Titel: Melancholie
Autor: Zeson
Serie: SGA
Rating: PG 13 (FSK 12)
Charaktere: Ronon Dex
Pairing: Ronon/Melena (wenn man unbedingt ein Pairing haben will)
Genre: ?
zeitliche Einordnung: nach Staffel 5, Atlantis ist zurück in der Pegasus-Galaxie
Anmerkung: Zu Sinaidas eindrucksvoller FA ist mir diese kleine Geschichte eingefallen. Das Bild wurde an passender Stelle in die Geschichte eingefügt. Leider bekomme ich es nicht in die Größe, die mir vorschwebt …
Wer viel Action oder Abenteuer erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Es ist nur ein kleiner Blick zurück …
Kurzinhalt: Ronon stellt sich seiner Vergangenheit
FanArt von: Sinaida
Kommentare: Jederzeit willkommen, her damit.
Disclaimer: Stargate und alles, was damit zusammenhängt, gehört (noch) MGM etc. Ich schreibe nur zu meinem Vergnügen und verdiene (leider) kein Geld damit.
Der Himmel zeigte sich bedeckt, aber der scharfe, kalte Wind, der den ganzen Tag über durch die Strassen gepfiffen hatte, hatte sich gelegt. An dem allmählich düsterer werdenden Grau erkannte Ronon, dass der Tag sich seinem Ende zu neigte. Sein Weg hatte ihn kreuz und quer durch die verlassene Stadt geführt, zu Plätzen, die er einmal gekannt hatte, Häusern, die er trotz des Verfalls wieder erkannte, die ihm etwas bedeutet hatten, damals …
Nun stand er auf dem Flachdach jener Klinik, in der die Liebe seines Lebens gestorben war. Er hatte sie holen wollen, sie dazu bringen, die Stadt, ja den Planeten zu verlassen, aber sie hatte die Kranken und Verletzten nicht im Stich lassen können. So war sie gewesen, seine Melena. Sie hatte nur an ihre Patienten gedacht, hatte dieses Mädchen retten wollen – am Liebsten alle Menschen, die ihrer Obhut anvertraut gewesen waren. Hilflos hatte er mit ansehen müssen, wie die Explosion sie erwischt, wie die Flammen sie in Sekunden zu Asche verbrannt hatten. Es war wie ein Wunder gewesen, dass er selbst nahezu unverletzt geblieben war. Der Augenblick ihres Todes hatte sich tief in sein Gedächtnis gegraben. In manchen Nächten wachte er sogar heute noch auf, weil er von diesem Moment geträumt hatte. Nicht mehr so oft, wie das früher der Fall gewesen war, aber manchmal …
Melena …
Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Seine Schwester war nach einem „Arbeitsunfall“ in die Klinik eingeliefert worden. Wie immer hatte sie nicht genügend Obacht gegeben und war bei einem Übungsgefecht von einem Gummigeschoss am Kopf getroffen worden. Voller Sorge war er zu ihr geeilt und war dann, als er festgestellt hatte, dass es ihr relativ gut ging, furchtbar wütend geworden. Er war ausgerastet, hatte sie angeschrien, dass sie, wäre es ein richtiges Gefecht gewesen, nun tot wäre. Sie hatte nur in ihrem Krankenbett gelegen und ihn toben lassen. Das Einzige, was sie sich hatte anmerken lassen, war, dass seine Lautstärke ihrem ohnehin schon sehr schmerzenden Kopf nicht gut bekam.
Und dann war eine Pflegerin aufgetaucht – Melena. Sie hatte sich schützend zwischen das Bett und ihn gestellt und war dann auf ihn los gegangen. Regelrecht abgekanzelt hatte sie ihn, dass er gefälligst ihre Patientin nicht so anschreien solle und dass er sich lieber freuen solle, dass es eben kein echtes Geschoss gewesen sei und es seiner Schwester gut ginge. Er hatte sie angefaucht und angeknurrt, aber sie hatte sich nicht abschrecken lassen. Stur hatte sie ihn aus dem Krankenzimmer gewiesen und … er war tatsächlich gegangen. Die Frau hatte ihn beeindruckt, so sehr, dass er sie wiedersehen wollte.
Leider war seine Schwester nach nur wenigen Tagen nach Hause geschickt worden, sodass er keine Ausrede mehr hatte, in die Klinik zu kommen. Für einen Moment hatte er mit dem Gedanken gespielt, selbst verletzt zu werden und die Frau so wieder sehen zu können, aber das Risiko, dass ihm ernsthaft etwas passieren könnte, sein Stolz und der Gedanke, sich vor dieser Frau nicht schwach und krank zeigen zu wollen, hatte ihn davon abgehalten. So verlegte er sich darauf, ihre Dienstpläne heraus zu bekommen und sie von der Klinik nach Hause zu begleiten. Anfangs versuchte sie, ihm auszuweichen, aber er blieb mit einer solchen Hartnäckigkeit dabei, dass sie schließlich nachgab. Es blieb nicht nur bei diesen Treffen, nach und nach konnte er sie zu richtigen Dates überreden. Sie gingen zum Essen aus, sahen sich Theateraufführungen an oder gingen einfach nur spazieren. Niemals hätte Ronon gedacht, dass es ihm einmal Spaß machen würde, spazieren zu gehen, aber mit dieser Frau machte einfach alles Spaß. Die Sonne schien heller zu scheinen, wenn er mit ihr zusammen war. Sie lernten einander kennen, entdeckten, dass sie einige gemeinsame Vorlieben und Abneigungen hatten und … verliebten sich immer mehr ineinander. Es kam der Tag, an dem er sie seiner Familie vorstellte. Melena wurde von seinen Eltern herzlich aufgenommen. Ihre Eltern hingegen waren von ihm nicht so begeistert, wie Melena sich das gewünscht hätte. Sie äußerten Bedenken, weil er Soldat war und aus einer Familie mit langer militärischer Tradition stammte. Aber Melenas Hartnäckigkeit zeigte sich auch hier und so kam es, wie es kommen musste.
