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Kapitel 4: Der erste Streit
Fünf Tage später betraten Colonel Mitchell und Dr. Jackson das Stargate-Center durch das Gate. Sie waren erschöpft von dem Marathon durch die verschiedenen verbündeten Welten und freuten sich auf den Feierabend. Zunächst aber wurden sie von General Landry zum Debriefing erwartet. Zu ihrer Freude trafen sie im Besprechungsraum auch Teal’c und seinen Mentor und alten Freund Bra’tac an. Nach der Begrüßung ließen sie sich regelrecht in die Stühle fallen.
„So viel bin ich schon lange nicht mehr gelaufen“, stöhnte Daniel und streckte die Beine weit von sich.
„Ja, war eine ganz schöne Plackerei“, stimmte Cam ihm zu.
„Hatten Sie denn wenigstens Erfolg?“, fragte General Landry, der beim Eintreten den Satz des Colonels gehört hatte.
„In gewisser Weise, Sir. Unsere Verbündeten bedanken sich für die Warnung. Jede einzelne Regierung sagte zu, die Angelegenheit durchzusprechen und zu sehen, wie sie uns helfen können. Aber eine konkrete Zusage auf unsere Bitte um Hilfe haben wir von niemandem bekommen.“
General Landry schüttelte den Kopf.
„Da hatte ich aber mehr erwartet“, meinte er etwas enttäuscht und wandte sich an die beiden Jaffa. „Und wie sieht es bei Ihnen aus? Was hat der Rat der Jaffa beschlossen?“
„Der Rat hat nach langen Beratungen beschlossen, die Tau’ri mit so vielen Kriegern und Raumschiffen zu unterstützen, wie sie benötigen“, erwiderte Teal’c mit einem leichten Lächeln. Es belustigte ihn, zu sehen, wie der General aufatmete.
„Das ist doch wenigstens eine klare Aussage“, sagte er befriedigt. „Bra’tac, richten Sie dem Rat bitte unseren Dank aus. Es dürften einige Besprechungen nötig sein, bei denen wir einen konkreten Plan ausarbeiten werden.“
Auch Bra’tacs Augen blitzten amüsiert, als er zustimmend den Kopf neigte.
„Ich werde dem Rat die Grüße der Tau’ri überbringen. Auch die Jaffa halten es für wichtig, der Allianz endlich Einhalt zu gebieten.“
„Gut, damit haben wir wenigstens einen Verbündeten, auf den wir uns verlassen können. Die Tok’ra haben übrigens zugesagt, ihre Augen und Ohren offen zu halten. Sobald sie etwas erfahren, werden sie uns informieren.“
Mit einem Nicken entließ er die Männer, hielt aber Colonel Mitchell noch einen Moment zurück.
„Colonel, Sie bekommen noch einen Memory-Stick für Atlantis mit, bevor Sie nach Lakotia abreisen. Mr. Woolsey und Colonel Sheppard müssen über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten werden. Nehmen Sie sich morgen frei. Immerhin waren Sie jetzt fünf Tage im Dauereinsatz. Sollte sich etwas Unvorhersehbares ereignen, sind Sie ja über Atlantis erreichbar.“
„Jawohl Sir. Vielen Dank.“
Ein Strahlen ging über Camerons Gesicht bei der Aussicht, einen freien Tag auf Lakotia verbringen zu können. Der General sah ihm mit einem Lächeln hinterher, als er die Treppe nach unten eilte. Er gönnte seinem besten Mann das Glück von ganzem Herzen, das er so unerwartet gefunden hatte. Landry wusste nur zu genau, wie gefährdet Beziehungen in ihrem Beruf waren.
***
Obwohl Cameron das Stargate-Center am Abend verlassen hatte, war es auf Lakotia erst früher Nachmittag, als er dort eintraf. Die unterschiedliche Rotation der Planeten führte dazu, dass man eigentlich ständig zu einer anderen Tageszeit ankam, als man abreiste. Wenn der Unterschied zu groß war, konnte das zu einem ganz schönen jet-lag führen. An diesem Tag jedoch betrug die Differenz nur wenige Stunden.
