Cameron kippte seinen Kopf nach hinten und schloss die Augen. Es war eingetreten; das worst-case Szenario: Die Pegasus-Galaxie war kein Geheimnis mehr. Die Hoffnung, welche die Militärstrategen auf die bis dato für die Ori anscheinend unbekannte Galaxie gelegt hatten, war nicht mehr existent. Die Erwartung, man könne mithilfe der Datenbank von Atlantis beginnen, Verteidigungssysteme gegen die Ori-Schiffe zu entwickeln hatte sich zwar nicht endgültig verflüchtigt, aber war zu diesem Zeitpunkt extrem unwahrscheinlich. Die Zeit lief gegen sie, sie rannte ihnen sprichwörtlich davon. Die Ori-Schiffe besaßen einen Hyperdrive, welcher dem der Asgard ebenbürtig war. Rechnete man dabei noch die effizientere Energiequelle ihrer Schiffe mit ein, war es rational anzunehmen, das die Ori-Truppen ein Zeitfenster vergleichbar einer X-304 inklusive ZPM für ihre Reise besaßen. Vier Tage hatte die Daedalus bei ihrem ersten Trip in die Pegasus-Galaxie benötigt. Es gab keinen Grund nicht anzunehmen, dass die Ori in der Lage waren in vier Tagen mit ihren Angriffen auf die Pegasus-Galaxie zu beginnen.
„Wir wissen nichts über den genaue Ausmaß der Datenextraktion durch die Ori-Truppen. Es ist anzunehmen, dass Colonel Chang die automatische Selbstzerstörung der Computeranlagen initiiert hat. Allerdings ist dies alles noch reine Spekulation. Wir werden in 10 Minuten eine Drohne durch das Stargate zur Gamma-Side schicken und mit der Aufklärung beginnen. Sofern keine Ori-Truppen geortet werden können Sie, Colonel Mitchell, mit SG1, SG3 und SG6 die Aufklärungsmission beginnen. Es ist wichtig dass wir über die genauen Hintergründe und Tathergänge Bescheid wissen. Wir müssen erfahren wieviel Informationen der Feind aus den Computerdateien kopieren konnte.“
General Landry blickte in die Runde. Eine angespannte Ruhe hatte sich seit dem Beenden der Notrufaufzeichnung am Konferenztisch ausgebreitet. Cameron's Blick gleitete langsam entlang des Konferenztisches.
Teal'c verhielt sich verdächtig ruhig. Er wusste was eine Rückkehr der Ori bedeutete. Auch wenn die Erdenschiffe sich am Kampf gegen die Ori beteiligt hatten, waren es die Jaffa die die Hauptlast des Krieges trugen. Die Anzahl ihrer Schiffe war allen anderen Kriegsbeteiligten überlegen. Weder die Menschen noch die Asgard besaßen ausreichend Schiffe um gegen die Ori zu kämpfen.
Gerade die Abwesenheit der Asgard hatte Colonel Mitchell ein wenig Unruhe bereitet. Sie hatten auf Versuche der Kontaktaufnahme keinerlei Antwort für nötig erachtet. Auch die Asgard-Techniker auf den Erdenschiffen waren ohne weitere Aufklärungen abgezogen worden. Die Milchstraße stand allein gegen die Ori.
„Gegenwärtig können wir annehmen dass es den Ori lediglich gelungen ist, die exakten Koordinaten der Pegasus-Galaxie zu extrahieren. Ich bezweifle dass sie über Atlantis Bescheid wissen. Wenn dies tatsächlich so wäre dann hätte Colonel Chang etwas darüber in seinem Notruf erwähnt. Diese Information wäre eminent wichtig um Atlantis vorsorglich über einen möglichen Angriff zu informieren.“ entgegnete Daniel und stützte sich dabei mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Allerdings ist es müßig darüber zu spekulieren Wir können nicht warten bis wir auf der Gamma-Basis die genauen Vorgänge rekonstruiert haben. Ich empfehle dringendst dass wir Atlantis über die neuen Entwicklungen in Kenntnis setzen, General.“
Cameron fokussierte seinen Blick auf seinen Vorgesetzten. Jackson's Empfehlung war sicherlich die richtige Entscheidung, allerdings war dies mit einem hohen Risiko verbunden. Die Interstellar-Gate-Bridge war aufgrund einer Spannungsüberladung in der Midway Station für mehrere Wochen nicht funktionsfähig. Es blieben somit nur zwei Möglichkeiten.
