Hängen sollst du, Rodney McKay! (1/3)
Autor: Antares
Serie: SGA – (Historisches AU)
Rating: PG-13
Pairing: Sheppard/McKay
Inhalt: Wyoming, 1880. Rodney McKay soll wegen Pferdediebstahls gehängt werden. Wird Sheppards Rettungsplan funktionieren? Kann Rodney die Bedingungen akzeptieren?
Anmerkungen:
1) Besten Dank an meine Betaleserin Sinaida!
2) Dies ist ein Alternatives Universum, das nicht in allen Punkten Anspruch auf historische Wirklichkeit erhebt, denn ich habe nirgends eine Bestätigung gefunden, dass es dieses Gesetz wirklich gegeben hat – außer in Filmen und Büchern. *g*
3) Die Geschichte ist vollständig geschrieben und ich werde sie in den nächsten Tagen in drei Teilen posten.
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Wyoming, 1880
Morgen, genau um 12 Uhr mittags, würden sie ihn hängen.
Rodney McKay starrte gegen die schmutzige Decke der Gefängniszelle und bemühte sich, seine Gedanken nicht allzu frei schweifen zu lassen. Zu unfassbare Dinge lauerten in den dunklen Ecken. Stattdessen versuchte er auszurechnen, wie groß die Fläche der vergilbten Wasserflecken war, die er unter der Decke ausmachen konnte. Er hatte auch schon die Gesamtlänge der eisernen Gitterstäbe vor seiner Zelle und die Zeit, die die Spinne brauchte, um von ihrem Netz zum Tisch zu krabbeln, berechnet. Aber dennoch wanderten seine Überlegungen immer wieder zu der unglaublichen Tatsache zurück, dass man ihn morgen Mittag hängen wollte. Einfach so, wollte man eines der größten, verkannten Genies der Menschheit vom Leben zum Tode befördern.
Dabei war das alles ein ganz riesiges Missverständnis, aber davon wollte Sheriff Caldwell ja nichts wissen.
Rodney hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, ihm zu erklären, dass er Sheppards Pferd nur ausgeliehen hatte, in der festen Absicht, es sofort wieder zurückzubringen. Nur der wissenschaftliche Eifer hatte ihn davon abgehalten. Denn wenn er seine Erkenntnisse nicht sofort aufschrieb, wer konnte schon garantieren, dass der Geistesblitz eine halbe Stunde später nicht für immer verloren war?
Caldwell hatte ihm das ebenso wenig geglaubt wie seine Erklärung, dass er Sheppards Pferd nur deshalb genommen hatte, weil es das schnellste war, viel schneller als Rodneys lahmer, alter Gaul. War es Rodneys Schuld, dass es gerade dort am Bahnhof angeleint gewesen war, als der Zug eingefahren war? Noch weniger glaubte ihm Caldwell, dass es Rodney von der einen auf die andere Sekunde eingefallen war zu überprüfen, ob die Theorie, von der Professor Zelenka in seinem letzten Aufsatz gefaselt hatte, wirklich stimmte, und dass er dafür ein Pferd gebraucht hatte.
Aber mal ganz ehrlich, was konnte er dafür, dass der Sheriff noch nie vom Doppler-Effekt gehört hatte? Schon vor Jahren hatte dieser österreichische Gelehrte das postuliert und Zelenka in Prag hatte jetzt weiterführende Versuche dazu gemacht, die Rodney unbedingt hatte überprüfen müssen. Stattdessen hatte Sheriff Caldwell sein Ausleihen Vorsatz und Diebstahl genannt. Pferde-Diebstahl!
Und darauf stand der Tod durch Erhängen.
Unzivilisiertes Pack hier. Rodney seufzte tief auf und versuchte, auf der harten Strohmatratze eine bequemere Stellung zu finden.