Cam war auf direktem Weg nach Atlantis gereist, um den Speicher-Stick abzuliefern und nutzte die Zeit für einen Kaffee in der Kantine. Er hoffte, dort vielleicht auf John zu treffen, da er die Unstimmigkeit bei ihrem Abschied aus dem Weg schaffen wollte, doch der Kommandant schien zu beschäftigt zu sein. Er sah einige Wissenschaftler, Militärs und sogar lakotianische Besucher, aber keine Spur von Sheppard. Cam trank langsam seinen Kaffee und beobachtete die Leute. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, aber John tauchte nicht auf. Nach einer Weile erhob sich Cam und beschloss, noch auf dem Pier, Johns Lieblingsplatz, nachzusehen, aber auch dort war der Freund nicht zu finden. Frustriert machte er sich auf den Weg und fragte nach einem Jumper-Transfer nach Lakotia-City. Er konnte sich einigen Besuchern anschließen, die ebenfalls dorthin zurück wollten.
In der Stadt angekommen beschloss er, Lillian vom Institut abzuholen. Ihre Freude, ihn zu sehen, war groß und sie gingen Arm in Arm nach Hause. Sie nahmen noch ein Abendessen aus einem der Schnell-Imbisse mit und richteten sich auf einen gemütlichen Abend ein. Nach einer ausgiebigen Dusche und einem ruhigen Mahl kuschelten sie sich auf dem Sofa aneinander und genossen einfach nur die Nähe des anderen. Cameron war zu erschöpft von den Anstrengungen der letzten Tage und Lillian war zufrieden damit, ihn an ihrer Seite zu spüren. Sie zogen sich bald ins Bett zurück und fielen aneinander geschmiegt in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Morgen jedoch wurde Cameron zärtlich geweckt, als Lillian begann, ihn am ganzen Körper zu küssen und mit der Zunge feuchte Spuren zu hinterlassen. Noch im Halbschlaf zog er sie an sich und streichelte sie. Es endete damit, dass er zärtlich in sie eindrang und sie langsam und genüsslich zu einem Höhepunkt führte, den er selbst mit einer ungeahnten Intensität spürte. Er folgte ihr nur Sekundenbruchteile später und verströmte sich keuchend in ihr. Ohne sie zu verlassen rollte er sich neben sie und zog sie mit sich. Sein Atem und Herzschlag kamen nur langsam zur Ruhe. Mit zittrigen Händen drückte er ihren Kopf an seine Brust.
„Mein Gott, Lillian …“, seufzte er. „Was machst Du nur mit mir?“
Ihre Antwort bestand aus einem innigen Kuss und einem süffisanten Grinsen.
„Hat es Dir gefallen?“, fragte sie heiser.
„Da fragst Du noch? So möchte ich gern jeden Morgen geweckt werden …“
„Geht leider nicht …“, murmelte sie und schmiegte sich an ihn. Seine Hände strichen träge über ihren Rücken und sie stieß ein Seufzen aus. Sie fühlte, wie er allmählich aus ihr glitt und bedauerte es. Doch so gerne sie liegen geblieben wäre und ihr Liebesspiel fortgesetzt hätte, wurde es langsam Zeit für sie, aufzustehen. Ihre Zeit auf Lakotia neigte sich bald dem Ende zu und sie wollte unbedingt noch einige Experimente zum Abschluss bringen, bevor sie wieder zurück zur Erde musste. Ihr Antrag auf Verlängerung ihres Aufenthaltes auf dem Planeten war noch nicht entschieden worden.
Nach einem weiteren Kuss löste sie sich von Cam und ging unter die Dusche. Danach warf sie ihn aus dem Bett und machte anschließend Frühstück, während er duschte. Beim Essen kam er dann auf den Erfolg oder Misserfolg seiner Mission zu sprechen. Er erzählte ihr, wie zögerlich sich die Verbündeten verhalten hatten und dass er kein gutes Gefühl bei der Sache habe.
„Einzig die Jaffa und die Tok’ra haben sofort ihre Hilfe angeboten. Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe den Eindruck, dass die Allianz auch da ihre Hände im Spiel hat.“
„Meinst Du, sie bedrohen die Anderen?“
„Entweder das, oder sie haben unsere Freunde bestochen. So oder so, die Lage scheint gefährlicher, als wir angenommen haben. Du musst im Falle eines Angriffes sofort nach Atlantis gehen.“
„Ich … aber … die Lakotianer werden sich schon zu helfen wissen. Warum sollte ich da nach Atlantis?“
„Weil Du dort sicher bist. John wird auf Dich Acht geben. Versprich es mir!“, verlangte er.
„Schatz, ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich brauche keinen Wächter …“, versetzte Lilly etwas genervt.
„Er soll Dich ja auch nicht bewachen. Nur zusehen, dass Dir nichts passiert“, versuchte Cam es noch einmal, aber Lillian reagierte nur noch ungehaltener.