Die Erste schied allerdings aus, da die Odyssee gegenwärtig unterwegs war die notwendigen Ersatzkomponenten zur Midway-Station zu bringen. Sie befand sich also fast genau zwischen der Milchstraße und der Pegasus-Galaxie. Ihr ZPM war demnach für mindestens 2 Tage außer Reichweite. Selbst wenn sie nur zum Rand der Milchstraße flog und dann das ZPM durch ein Stargate zur Erde schickte, blieb das Problem sie überhaupt darüber in Kenntnis zu setzen. Damit blieb nur noch eine Möglichkeit.
„Ich werde mit dem Präsidenten reden. Es bleibt uns keine andere Möglichkeit als das ZPM aus der Antarktika-Plattform ins SGC zu schaffen. Da die Daedalus gegenwärtig in der Pegasus-Galaxie ist können wir es nicht hierherbeamen. Dies bedeutet wir müssen es konventionell transportieren. Die Konsequenz ist allerdings, das die Erde mindestens 24 Stunden ohne Schutz ist. Wollen wir hoffen es gelingt dem Präsidenten das IOA davon zu überzeugen. In der Zwischenzeit bereiten Sie sich bitte auf ihren Einsatz vor. Wir starten die Drohne in 10 Minuten. Das ist alles.“ General Landry erhob sich, nickte Mitchell zu und verschwand in seinem Büro.
Die Konferenz war seit 10 Minuten vorbei. Cameron hatte sich zu Daniel gesellt, welcher die Treppen zum Kommandoraum hinunter lief.
„Du weißt sicherlich, dass wenn sich die Befürchtungen bewahrheiten, wir vor großen Problemen stehen, oder?“ Daniel drehte sich um und blickte Cameron in die Augen. „Wir wissen zwar noch nicht genau mit wem wir es hier zu tun haben, aber sollten es tatsächlich die Ori sein, müssen wir annehmen dass Merlin's und mein Vorhaben, die Anti-Ori-Waffe in der Ori-Galaxie zum Einsatz zu bringen, fehlgeschlagen ist. Vielmehr könnten die Ori nun endgültig den Sturm auf uns loslassen da wir Adria in die Lage gebracht haben aufzusteigen. Wir wissen nicht was der endgültige Plan der Ori mit der Orici war; aber von der Art und Weise ihres bisherigen Verhaltens, bei welchem sie keinem Menschen erlaubten aufzusteigen, müssen wir in Betracht ziehen, dass wir ihre Pläne durch diese Geschehnisse durchkreuzt haben.“
Cameron nippte leicht an seiner Unterlippe. An Daniels Worten war definitiv etwas dran. Ihre bisherigen Erfahrungen der Ori zeugten nicht davon, dass sie, auch wenn Adria zum Teil „orischen“ Ursprungs war, bereit waren sie aufsteigen zu lassen. Vielleicht hätten sie ihr erlaubt, auf der menschlichen Existenzebene über die Menschen zu herrschen und so ihre Macht zu steigern. Die Faktenlage war allerdings in diesem Fall so dünn, dass es unnötig war sich auch noch darüber Gedanken zu machen. Zunächst einmal stand die Aufklärung der Geschehnisse auf der Gamma-Side zur Debatte. Alles andere war zweitrangig.