Wie einen Verbrecher hatten Caldwells Schergen ihn gestern verhaftet. Heute Vormittag hatte es dann diese Farce von Gerichtsverhandlung gegeben, die nicht übermäßig gut gelaufen war. Das größte Hindernis war gewesen, dass Sheppard nicht zu seinen Gunsten hatte Stellung beziehen können. Der Sheriff hatte ihm mitgeteilt, dass Sheppard am Vortag nach Fort Laramie gefahren war. Was auch immer er dort wollte, Rodney hoffte nur, dass es wirklich wichtig war.
McKay war überzeugt, dass der Sheriff noch immer einen unbegründeten Groll gegen ihn hegte, weil der Blitzableiter an seiner Scheune, den Rodney montiert hatte, nicht ganz hundertprozentig funktioniert hatte und ein paar Heuballen abgebrannt waren. Ja, er hielt ihm sogar vor, die lange Metallstange habe den Blitz angelockt statt abgehalten – was natürlich wissenschaftlicher Unsinn war. Und so war er schon völlig voreingenommen in diese Verhandlung gegangen.
Dieser schmierige Barkeeper Ka… Ka… Kavenagh, ja, genauso hieß das schäbige Wiesel, hatte ein uralte Geschichte ausgegraben, laut der nie geklärt worden war, ob Rodney den billigen Fusel, den er für ein Experiment gebraucht hatte, auch bezahlt hatte. Und dann hatte er mit einem widerlichen, hinterhältigen Grinsen in allen Einzelheiten beschrieben, wie er Rodney hatte das Pferd stehlen sehen und wie es natürlich seine Bürgerpflicht gewesen war, sofort den Sheriff davon zu unterrichten.
Bürgerpflicht! Rodney verzog angewidert das Gesicht. Meiner Treu! Der Barkeeper war so bestechlich wie ein Hefekuchen, dem man Wärme zuführte. Er ging ganz darin auf! Wenn Caldwell sich mal die Mühe machen würde, das Hinterzimmer des Saloons einer genaueren Inspektion zu unterziehen, könnte er den angeblich so pflichtbewussten Bürger bei sehr wenig pflichtbewussten Tätigkeiten überführen.
Die Unterstützung aus dem Publikum – und der kleine Gerichtssaal war zum Bersten voll gewesen – war auch nicht gerade enthusiastisch ausgefallen. In der zweiten Reihe hatten Katie, Samantha und Jennifer die Köpfe zusammengesteckt und ihm abschätzige Blicke zugeworfen.
Es war Rodney bis heute noch ein Rätsel, wie die drei herausgefunden hatten, dass er allen dreien einen Antrag gemacht hatte. Aber wie sollte ein Mann ohne statistisch verwertbare Fakten auch wissen, welche er nehmen sollte? So hatte er sich von ihnen zum Essen einladen und seine Hemden abwechselnd von ihnen waschen, stärken und bügeln lassen. Doch als er Sam probeweise – nach Katie und Jennifer – geküsst hatte, hatte sie ihn mit einer heftigen Ohrfeige aus ihrem Zimmer und ihrem Leben geschmissen.
Er rieb sich in Erinnerung daran die Wange. Auch Partnersuche sollte wissenschaftlich betrieben werden, aber dafür fehlte den drei Damen wohl das Verständnis.
Rodney seufzte tief auf. Der einzige, der Einfühlungsvermögen für seine Erklärungen gezeigt hatte, war Doc Beckett gewesen, aber seine Stimme hatte den unzivilisierten Pöbel nicht mehr umstimmen können.
Tod durch Erhängen.
Dieses Mal saß er wirklich in der Patsche. Verflucht. Dem Sonnenstand nach war es bereits früher Abend, das ließ ihm noch grob gerechnet siebzehn, achtzehn Stunden. Rodney spürte Übelkeit aufsteigen und zwang sich ganz tief durchzuatmen und nicht in Panik zu verfallen. Leichter gesagt als getan, denn schon ertappte er sich bei Berechnungen, ob sein Gewicht wohl ausreichte, ihm gleich beim ersten Mal das Genick zu brechen, oder ob er dort länger baumeln müsste, bis er endlich elendiglich erstickt wäre.
