Vier Augenpaare sahen sie an, die meisten mit fragendem oder völligem Unverständnis im Blick. „Jedes Mal, wenn Jack das Feuerzeug anmachte, hat die Zeichnung aufgeleuchtet.“
„Was ja nichts Besonderes ist, denn das nennt man Licht“, fiel Jack ihr schmunzelnd ins Wort, hob aber gleichzeitig die Hände und wehrte ab, „aber nichts gegen deine Schlussfolgerungen.“
Nicole stöhnte leicht und wand sich kopfschüttelnd wieder dem Bild zu. „Was wird wohl passieren, wenn wir auch noch die beiden Kerzen hier oben anzünden?“ Sie schob den Vorhang noch ein Stückchen weiter auseinander, um den anderen zu zeigen, was ihr kurz zuvor aufgefallen war.
Genau auf der Mittelachse der Tordarstellung waren an beiden Seiten Halter angebracht, deren Kerzen ebenfalls weit heruntergebrannt waren.
„Es kommt auf einen Versuch an“, meinte der Professor und nickte Jack auffordernd zu, auch diese beiden Kerzen noch anzuzünden.
Einen Moment später erhellte das warme Licht den Raum und das Funkeln, welches Nicole vorher schon aufgefallen war, wurde intensiver und für alle sichtbar. Mitten durch das Abbild des Stargates zogen sich zwei sich kreuzende Linien.
„Was ist das da?“, fragte Daniel, der versuchte, näher an das Bild heranzukommen.
„Was?“, hakte Lyz nach, verstummte aber, als sie Daniels Blick folgte und erkannte, was er gemeint hatte. Wo die beiden Linien sich kreuzten, war eine kleine, kaum sichtbare Erhöhung, die erst durch den Lichteinfall auffiel.
Fasziniert kam der Professor näher, um das Ganze zu untersuchen, wurde aber von Jack abgedrängt, der kurzerhand seinen Arm ausstreckte und auf den markierten Punkt drückte. Im ersten Moment passierte nichts, außer einem Protestlaut von Daniel, den Jack mit einem „Was? Da stand doch ‚Drück mich‘ drauf!“ abtat.
Dann hörte man ein lautes Knacken und ein Paneel über dem kleinen Regal schob sich knarrend zur Seite und ein kleines Fach kam zum Vorschein.
Verblüfft traten alle einen Schritt zurück, bevor Lyzaie sich bückte und hinein griff. Sie holte ein in Leder eingeschlagenes Bündel heraus und ging zum Tisch, wohin die anderen ihr folgten. Vorsichtig packte sie es aus, während alle den Atem anhielten. Besonders Tobias und Daniel hatten einen Glanz in den Augen, als ob Lyz eine wertvolle Reliquie auspacken würde. Jack und Nicole waren zwar auch interessiert, hatten aber die ganze Zeit ein wachsames Auge und Ohr für die Umgebung.
„Was ist das?“, fragte Daniel in diesem Moment.
Lyzaies Augen hatten aufgeleuchtet, als sie das Leder zurückgeschlagen und zwei hölzerne Tafeln von ungefähr 10 mal 15 Zentimeter freigelegt hatte. In beide waren auf jeder Seite Zeichen eingraviert und farbig nachgezeichnet.
Lyz sah Daniel an und ein breites Grinsen verwandelte ihr Gesicht, machte es weicher und ließ einen die Narbe fast vergessen.
„Das, Daniel Jackson, sind Adresstafeln. Ich weiß nicht, was hier passiert ist, dass alle Menschen verschwunden sind, aber die Bruderschaft hat zumindest das hier hinterlassen. Ich hatte gehofft, die Adresse von eurem Heimatplaneten zu erfahren und vielleicht noch ein paar Adressen von Planeten, auf denen man sich vor Xocotl verbergen kann. Jetzt haben wir zwar keine genaue Kombination, um euch nach Hause zu schicken, aber wir haben genug Adressen, um weitersuchen zu können.“
„Wenn wir dann haben, was wir brauchen“, unterbrach Jack die folgende Stille, „können wir dann vielleicht so langsam hier verschwinden? Mein Bauch sagt mir, dass hier irgendetwas gewaltig stinkt und das sind nicht nur diese fürchterlichen Kerzen.“
Als von den anderen keine Einwände kamen, schickte er sich an, den Raum zu verlassen, Nicole löschte noch die Kerzen, steckte die Stümpfe dann spontan ein, ohne zu wissen warum, und folgte den anderen.