„Es ist müßig zu spekulieren ob und was die Intention der Ori mit Adria war. Fakt ist, dass sie aufgestiegen ist. Inwiefern dies eine Reaktion der Ori selbst ausgelöst hat, ist allerdings reine Spekulation. Sollte deine Mission tatsächlich fehlgeschlagen sein, wäre das ein herber Rückschlag für uns. Aber damit müssen wir uns später befassen. Zunächst müssen wir uns um die Gamma-Side kümmern.“
Cameron lief an Daniel vorbei und stellte sich neben General Landry. Die Drohne stand abflugbereit vor dem Stargate. Sergeant Harrimans Stimme halte durch die Lautsprecher.
„Chevron 7 ist eingegeben.“ Der Vortex des Wurmlochs schoss nach vorne in der Lage alles in seiner Reichweite zu vernichten.
„In Ordnung Walter,“ General Landry blickte zum Sergeant herab und nickte, „starten Sie die Drohne. Schauen wir uns an was dort passiert ist.“
„Aye Sir,“ Harrimann nickte und betätigte den Startknopf, „die Drohne startet.“
Cameron blickte hinaus auf den Gateraum. Die kleinen Antriebsdüsen zündeten und die Drohne schoss durch das aktivierte Wurmloch.
„Bekomme Telemetriedaten.“ Colonel Carter saß zu Cameron's rechten Seite und betrachtete den Monitor. „Ich schalte auf Videosignal, Sir.“
Die umliegenden Monitore erhellten sich und zeigten aus der Vogelperspektive das umliegende Gebiet des Stargates auf dem Planeten der Gamma-Side. Es war etwa 5 Kilometer von der Basis, in einem kleinen Tal gelegen, entfernt. Zwei hohe Bergrücken grenzten das Tal von Norden her ein, während südlich davon ein dichtes Waldgebiet sich über mehrere hundert Kilometer erstreckte. Ein kleiner Fluss schlängelte sich entlang der Bergrücken entlang und gab dem Tal eine Aura der Erholsamkeit. Es schien Cameron als ob dies der perfekte Ort zum Leben sein könnte; dort könnte er sich dem ganzen Trouble, welcher ihn seit mehreren Monaten belasteten, entziehen und die von ihm sehnsüchtig gesuchte Ruhe finden. Eine kleine Hütte unweit des Flusses, ein kleiner Steg und einfach die Füße baumeln lassen und dabei angeln.
„Du träumst von deiner Hütte, stimmt doch oder?,“ Daniel flüstere Cameron ins Ohr. Ein kleines Grinsen huschte ihm über das Gesicht; sein Freund kannte ihn; erschreckend zu gut.
„Okay, ich richte die Drohne auf die Koordinaten der Gamma-Site aus. Wir müssten in etwa 1 Minute in visueller Sichtweite sein.“ Colonel Carter betätigte den Joystick leicht nach rechts um die Drohne auf die korrekte Flugbahn zu begeben. „Und es macht genauso viel Spaß wie im Computerspiel, Cameron.“
„Pass bloß auf Sam; in diesem Fall sind es reale 25 Millionen Dollar die du in der Hand hälst.“ Cameron lachte leise auf und blickte seine Teamgefährtin dabei an. Ihre, wenn auch unregelmäßigen, Flugsimulatorspielen waren ihm ans Herz gewachsen. Diese Momente, wenn das Team sich, abseits ihrer Aufgaben, privat traf um gemeinsam die schwierigen Zeiten zu meistern, waren für ihn eine Tränke der Kraft. Filmabende die in Popcornschlachten zwischen Vala und Daniel ausarteten, Pokerabende, bei welchen Teal'c seine perfekt emotionslose Miene ausspielen konnte und Kochevents in denen man sich davon überzeugen konnte dass Carter oftmals besser mit ihren Computern als mit den Kochtöpfen umgehen konnte.