„Nein, nein, nein“, hektisch setzte sich Rodney auf, nahm den Kopf zwischen die Knie und stieß seinen Atem laut aus. Jetzt wieder einatmen … und noch einmal ausatmen. Ein. Aus.
Rodneys Blick fiel auf den Teller mit Brot und Wurst, den Evan Lorne, der Hilfssheriff, ihm am Mittag gebracht hatte. Er hatte kaum einen Bissen heruntergebracht; ein sicheres Zeichen, dass etwas ganz im Argen lag. Henkersmahlzeit – wie außerordentlich passend in seinem Fall, musste Rodney sarkastisch denken. Dann spürte er, wie sein Magen erneut revoltierte und er zwang sich, nicht weiter darüber nachzusinnen.
Außerdem sollte er langsam vielleicht wirklich mal den Brief an seine Schwester Jeannie abfassen, etwas, das er die letzten Stunden immer wieder vor sich hergeschoben hatte. Mühsam raffte er sich auf und schlurfte zu dem wackligen Tischchen auf dem ein Blatt Papier lag und ein Tintenfass stand. Rodney ließ sich auf den Stuhl davor fallen und tauchte die Feder in die Tinte. „Liebe Jeannie“ war noch schnell aufs Papier gebracht, aber danach wusste er nicht, wie er fortfahren sollte. Er nagte an der Feder, bis ihm einfiel, dass man davon krank werden konnte, bis ihm einfiel, dass das in seinem Fall auch egal war. Er seufzte tief auf.
Nun, da er nicht wusste, wie man seiner Schwester mitteilte, dass man nicht mehr unter den Lebenden weilte, wenn sie dieses Papier in Händen hielt, entschloss er sich, ihr einfach die Ergebnisse seiner Versuche zu dem Doppler-Effekt zu beschreiben, und dort weiterzumachen, wo ihn der Sheriff gestern so rüde unterbrochen hatte.
Seine Feder kratzte über das Papier. „... nach einer Periodendauer T hat sich die Wellenfront um die Strecke cT ausgebreitet, und die Quelle hat den Weg vT zurückgelegt. Daraus kann man schließen ….“ Er war so in seine Arbeit versunken, dass er beinahe nicht mitbekommen hätte, dass jemand das Gefängnis betreten hatte und jetzt den Schlüssel im Schloss herumdrehte.
Sein Kopf drehte sich ruckartig zur Tür der Zelle. Sheriff Caldwell stand davor. „Ich habe Besuch für Sie mitgebracht, McKay.“
„Der Priester! Oh Gott, es ist soweit! Der Priester! Ist es denn schon so spät?“, jammerte und brabbelte Rodney durcheinander. „Die letzte Beichte. Oh nein, oh nein! Ich bin noch nicht fertig!“ Rodney sprang auf und rang dramatisch die Hände.
„Hey, McKay. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war ich noch nicht der Priester“, ließ sich jetzt eine leicht schleppende Stimme vernehmen. Ein Mann trat aus dem Halbdunkel ins Licht.
„Sheppard??!!“ Vielleicht quietschte seine Stimme auf der zweiten Silbe etwas zu hoch, aber das war Rodney jetzt auch egal. „Oh, Gott sei Dank! Sheppard! Du musst diesen Idioten sagen, dass ich dein Pferd nicht gestohlen habe! Du musst ihnen klarmachen, dass das alles ein ganz großes Missverständnis ist!“
Caldwell hielt die Zellentür auf und ließ Sheppard eintreten. „Ich bin dann in einer halben Stunde zurück“, meinte er und tippte sich an den Stetson.
„Danke sehr.“ Sheppard erwiderte die Höflichkeitsbezeugung mit einem leichten Nicken.
Caldwell schloss die Tür von außen wieder ab und verließ das Gefängnis. McKay und Sheppard waren allein.
„Du hast ihm doch gesagt, dass das alles nicht stimmt, oder?“, fragte Rodney beunruhigt an.