Sie waren gerade am oberen Rand des Tales angekommen, als sie ein Rauschen hörten. Jack und Lyz wechselten einen Blick.
„Ist das das Tor?“, fragte Jack sicherheitshalber nach und auf Lyz Nicken wies er auf einen schmalen Pfad, der sich durch das dichte Unterholz schlängelte und kaum mehr war, als ein Wildwechsel. Vorsichtig machten sie sich auf den Weg. Lyzaie ging voran, gefolgt von Daniel und dem Professor. Nicole und Jack bildeten die Nachhut, sorgsam darauf bedacht, keine Spuren zu hinterlassen.
Sie waren ungefähr eine Viertelstunde unterwegs, als sie unvermittelt vor einer Felswand standen. Der Weg führte daran entlang und fast wäre es ihnen entgangen, dass sich im Schatten eines großen Busches eine Vertiefung in dem sonst so massiven Stein befand. Lyz hob die Hand und wartete, bis die anderen aufgeschlossen hatten. „Sieht nach mehr aus, als einer einfachen Felsspalte“, sagte sie und sah Jack fragend an, woraufhin dieser ihre unausgesprochene Frage mit einem „Das werden wir nur erfahren, wenn wir es ausprobieren“ beantwortete.
Lyzaie bewegte sich vorsichtig auf den Schatten zu, immer damit rechnend, auf Widerstand zu stoßen. Aber dieser kam nicht, im Gegenteil: Sie bewegte sich durch eine schmale Passage, durch die maximal eine Person hindurch passte. Diese weitete sich nach ein paar Metern, und als sie einen Schritt zur Seite machte, konnte sie im schwachen Licht des Eingangs erkennen, dass sich dort eine Höhle weit in den Felsen erstreckte, deren Ende in undurchdringlicher Dunkelheit lag.
Sie drehte sich um und ging zu den anderen zurück, um ihnen zu berichten, was sie entdeckt hatte. Sie brauchten nicht lange zu überlegen, ob sie dort Zuflucht suchen sollten. Mit der momentan kaum vorhandenen Bewaffnung wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie von Asmodis Truppen aufgegriffen würden. Weiterhin sorgsam ihre Spuren verwischend suchten sie in der Höhle Zuflucht.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen ein schwacher Lichtschein auffiel, auf den sie sich langsam und vorsichtig zubewegten. Er rührte von einem schmalen Schlitz in der Decke der Höhle und verbreitete gerade soviel Licht, dass sie die anderen schemenhaft erkennen konnten.
„Feuer fällt ja wohl aus“, stellte Nicole leicht fröstelnd fest und Daniel schob hinterher: „Dann müssen wir eben enger zusammenrücken“, wohl wissend, dass dieser Vorschlag nicht unbedingt jedermanns Zustimmung finden würde. Einzig Nicole zeigte eine Reaktion, indem sie zusammenzuckte und sich die Hände schützend um den Körper schlang.
Als Daniel das bemerkte, wollte er nachfragen, wurde aber von Jack daran gehindert, indem dieser ihn kurz am Ärmel zupfte und den Kopf schüttelte. Sie ließen sich daher einer nach dem anderen auf dem Höhlenboden nieder und versuchten, es sich so bequem wie möglich zu machen.
Zu ihrem Glück war der Boden mit einer Sand- und Laubschicht bedeckt, was darauf schließen ließ, dass durch das Oberlicht oder auch durch den Eingang im Herbst einiges an abgestorbenen Blättern hineingeweht wurde.