„Keine Sorge Cam.“ Sie lachte leicht auf. „General Landry, wir kommen in visueller Reichweite der Gamma Side. Ich beginne mit dem Sinkflug um genauere telemetrische Daten zu erhalten.“
Cameron blickte auf den Monitor. Die Außenbasis zeigte auf den ersten Blick keinerlei Beschädigungen. Die äußeren Hauptschotts schienen verschlossen aber noch intakt zu sein. Sein Blickwinkel änderte sich mit dem Flugvektor der Drohne und erlaubten ihm kurz die Sicht auf die östliche Außenwand. Im ersten Moment dachte Cameron es wäre eine Bildstörung, aber im zweiten Augenblick erkannte er für einen Sekundenbruchteil mehrere dunkle Flecken.
„Zurück Sam,“ rief er seiner Teamkollegin zu, „da war etwas.“
„Ich habe es auch gesehen,“ nickte Sam ihm zu, „ich ändere den Flugvektor und beginne eine neue Schleife. Sie wird uns einen längeren Blick auf die Ostwand ermöglichen.“
„Was sagen die Telemetrie- und Sensordaten?“ fragte Daniel welcher sich hinter General Landry befand.
„Die Drohne empfängt keinerlei Lebenszeichen aus der Basis, allerdings werden die Sensoren durch ein hohes Maß an Verteronstrahlung gestört.“ Sergeant Harriman blickte zu General Landry auf. „Ich habe keine Ahnung was eine solche Strahlung auslösen könnte.“
„Sam?“ Daniel beugte seinen Oberkörper leicht nach vorne, „das einzige was ich über Verteronstrahlungen, kenne ist ihre Verbindung zu Wurm- und Schwarzen Löchern. Gibt es deines Wissens noch physikalische Gegebenheiten die diese Art von Strahlung auslösen können?“
Colonel Carter schüttelte den Kopf. Ihr Blick versteifte sich auf den Monitor und Cameron sah wie ihre Hand den Joystick enger umgriff.
„Was ist los Sam?“ fragte Colonel Mitchell.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Probleme die Drohne sauber auf dem Flugvektor zu halten. Es ist als ob irgendetwas die Verbindung beeinträchtigt.“ Ihr Stimme klang angespannt. Cameron wusste dass Sam die Drohnen persönlich inspizierte. Wenn es ein Problem gab, dann war die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen mechanischen oder elektronischen Fehler in der Drohne handelte, extrem gering.
„Sir,“ Sergeant Harrimann's Stimme jaulte auf, „die Verteronstrahlung in der Basis erhöht sich. Dramatisch!“
Cameron drehte seinen Kopf zurück zum Monitor. Ein helles Leuchten drang aus den einzelnen Fenstern der Basis heraus.
„Was ist da los, Walter!“ rief General Landry.
„Keine Ahnung Sir. Die Messskalen der Drohne sind bereits überschritten. Wir können weiterhin nicht feststellen was der Grund für die Strahlung ist. Das einzige was ich Ihnen sagen kann....“ Ein helles Licht überblendete kurzzeitig die Videoübertragung der Station bevor der Kontakt ausfiel und der Monitor nur noch statisches Rauschen übertrug.
„Verdammt,“ zischte Colonel Carter und ließ den Joystick los. „Wir haben den Kontakt verloren, Sir. Ich kann keinerlei Datenpakete mehr empfangen. Es scheint als ob die Drohne abgestürzt ist.“
Cameron blickte zu seinem Vorgesetzten. Es gab nun zwei Alternativen. Entweder er schickte eine zweite Drohne durch das Wurmloch, mit der Gefahr dass diese ebenfalls abstürzte, oder er würde die SG-Teams durch das Tor schicken. Keine der beiden Alternativen gefiel Cameron. Waren die Strahlenwerte akzeptabel für Menschen oder würde das SG-Team in Gefahr laufen sich radioaktiv zu verseuchen?
„Colonel Carter, analysieren Sie bitte mit Dr. Lee die letzten Daten welche von der Drohne gesendet wurden. Darüber hinaus fragen Sie bitte Dr. Lam ob die Strahlenwerte gefährlich für Menschen sind. Colonel Mitchell, treffen Sie die notwendigen Vorbereitungen die Teams für den Außeneinsatz vorzubereiten. Ich will wissen was dort los ist!“