Da ich selber Wissenschaftler bin, demnächst sogar hochoffiziell, habe ich mir einmal Gedanken über falschen Ehrgeiz und dessen Folgen gemacht. Nicht alles, was man theoretisch kann, sollte man in der Realität auch umsetzen. Die Folgen sind nicht vorhersehbar....

1. Geister

McKay war frustriert. Er rieb sich müde die Augen. Doch das hätte er nicht tun sollen. Der salzige Schweiß brannte in den Augen, die sich nun augenblicklich mit Tränen füllten. Eine typische Körperreaktion. Dieser versuchte mit vermehrter Tränenflüssigkeit das Auge zu schützen, die Gefahr wurde einfach ausgewaschen.
Kann das nicht auch bei den Wraith funktionieren? Man nehme eine universelle Sintflut und schwemme die Plage einfach weg. In der Bibel hat es schon einmal geklappt, warum also nicht wieder?
Du denkst schon Unsinn, rief er sich selber zur Ordnung. Eine universelle Sintflut!
Erstens würde das Wasser sofort zu Eis gefrieren. Zweitens wäre soviel Wasser nie und nimmer im ganzen All vorhanden und drittens sitzen die Wraith in ihren Raumschiffen ziemlich sicher.
Also zurück auf Anfang.
Rodney sah sich in seinem Labor um. Er konnte jedes Gerät im Schlaf auseinandernehmen und wieder zusammenbauen. Doch was nützte ihm dieses Wissen im Moment? Nichts! Rein gar nichts!
Es war weit nach Mitternacht. Die meisten Atlanter schliefen schon. Die Glücklichen…
Er fuhr seinen Laptop herunter. Es hatte keinen Sinn mehr. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Der Kaffee war auch schon seit Stunden kalt. Und er saß alleine im Labor.
McKay vernahm die typischen Geräusche. Das Brummen des Abzugs, in dem die Lösungsmittel standen. Das Rattern der Vakuumpumpen, die eigentlich schon lange mal wieder einen Ölwechsel brauchten. Das hohe Singen der Monitore. Warum mußte gerade er so ein feines Gehör besitzen?
Das Aufstehen vom Laborhocker viel schwer. Seine Beine waren beinahe eingeschlafen und er fühlte ein unangenehmes Kribbeln in den Füßen. Bewegung sollte eigentlich helfen, machte das Kribbeln aber nur schlimmer.
Er schaltete die Pumpen aus, belüftete die Leitungen und drehte die Schutzgasbombe zu. Anschließend löschte er das Licht.
Gähnend schlich er den dunklen Gang entlang zu seinem Quartier. Doch ein leichtes Hungergefühl ließ ihn den Weg zur Messe laufen. Unbewußt beschleunigte er seine Schritte. Der Hunger wurde stärker. Dort angekommen sah er niemanden. Zum Glück! Die Container waren mit Fertignahrung gefüllt. Eigentlich nicht so sein Fall, doch in der Not frißt der Teufel Fliegen - oder Dosenfutter.
McKay mußte unwillkürlich grinsen. Ich als Teufel – was würde ich tun? Den Wraith mächtig Feuer unter ihren häßlichen Hintern machen. Und Feuer im wahrsten Sinne des Wortes.
Kalte Ravioli in noch kälterer Tomatensauce. Welch ein Genuß! Nun gut, der Hunger treibts rein. Jetzt die Dose noch ordentlich entsorgen und den Löffel abwaschen. Ja keine Spuren hinterlassen. Er war so schon als Vielfraß verschrieen. Was kann ich denn dafür? Ich habe einen schnellen Stoffwechsel und das Gehirn braucht Energie. Da muß man halt ständig essen.Was ist daran nicht zu verstehen?
Er ging wieder aus der Messe heraus. Diesmal wollte er endgültig in sein Bett und wenigstens noch ein paar Stunden schlafen.
Schlaftrunken und gähnend ging er durch die dunklen Gänge.
Im Unterbewußtsein bemerkte er eine Bewegung. Doch als er in die betreffende Richtung sah, konnte er nichts erkennen.
Dr. Rodney McKay! Du bist müde, frustriert und mit den Nerven am Ende. Du siehst einfach schon Gespenster, rief er sich selbst zur Ordnung. Mit einem beunruhigten Gefühl ging er weiter. Mißtrauisch schaute er in jede Ecke, die Schatten waren fast greifbar.
Er blieb vor Schreck stehen. Der Schatten hatte sich bewegt, schnell bewegt. Wer oder was war das?
Trotz seiner Angst konnte er den Blick nicht von der Stelle nehmen. Ein kalter Windhauch streifte seine mit Angstschweiß bedeckte Stirn. Ein Flüstern war zu hören.
„Helft uns! Bitte, helft uns!“
Die Worte schienen von allen Seiten zu kommen. Sie verwehten…
McKay wartete noch eine Weile, doch die Stimme meldete sich nicht wieder. Er überlegte, ob er nicht Sheppard wecken sollte, doch der würde es als Halluzination bezeichnen und es auf Überarbeitung schieben. Aufs Äußerste beunruhigt ging er in sein Quartier und konnte erst nach einer langen Zeit einschlafen.
Der nächste Tag verlief ereignislos. McKay hatte wieder den ganzen Tag über eine Lösung zum Wraithproblem gebrütet. Und es wurde wieder spät.