„Ich würde mal vermuten, dass diese Höhle schon öfter als Zuflucht gedient hat“, begann der Professor mit lauterer Stimme als sonst ein Gespräch, als ob er die Stille nicht ertragen konnte. Er wurde aber sofort von Jack unterbrochen. „Sorry Professor, aber wir sollten ein bisschen vorsichtig sein, was Geräusche angeht. Wir wissen nicht, ob unsere Stimmen nicht durch das Oberlicht nach draußen getragen werden. Wenn wir reden, sollten wir daher möglichst leise sein.“
Nickend schwieg der Professor und eine Weile sprach keiner mehr. Nur hin und wieder hörte man, wenn einer der fünf versuchte, sich etwas bequemer hinzusetzen. Daniel fiel auf, dass Nicole dabei immer darauf achtete, genug Abstand zu ihm zu halten. Verwundert schaute er zu ihr herüber, sagte aber nichts.
Jack, der das eine Zeit lang beobachtet hatte, konnte sich nicht verkneifen, den Archäologen zu foppen: „Scheint, dass ihr Deo versagt, bei dem Abstand, den Nicole zu ihnen hält.“
Daniel verzog das Gesicht und schlug mit einem „Da bin ich bestimmt nicht der Einzige“ zurück. Nicole selber sah Jack an und sagte leise: „Du weißt ganz genau, was los ist, Jack“, und drehte sich dann zu Daniel um. „Es hat nichts mit Ihnen zu tun, Dr. Jackson. Es ist eher generell so, dass ich von Männern eher Abstand halte.“
„Sie reisen aber mit ihrem Vater und seinen Freunden durch die Welt. Da sind Sie doch immer von Männern umgeben“, hakte Daniel neugierig nach und er konnte richtig sehen, wie Nicole sich einen Ruck gab.
„Das sind Freunde meines Vaters, mit denen ich aufgewachsen bin. Diese Abneigung bei zuviel Nähe bei männlichen Wesen, hat einen anderen Grund. Und bevor Sie fragen, ich erzähle es Ihnen, damit Sie wissen, woran Sie bei mir sind. Es liegt jetzt ein paar Jahre zurück…“
Ich stand gerade am Anfang meines Studiums. Das Leben war schön, ich hatte eine Menge Spaß, nette Freunde und ich war so gut, dass meine Professoren mir eine gesicherte Zukunft in Aussicht stellten.
Dann kam ein Tag im Herbst, als ich ein Wochenende nutzte, um meine Mutter zu besuchen. Es war kurz nach meinem 21. Geburtstag und wir hatten uns zu einer Shopping-Tour verabredet. Mein Vater war wieder auf einer dieser Missionen, die in keinem offiziellen Schreiben der Regierung erwähnt werden.
Wir hatten sehr viel Spaß an dem Tag und es war schon sehr spät, als wir voll bepackt mit Tüten wieder in Richtung Auto unterwegs waren. Mutter renovierte gerade mal wieder ein Zimmer und wir hatten uns in einem Deko-Laden so richtig ausgetobt. Das Auto stand am Rande des Parkplatzes. Wir konnten froh sein, überhaupt noch eine Möglichkeit gefunden zu haben, das Auto abzustellen, so ein Andrang hatte am frühen Nachmittag geherrscht.
Mittlerweise war die Sonne schon untergegangen und vom angrenzenden Wald fielen die Schatten der dunklen Bäume unheimlich auf die letzten dort parkenden Autos. Wir haben sie nicht bemerkt. Sie mussten sich hinter einem der dort stehenden Waren verborgen haben, aber als meine Mutter in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel kramte, waren sie auf einmal da. Es waren fünf. Einer stand hinter mir und bevor ich mich wehren konnte, hatte er sich meine Arme geschnappt, hielt sie hinter dem Rücken zusammen und ich spürte ein Messer an meinem Hals.
„Immer schön brav sein. Habt ihr die Mutter?“, fragte der Mann hinter mir die anderen auf ein Nicken zerrten sie uns in Richtung der Bäume, die den Platz begrenzten. Ich versuchte mich zu wehren, aber es hatte keinen Zweck. Der Griff um meine Arme wurde nur noch stärker und ich fühlte etwas Feuchtes an meinem Hals hinunterlaufen.