„Wie kommst Du darauf, dass ich in Atlantis sicherer wäre als hier? Ich denke doch, die Basis wäre das erste Angriffsziel, wenn es dazu kommen sollte.“
„Atlantis hat aber einen Schutzschild …“
„Woher willst Du wissen, dass Lakotia nicht auch so etwas besitzt?“
Lillians Tonfall wurde zusehends aggressiver. Sie mochte es nicht, dass er so über sie bestimmen wollte. Als ob sie nicht selbst entscheiden könnte, was sie im Falle eines Angriffs tun sollte. Wütend funkelte sie ihn an.
„Falls Lakotia einen Schutzschirm hat, wird das vom Rat jedenfalls sehr geheim gehalten. Wir wissen ja noch nicht einmal, ob die Lakotianer sich wirkungsvoll verteidigen können“, fauchte Cam jetzt zurück. Ihm ging Lillys Sturheit auf die Nerven. Merkte sie denn nicht, dass er sich nur um sie sorgte? Wie sollte er sich denn konzentrieren können, wenn er um sie bangen musste?
„Lakotia hat sich all die Jahre auch ohne die Hilfe der Erde schützen können! Warum geht das nicht in Deinen Kopf hinein?“, schrie sie ihn jetzt an.
„Weil sie die Unterstützung der Asgard hatten, verdammt noch mal. Und die gibt es jetzt nicht mehr. Hast Du das noch nicht kapiert?“
Auch Cameron wurde jetzt laut. Diese Frau machte ihn wahnsinnig. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann explodierte Lillian förmlich.
„Das ist wieder so typisch! Du bist ein MANN, Du bist ein SOLDAT, Du hast RECHT. Daran hat sich nichts geändert. Ich lasse mir aber keine Befehle erteilen, nicht von Dir und nicht von irgendjemand Anderem, verstanden? Und jetzt lass mich in Frieden!“
Sie bemerkte überhaupt nicht, wie ihr die Zornestränen über die Wangen liefen, als sie ins Schlafzimmer stürzte. Weg, nur weg von diesem Mann. Sie tigerte erregt von einer Ecke in die andere, während sie versuchte, sich zu beruhigen. Wie konnte er es wagen! Befahl ihr einfach, nach Atlantis zu gehen! Versuchte, über ihr Leben zu bestimmen! Nur, weil sie zusammen waren, war er nun der Bestimmende, der Führende, das … Alpha-Männchen …
Urplötzlich musste Lillian lachen und ihr Zorn verflog. Ja, genau, so war er schon immer gewesen. Sie hatte es gewusst und sich trotzdem für ihn entschieden. Warum regte sie sich eigentlich so auf? War da ein alter Reflex durchgekommen? Es schien fast so. In gewisser Weise hatte Cam mit seinen Argumenten sogar Recht. Sie hatte es nur gehasst, wie er dieses Versprechen von ihr verlangt hatte. So ganz, ohne sie zu fragen oder zu bitten. Hätte er es anders formuliert, hätte sie wahrscheinlich auch völlig anders reagiert. Zögernd wandte sie sich zur Tür, öffnete sie und sah hinaus. Cam saß auf der Couch und hatte sein Gesicht in den Händen vergraben.
Als Lillian hinausstürmte, sah Cameron ihr verbittert nach. Er konnte nicht ganz nachvollziehen, wie es zu diesem Streit gekommen war. Ja, es war ihr erster handfester Streit. In ihm brodelte noch immer der Zorn über ihre Unvernunft. Warum sah sie denn nicht ein, dass sie auf Atlantis im Fall eines Angriffs besser aufgehoben war? Ihre Loyalität den Lakotianern gegenüber in allen Ehren, aber es war wirklich nichts darüber bekannt, ob und wie sie sich verteidigen konnten. Das Risiko war einfach zu groß …
Er ging zur Couch und setzte sich. In Gedanken ließ er noch einmal ihr Gespräch Revue passieren um heraus zu finden, an welcher Stelle es aus dem Ruder gelaufen war. Und mit einem Mal fiel ihm auf, was Lillian so gestört hatte. Er barg aufstöhnend das Gesicht in den Händen. Wie konnte ihm nur so ein Fehler unterlaufen? Er hatte ihr sozusagen befohlen, nach Atlantis zu gehen! Es war keine Bitte gewesen, die sie ihm sofort erfüllt hätte, da war er sicher. Nein, es war ein Befehl. Und wie Lillian auf so etwas reagierte, hätte er voraussehen müssen. Sie tat am Liebsten sofort das Gegenteil, das wusste er. Oh mein Gott, warum hatte er es nicht gleich gemerkt? Wie konnte er nur so dumm sein?