„Ich habe versucht, die Sache so gut es geht zu erklären und dich aus der Schusslinie zu bugsieren. Aber es steht mein Wort gegen Kavanaghs und das Urteil ist schon rechtskräftig. Das ist alles nicht so einfach.“ John machte ein paar Schritte durch die Zelle.
„Was ist denn daran nicht einfach?“, rief Rodney empört. „Wenn du versicherst, dass ich die Erlaubnis hatte, das Pferd zu reiten, dann …“
„Hast du denn die Erlaubnis gehabt?“, fragte Sheppard und stoppte sein Auf- und Abgehen.
„Nein, das nicht. Aber … aber … das hast du doch nicht Caldwell gesagt, oder?“
Sheppard kratzte sich am Kopf. „Nun, der Sheriff weiß, dass ich Black Thunder von niemandem reiten lasse. Und er ist nicht dumm. So hat er mich direkt nach meiner Rückkehr aus Fort Laramie am Bahnhof abgefangen, noch bevor ich überhaupt wusste, was vorgefallen war. Und auch noch bevor ich wusste, dass du der Jemand warst, der sich unerlaubterweise das Tier geschnappt hatte.“ Leicht wütend und ein wenig resigniert schaute John ihn an und fuhr fort: „Er ließ sich von mir schwören, dass niemand die Erlaubnis hat Black Thunder zu reiten.“
„Ja … ähm … also, das war so …“ Und dann erzählte Rodney ihm die ganze Geschichte holterdiepolter und nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge, weil er immer wieder wissenschaftliche Erklärungen und abschätzige Charakterbeschreibungen der einzelnen Protagonisten in dieser Schmierenkomödie, die sich rasend schnell zu einer Tragödie entwickelt hatte, einflocht.
Was John dann mit ein bisschen Sortieren herausbrachte, war, dass Rodney sich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Doppler-Effekt und Professor Zelenkas neuen, weiterreichenden Theorien dazu beschäftigt hatte. Als er dann zufällig am Bahnhof einen Zug gesehen hatte und unmittelbar davor Sheppards angeleintes Pferd, von dem er wusste, dass es das Schnellste in der Gegend war, war sein wissenschaftlicher Eifer mit ihm durchgegangen. Zwei sich bewegende Objekte waren genau das, was er für seine Theorie brauchte und folglich hatte er sich das Pferd kurzerhand ausgeborgt.
„Und so ist Caldwell dann auf den abwegigen Gedanken gekommen, ich hätte das Pferd geklaut“, beendete Rodney empört seine Ausführungen. Als er Sheppards Stirnrunzeln sah, hatte er immerhin noch die Geistesgegenwart zu bemerken: „Es tut mir leid. Ich hätte dich vorher fragen und dann den nächsten Zug abwarten sollen.“
Sheppard rollte mit den Augen. „Du hättest das Pferd trotzdem nicht bekommen!“
„Dann ist es ja gut, dass ich das Experiment bereits durchgef… nein, nein.“ Rodney schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. „Schon gut. Was ich sagen wollte, ist…“
Sheppard schaute gar nicht amüsiert, eher als habe Rodney nun endgültig den Bogen überspannt, und kleinlaut beendete dieser deshalb den Satz mit: „Ich würde es rückgängig machen, wenn ich könnte.“
„Kannst du aber nicht.“
Rodney setzte sich neben Sheppard, der in der Zwischenzeit auf dem Bett Platz genommen hatte. „Sheppard! Du musst mir helfen. Ich kann morgen nicht sterben. Ich habe noch so viel zu tun. Es muss doch eine Lösung geben! Egal welche“, redete er eindringlich auf den anderen Mann ein. „Ich bin bereit, alles zu tun, ehrlich, denn dieses Wissen“, er tippte auf seinen Kopf, „darf einfach nicht für immer verloren gehen.“
„Nun, eventuell gäbe es da vielleicht eine Lösung“, meinte John zögerlich.
Tbc ...