Es dauerte nicht lange und wir erreichten eine kleine Lichtung. Sie banden mich fest an einem Baum und steckten mir einen Knebel in den Mund. Ich konnte nicht genau erkennen, was sie mit uns vorhatten, als ich meine Mutter aufkeuchen hörte und in ihre Richtung sah. Ich erstarrte den Bruchteil einer Sekunde und versuchte dann wie wild, meine Fesseln loszuwerden.
Während zwei der Männer meine Mutter auf dem Boden festhielten, schnitt ein Dritter – später nannte ihn einer der Männer Alvarado – ihr die Kleidung auf. Er ging dabei so grob vor, dass er mehrmals die Haut ritzte und sich dünne Blutfäden über die Haut schlängelten. Dann zog er seine Hose runter, kniete über ihr und rammte sein erigiertes Glied brutal in meine Mutter hinein.
Ich versuchte wegzuschauen, aber ich konnte den Geräuschen nicht entgehen, die in meinem Kopf ein noch schlimmeres Bild erzeugten. Mittlerweile hatte ich aufgegeben, mich zu wehren. Die Fesseln schnitten mir in die Arme und den Oberkörper, als sich Alvarado näherte. Mittlerweile hatte ein anderer seinen Platz eingenommen. Meine Mutter hatte aufgehört sich zu wehren und nur ab und zu gab sie ein leises Wimmern von sich.
„Schau dir das gut an, Schätzchen. Du bist auch noch dran. Aber du solltest erst einmal sehen, was dich noch erwartet.“ Dabei grinste er lüstern und fing an mit seinem Messer über meinen Oberkörper zu streichen. Nicht so fest, dass er mehr als einen leichten Striemen hinterlassen hätte, aber es war spürbar und ich versuchte, meine Gedanken auf einen Punkt zu konzentrieren um mir dabei zu helfen, keinen Laut von mir zu geben.
Ich weiß nicht mehr, ob es beim dritten oder vierten Vergewaltiger war, aber urplötzlich herrschte Stille.
„Hey, Alvarado, die Alte sagt nichts mehr. Ich glaube sie ist tot.“
Die Bedeutung des Satzes sickerte wie Eiswasser in mein Bewusstsein und ließ mich erstarren. Alvarado wandte sich von mir ab und sah seine Kumpane an. „Ihr Idioten. Was habt ihr gemacht!“
„Sie hat wieder angefangen sich zu wehren, da habe ich ihr ein paar Ohrfeigen gegeben. Plötzlich war sie still.“
„Bastarde. Mörder. Was habt ihr getan“, brach es aus mir heraus, was mir auch Schläge einbrachte, die so heftig waren, dass ich völlig benommen wurde.
Ich bekam noch mit, wie die Fünf sich kurz berieten. Dabei fiel unter anderem der Name Alvarez und der Name eines Ortes, der sehr spanisch klang. Dann kam Alvarado wieder zu mir zurück.
„Du hast Glück, mein Täubchen. So war das nicht geplant. Aber da noch jemand deinem Vater erzählen muss, was hier passiert ist, bleibst du noch am Leben. Aber hüte dich. Irgendwann tauche ich hinter dir auf und dann bekomme ich, was ich heute schon von dir wollte.“
Dann holte er noch einmal zu einem heftigen Schlag aus, der mich fast besinnungslos werden ließ und mit einem „damit du mich nicht vergisst“ schnitt er die Fesseln, die mich bisher am Baum festgehalten hatten so auf, dass ein paar tiefe Schnittwunden zurückblieben. Sie waren so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Ich war auf dem Boden zusammengesunken und es dauerte einen Moment, bis ich wieder einigermaßen klar war. Dann kramte mich nach meinem Handy, wählte 911 und kroch dann zu meiner Mutter hinüber. Viel mehr weiß ich von dem Abend nicht mehr, weil ich dann ohnmächtig geworden sein muss.
Nicoles Stimme, die im Laufe der Schilderung leiser geworden war, erstarb. In der Höhle herrschte entsetztes Schweigen, als die Zuhörer zu verdauen versuchten, was sie gerade gehört hatten.
