüffelte prüfend, und mit hochgezogenen Brauen fragte er seinen Gegenüber: „Du hast auch schon mal was besseres geraucht. Läuft dein Geschäft so schlecht, dass du dir noch nicht mal anständige kubanische Zigarren leisten kannst?“
„Cam, Cam ...“, schüttelte Ba'al leicht den Kopf und drückte den Zigarillo in einem Aschenbecher auf seinem Schreibtisch aus. „Du kannst es nicht lassen, oder? Immer wenn du mit dem Rücken zur Wand stehst, fährt der Panther die Krallen aus. Apropos Panther, da du dich hier so offen zeigst, wirst du es nicht selber sein, der wieder in alte Gewohnheiten zurückgefallen ist, oder?“ Leichter Zweifel schwang in seiner Stimme mit, was Cam innerlich kochend zur Kenntnis nahm.
„Erstens weißt du genau, dass ich es nicht haben kann, wenn mir jemand den Rauch so ins Gesicht bläst und zweitens stehe ich nicht mit dem Rücken zur Wand. Okay, ich hatte vorhin Besuch von Siler, der mich zu Teal'c schaffen sollte, aber da ich die Diebstähle nicht begangen habe, hatte ich keinerlei Veranlassung, ihn zu begleiten. Ich werde lieber versuchen herauszubekommen, wer hinter dem ganzen steckt.“
„Wenn du dir da mal nicht zuviel vorgenommen hast. Wie willst du es denn anfangen? Du bist relativ bekannt und wirst nicht so einfach agieren können?“, gab Ba'al zu bedenken. Cam überlegte kurz und antwortete dann: „Weißt du, wer sich momentan hier aufhält und bei wem es sich lohnen würde, einen Raubzug zu unternehmen?“
„Ich könnte mich erkundigen, aber vielleicht hätte ich auch noch eine andere Idee. Wenn meine Informationen richtig sind, ist seit ein paar Tagen ein Vertreter einer Versicherung im Grand Hotel abgestiegen. Anscheinend hat Lloyds Angst um so einige versicherte Gegenstände bekommen, die die Gäste hier so mit sich führen. Vielleicht kannst du den kontaktieren und wenn du mit offenen Karten spielst, könntet ihr sogar zusammenarbeiten. Es wäre ja auf jeden Fall in seinem Sinne, dass die Diebstähle aufgeklärt werden. Er war vorgestern hier und hat sich im Laufe eines Gespräches vorgestellt und mir seine Visitenkarte dagelassen. Warte mal“, er ging um seinen Schreibtisch herum und öffnete eine Schublade, in der er kurz kramte, und hielt ihm dann eine Visitenkarte hin.
Cam nahm sie und las 'Daniel Jackson, esq. Vertretung Lloyds of London'. Auf der Rückseite war per Hand seine aktuelle Adresse mit Zimmernummer im Grand Hotel vermerkt. Cam fragte, ob er kurz telefonieren könne und Ba'al deutete auf den Apparat, der auf dem Tisch stand. „Bedien dich. Ich werde mal kurz in der Küche nach dem Rechten sehen. Ich habe das Gefühl, dass dein Auftreten die Gemüter zum Kochen gebracht hat und sie sich noch nicht ganz wieder beruhigt haben.“
Er verließ den Raum und Cam nahm den Hörer ab. Während er telefonierte, konnte er sehen, wie Ba'al in die Küche kam, etwas sagte. Leider konnte er nicht verstehen was, aber anscheinend war es genau das Richtige, denn alle wandten sich wieder ihrer Arbeit zu. Cam drehte sich gerade wieder von dem eingebauten Fenster ab, als etwas an das Glas schlug. Er schrak zusammen und konnte nur sehen, wie ein zerbrochenes Ei langsam an der Scheibe hinunterlief, genau an der Stelle, wo er kurz vorher noch gestanden hatte. Camreon schaute sich die Küchencrew prüfend an, aber alle schienen so in ihre Arbeit vertieft, als ob es niemand gewesen sein konnte.
Immerhin hatte er während dessen diesen Mr. Jackson erreicht und sich mit ihm verabredet. Genau dies erzählte er Ba'al, als dieser wieder im Büro erschien. Mit einem kurzen Dank verabschiedete er sich, um sogleich zu seiner Verabredung zu gehen.