Wie in der vorherigen Nacht ging er durch dunkle Gänge in sein Quartier. Er hatte ein mulmiges Gefühl. Am liebsten hätte er sich eine Waffe mitgenommen, doch den Gedanken hat er sehr schnell wieder verworfen. Er wäre das Gespött von ganz Atlantis geworden.
In Gedanken versunken bog er um eine Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Er war bleich geworden und konnte seinen Blick nicht von der Erscheinung lösen. In etwa 10 Meter Entfernung sah er einen Außerirdischen, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Er wirkte humanoid und doch er war nicht stofflich. Er schien durchscheinend wie ein Geist. Seine Arme waren zu McKay gestreckt. In seinem Gesicht stand Qual geschrieben.
„Helft uns! Bitte, helft uns!“
Die geisterhafte Stimme klang verzweifelt.
McKay fand seine Stimme wieder.
„Wie kann ich euch helfen?“
Doch er bekam keine Antwort. Der Außerirdische wiederholte nur seine Worte.
„Helft uns! Bitte, helft uns! Wir sterben…“
„Warum werdet ihr sterben? Wie kann ich euch helfen?“
„Helft uns…!“
Die Stimme verwehte, die Gestalt wurde immer blasser und verschwand schließlich.
Rodney überlegte fieberhaft. Die Gestalt hatte ihn nun schon zum zweiten Mal um Hilfe gebeten. Diesmal ist sie sogar als Geist erschienen.
Er beschloß, Sheppard zu wecken. Das war kein Zufall und auch keine Einbildung. Es war wirklich passiert.
Er rannte fast zum Quartier des Majors. Ungestüm hämmerte er gegen die Tür, bis ein unwilliges Knurren zu hören war. Nur mit einer Unterhose bekleidet öffnete Sheppard die Tür. Erstaunt sah er McKay an.
„Wehe, es ist nicht wichtig! Was machen sie um diese Uhrzeit hier? Warum liegen sie nicht wie normale Leute im Bett und schlafen?“
Erst jetzt bemerkte er, wie bleich McKay war. Er war sofort munter.
„Was ist passiert?“
Rodney wußte nicht, wie er anfangen sollte.
„Können wir in ihr Quartier gehen?“
Sheppard ließ ihn eintreten und setze sich auf sein Bett. McKay wanderte nervös auf und ab und suchte nach den richtigen Worten. Schließlich fing er an zu erzählen.
„Mir ist etwas Seltsames passiert. Gestern Nacht bin ich spät vom Labor in mein Quartier gegangen und hörte plötzlich eine Stimme, die mich um Hilfe bat. Ich habe es als Halluzination abgetan und die Überarbeitung schuldig gemacht. Doch heute Nacht hörte ich die Stimme wieder und eine Art Geist ist mir erschienen. Sie sah gequält aus, voller Verzweiflung und bat mich wieder um Hilfe. Sie meinte, wenn wir nicht helfen, werden sie sterben.“
Sheppard sah ihn mit einer Mischung aus Zweifel und Irritation an.
„Und sie sind wirklich sicher, daß sie es nicht nur geträumt haben?“
McKay reagierte genervt, er hatte instinktiv gewußt, daß diese Frage kommen würde. Die Geschichte klang aber auch zu phantastisch.
„Ich bin zwar müde und mit den Nerven fast am Ende, aber ich halluziniere nicht. Sie können gerne mitkommen. Vielleicht meldet sich der Geist wieder.“
Sheppard sah ihn unschlüssig an.
„Gut, da ich eh schon munter bin, können wir auch getrost auf Geisterjagd gehen. Ich will mir nur schnell etwas anziehen.“
Sheppard zog seine Uniform an und nahm vorsichtshalber seine Waffe mit. Er sah McKays Blick auf die Waffe gerichtet.
„Es ist nur aus Prinzip. Aber im Falle eines Falles sind wir nicht wehrlos.“
„Sie wollen mit Bleikugeln auf Geister schießen, da hilft meiner Meinung nach nur Silber. Aber die Kugel würde nur durch die Gestalt durchgehen, sie ist nicht stofflich.“
Sheppard hatte seine Waffe aber schon im Holster verstaut.
Gemeinsam gingen sie die menschenleeren Gänge von Atlantis entlang. Rodney hatte die Führung übernommen. Mit John im Rücken fühlt er sich doch etwas sicherer.
Sie kamen zu der Stelle und blieben stehen. McKay betete innerlich, daß sich die Gestalt melden würde. Er hatte Angst, sich vor einem seiner besten Freunde zu blamieren. Doch sie meldete sich nicht. Nach einer Stunde sinnlosem Warten war es John genug. Er war müde und wollte einfach nur weiterschlafen. Er drehte sich schon um, um zu seinem Quartier zurückzugehen, als eine schwache Stimme durch die Gänge wehte.
„Helft uns! Bitte, helft uns! Wir sterben…!“
Der Wissenschaftler triumphierte. Er hatte es sich also nicht eingebildet. Sheppard zog in einer fließenden Bewegung seine Waffe. Es gab nur kein Ziel.
Er fand auch zuerst seine Stimme wieder.
„Wer seid ihr? Wie können wir euch helfen?“
„Helft uns! Feuer! Wir sterben…“
„Wer seid ihr? Welches Feuer meint ihr?“
„Feuer! Mansala!“
„Wer oder was ist Mansala?“
„Helft uns! Wir sterben…!“
Die Stimme wurde schwächer und verschwand. Zurück blieben zwei ratlose Atlanter. Sie schauten einander an. Die Nacht war gelaufen.