Jack kannte zwar die Geschichte, hatte sie aber auch erst heute aus Nicoles Perspektive gehört und verstand einiges jetzt wesentlich besser, was danach in ihrem Leben passiert war. Er war aber auch nicht der einzige, der gegen Ende der Erzählung den stählernen Unterton bemerkt hatte, der immer in Nicoles Stimme mitgeschwungen war.
Der erste der das Schweigen brach, war der Professor. Im Bestreben, die Stimmung ein bisschen aufzuhellen, fragte er Daniel leise: „Hätten Sie jemals gedacht, dass sich ihre Theorien jetzt als wahr herausstellen?“
Daniel schaute den Professor entgeistert an und wusste im ersten Moment nicht, was er antworten sollte. Nicole, die froh war, dass das Interesse auf jemand anderen gelenkt wurde, hakte nach: „Welche Theorien? Und was hat sich bewahrheitet?“
„Das ist eine etwas längere Geschichte, ich weiß nicht, ob …“, begann Daniel, wurde aber von Jack unterbrochen. „Also, ich habe keine Date mehr heute, wie es mit den anderen? Keiner? Dann schießen sie doch einfach mal los, Jackson.“ Und so begann Daniel zu erzählen.
Auditorium der Universität Chicago
Daniel stand am Rednerpult des Hörsaales. Hinter sich zwei vollgeschriebene Tafeln, neben sich einen Overhead-Projektor, der momentan Hieroglyphen an die Leinwand hinter ihm warf.
„Während meiner Studien der Inschriften in den verschiedenen Pyramiden, sind mir immer wieder bisher unbekannte Symbole begegnet. Besonders dieses hier taucht immer wieder auf.“ Er deutete auf eine stilisierte Darstellung von zwei Menschen, die rechts und links neben einer Pyramide saßen, über der eine Sonnenscheibe schwebte.
„Diese Piktografien sind nirgendwo anders zu finden. Zusammen mit einigen anderen ungewöhnlichen Darstellungen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass wir die bisher bekannten Götterdarstellungen der alten Ägypter neu überdenken müssen. Meiner Meinung nach haben sie einen ganz anderen Ursprung, als den angenommenen. Die Proben der Farbe und der wenigen Artefakte, die mit den unbekannten Darstellungen versehen sind, weisen, laut Radio-Karbon-Methode, auf wesentlich älteren Ursprung hin, als wir die ägyptische Kultur bisher datiert haben.“
„Aber welche genaue Kenntnis haben Sie jetzt daraus gewonnen, Dr. Jackson?“, arf ein Zuhörer aus der ersten Reihe ein.
„Mehrere Quellen weisen auf die „Götter aus dem Himmel“ hin, die mit ihren „Himmelschiffen“ herabgeschwebt sind, um ihre Untertanen zu regieren. Auch von einem „Ring der Götter“ ist in manchen Quellen die Rede, aber dazu habe ich noch keine weiteren Erkenntnisse. Für mich liegt daher die Schlussfolgerung nahe – und die schiere Unmöglichkeit, Monumente wie die Pyramiden mit den damaligen Mitteln zu errichten, bestärkt mich darin – dass die Pyramiden errichtet worden sind, von einem Volk, dass mit riesigen Raumschiffen zu Erde gekommen ist, und diese als Landeplätze für eben diese Raumschiffe benötigt hat.“
Stille herrschte auf diese Eröffnung. Dann folgte ein leises Glucksen, dem empörte Protestrufe folgten. Einer nach dem anderen stand auf und verließ den Saal.
Satzfetzen, wie „was soll der Schwachsinn … dafür habe ich meine Zeit geopfert… das ist sein akademisches Todesurteil …“ drangen an Daniels Ohr, während das Auditorium sich leerte. Nur in einer der obersten Reihen saß noch ein Zuhörer, der sich bisher nicht gerührt hatte, den Daniel aber nicht bemerkte. Einerseits waren die Reihen in ein diffuses Dämmerlicht getaucht, andererseits wurde Daniel gerade klar, was passiert war.