Inmitten seiner Selbstvorwürfe hörte er, wie sich die Tür hinter ihm öffnete. Langsam nahm er die Hände herunter und drehte sich um. Da stand sie und grinste ihn scheu an.
„Cam … es tut mir leid“, sagte sie leise und kam auf ihn zu.
„Mir auch, Lilly. Ich bin wirklich ein Idiot. Anstatt Dir zu erklären, warum ich Dich lieber auf Atlantis weiß als hier, spiele ich mich als Macho auf und schrei Dich auch noch an.“
Er stand auf und ging zu ihr.
„Kannst Du mir verzeihen?“
„Aber nur, wenn Du mir auch verzeihst“, erwiderte sie. Mit einem Aufseufzen schlang sie die Arme um ihn und schmiegte sich an ihn.
„Natürlich tu ich das. Ich … Lilly, ich bitte Dich inständig, Dich zu John in Sicherheit zu begeben, falls es tatsächlich zu einem Angriff auf Lakotia kommen sollte. Dann brauche ich mir keine so großen Sorgen um Dich zu machen und kann mich besser konzentrieren …“
Sie sah auf und er konnte den erschrockenen Ausdruck sehen, der in ihre Augen getreten war.
„Oh mein Gott“, flüsterte sie, „daran hab ich gar nicht gedacht. Wenn ich nun der Grund dafür wäre, dass Dir was passiert … das könnte ich mir nie verzeihen. Ich … oh Cam …“
Das Entsetzen, das sie bei diesem Gedanken gepackt hatte, spiegelte sich nun deutlich in ihren Augen wider. Einen ähnlichen Ausdruck hatte Cam vor kurzem in einem anderen Augenpaar gesehen. John hatte ihn ebenso entsetzt angeblickt … Beruhigend strich er Lillian über den Rücken und zog sie an sich.
„Lilly, ich habe übrigens mit John gesprochen“, sagte er nach einer Weile leise. „Du weißt schon, wegen Deiner Neugier …“
„Und, was hat er gesagt?“ Lillian wollte sich nur zu gerne ablenken lassen.
Cameron berichtete ihr nun von seinem Gespräch mit Sheppard. Er verschwieg ihr auch nicht den Teil, bei dem John so ausgerastet war. Lillian schüttelte nur den Kopf.
„John hat Recht, Du kannst manchmal wirklich ein Idiot sein. So was von unsensibel …“
„Ich weiß. Der Spruch ist mir einfach so rausgerutscht. Er hat allerdings bei mir auch einen Nerv getroffen, verstehst Du?“
„Ich würde Dich nie verlassen, Cam, das solltest Du wissen.“
„Bist Du da ganz sicher? Ich meine …“
„Oh ja, mein Schatz, das bin ich. Nicht einmal ein John Sheppard könnte mich dazu bringen“, versicherte sie ihm ernsthaft. Sie hob den Kopf und küsste ihn zärtlich. Er erkannte, dass sie auf diese Weise ihr Versprechen besiegelte und erwiderte das Spiel ihrer Zunge, bis sie beide nach Luft schnappen mussten. Mit einem befreiten Lachen lösten sie ihre Lippen voneinander.
„Also, normalerweise sollte eine solche Versöhnung im Bett enden, aber ich befürchte, dazu haben wir keine Zeit mehr“ bedauerte Cam und ließ sie seine Erregung spüren.
„Können wir das nicht später nachholen?“, grinste Lilly und presste ihre Hüften an ihn.
„Das sollten wir unbedingt!“, stöhnte er auf.
Zögernd löste Lillian ihre Umklammerung und sah ihm noch einmal tief in die Augen. Sie sah darin das Verlangen, das sie selbst verspürte, widergespiegelt und hauchte ihm noch einen kleinen Kuss auf den Mundwinkel.
„Ich muss zur Arbeit, Schatz, so leid mir das auch tut. Was hast Du heute vor?“
„Ich denke, ich werde nochmal versuchen, mit John zu reden. Ich will das nicht einfach so im Raum stehen lassen …“
„Gute Idee. Aber reiß Dich diesmal ein wenig zusammen, ja?“
Mit einem frechen kleinen Grinsen schlüpfte Lilly in ihre Schuhe und schnappte sich ihre Tasche.
„Ich werd mich bemühen“, versprach Cam und sah ihr nach, als sie hinausging.
tbc.