Beherrscht packte er seine Unterlagen ein und wollte gerade den Raum verlassen, als der Dekan hereinkam. „Dr. Jackson, heute haben Sie endgültig den Bogen überspannt. Wissen Sie eigentlich, wie es dem Ruf unseres Institutes schaden kann, wenn solche hanebüchenen Theorien auf uns zurückfallen?“, brauste er auf und seine Gesichtsfarbe war mittlerweile auf ein alarmierendes Rot gewechselt. „Sie sind für uns nicht mehr tragbar und daher bitte ich Sie, Ihr Büro noch heute zu räumen. Ich verliere ungern einen so versierten Sprachwissenschaftler, aber mit derart verschrobenen Ideen können wir hier nichts anfangen und wollen auch nichts damit zu tun haben. Schließlicht haben wir einen Ruf zu wahren. Guten Tag!“
Er drehte sich um und verließ den Saal. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte Daniel zugehört und dann genickt. Innerlich fühlte er sich leer, denn auch wenn er leichte Zweifel gehegt hatte, dass seine Theorien ohne jegliche Fragen ankommen würden, war dieses vernichtende Urteil schwer zu verdauen.
Als er kurz darauf in seinem Büro stand und die paar persönlichen Dinge, die er hier aufbewahrte, in einen Karton packte, klopfte jemand an den Türrahmen. Der Mann, der dort stand, war nicht mehr der jüngste, hatte sich aber anscheinend gut in Form gehalten. Seine dunklen Haare waren kurz geschnitten und von ein paar grauen Strähnen durchzogen. Die Falten um seine Augen zeigten, dass er gerne lächelte, wie auch jetzt und viel an der frischen Luft unterwegs sein musste, wovon eine gesunde Gesichtsfarbe zeugte. Mit den blauen Tweed-Sakko, welches er trug, sah wie ein Wissenschaftler aus, der lieber im Feld als in der Bibliothek forschte.
„Darf ich eintreten, Dr. Jackson?“
„Wollen Sie schon mal Ihr neues Büro ansehen? Ich wusste zwar, dass mein Job auf der Kippe steht, aber dass der Nachfolger schon feststeht, verblüfft mich jetzt doch. Kommen Sie ruhig rein und schauen Sie sich um“, lud Daniel den Unbekannten auf eine für ihn ungewohnte, zynische Art ein.
„Vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen“, ließ sich der Fremde nicht aus der Ruhe bringen. „Mein Name ist Tobias Coffey. Ich habe einen kleinen aber feinen Lehrstuhl an der UCLA für Geschichte mit dem Schwerpunkt südamerikanische Kulturen. Ich könnte noch einen guten Sprachwissenschaftler brauchen, vorausgesetzt sie können ihr Latein, sind offen für Ungewöhnliches - was wohl außer Frage steht - und haben nichts gegen ein mildes Klima.“
Daniel sah Tobias an. Diese kleine Rede hatte ihm glatt die Sprache verschlagen.
„Ich weiß, das kommt alles ein bisschen plötzlich, aber Sie können es sich in Ruhe überlegen“, sagte Coffey, während er eine Visitenkarte aus dem Jackett zog und sie Daniel reichte. „Ich wohne im Plaza und fliege erst übermorgen wieder nach L.A. Wenn Sie sich entschieden haben, können Sie mich dort erreichen.“ Mit diesen Worten ließ er den verdutzten Archäologen stehen und verließ das Büro.
„Und so bin ich in Los Angeles gelandet“, endete Daniel mit einem dankbaren Blick auf Professor Coffey. „Auf diese Art und Weise hatte ich die Möglichkeit, mich von dem Tiefschlag zu erholen.“
„Und jetzt hat sich herausgestellt, dass Sie genau die richtigen Schlüsse gezogen haben und sie können es niemandem sagen“, schmunzelte Nicole.
„Nur, dass uns das momentan überhaupt nicht weiterhilft“, bemerkte Jack trocken.
„Es hilft uns zumindest, einander besser kennen zu lernen und zu verstehen. Das kann nur gut sein, denn wir sind ja wohl voneinander abhängig“, gab Nicole zurück und wandte sich dann an Lyzaie. „Was ist mit Ihnen? Aus welchem Grund waren sie in diesem Kerker und was genau wollten sie von Ihnen?“