Ihre Hochzeit feierten sie nur im Familienkreis, obwohl sein Vater sich ein großes, öffentliches Spektakel vorgestellt hatte. Schließlich stellte die Familie Dex etwas dar in der satedischen Gesellschaft. Aber sowohl Ronon als auch Melena bestanden auf der kleinen Feier und so hatte sein Vater schließlich nachgegeben.
Sie hatten zwei glückliche Jahre, die sie in ihrem kleinen Haus verlebten. Ronon stieg langsam die Karriereleiter nach oben, während Melena sich aufopfernd um die Kranken in der Klinik kümmerte. Sie hatten über Kinder gesprochen, wollten aber noch ein wenig damit warten. Und dann kamen die ersten Wraith-Jäger durch das Tor.
Er hatte sie angefleht, auf einen sicheren Planeten zu fliehen, war sogar wütend geworden, als sie es ablehnte. Doch sie hatte den Spieß einfach umgedreht, hatte ihn dazu aufgefordert, Sateda zu verlassen. Als er ihr sagte, er habe keine andere Wahl, als zu bleiben, machte sie ihm klar, dass ihr Gewissen, ihr ganzes Selbst, auch ihr keine andere Wahl ließ. Er hatte es schweren Herzens akzeptiert, hatte wider besseren Wissens noch gehofft, dass die Bedrohung abgewehrt werden könnte. Doch die Angriffe wurden heftiger und als dann schließlich die Raumschiffe über dem Planeten erschienen und seine Einheit, seine Kameraden, im heftigen Widerstandskampf einer nach dem anderen fielen, war er zur Klinik geeilt und hatte Melena gesucht. Er hatte sie gefunden – nur, um sie im nächsten Moment ganz zu verlieren.
Eigentlich hatte er Sateda nicht mehr betreten wollen, nachdem die Wraith ihn dort gejagt hatten. Allerdings war er später auf der Suche nach effektiven Waffen noch einmal hierher gekommen und hatte tatsächlich in den Gewölben unter den Ruinen eines nur wenigen Menschen bekannten Waffenforschungslabors einige Stunner und Energiezellen gefunden. Der Stunner war erst ganz am Ende entwickelt worden, als letzte Hoffnung, die Wraith damit besiegen zu können, aber leider konnten nicht mehr viele davon hergestellt werden. Es hätte wohl auch eher eine Kanone gebraucht, um die Schiffe abwehren zu können. Die Handfeuerwaffen waren zwar sehr effektiv, aber eben nicht genug gewesen.
Als nun die Energiezelle seiner Waffe schwächer wurde und er sich nirgendwo anders einen Ersatz beschaffen konnte, hatte er kurzerhand beschlossen, Sateda noch einmal aufzusuchen. Außerdem hatte er versprochen, eine „richtige“ Waffe zu besorgen.
Ronon hatte bereits vor langer Zeit, noch vor den ersten Wraithangriffen, ein kleines Waffenversteck angelegt, das genügend Waffen und Munition enthielt und wohin er dann auch die Stunner samt Energiezellen gebracht hatte.
War er damit dem Beispiel seines Vaters gefolgt? Er wusste es nicht. Möglich war es. Er hatte, als er noch in der Ausbildung war, seinen Vater einmal dabei beobachtet, wie dieser sein eigenes Waffenversteck überprüfte. Später hatte er ihn darauf angesprochen.
„Ein solches Versteck ist nicht zu unterschätzen, Sohn. Man weiß nie, wann man zusätzliche Waffen oder Munition braucht.“, hatte der Oberkommandierende ihm erklärt.
Wären sie im Dienst gewesen, hätte Ronon niemals gewagt, seinem Vater eine solche Frage zu stellen. Allerdings gingen sie zu Hause anders miteinander um. Dort waren sie noch immer eine Familie, trennten sie keine Ränge und Dienstgrade. Darauf hatte seine Mutter immer bestanden:
„Dienst ist Dienst und Familie ist Familie. Ihr müsst das trennen.“
Es war ihr nie leicht gefallen, mit einem hochrangigen Militär verheiratet zu sein und dann auch noch sehen zu müssen, dass die Kinder in die Fußstapfen ihres Vaters traten. Allerdings wusste sie, was von ihr erwartet wurde. Sie liebte ihren Mann zu sehr, um sich wegen des Berufs mit ihm zu streiten. Und den Kindern hatte sie ebenfalls keine Steine in den Weg gelegt. Sie akzeptierte einfach ihre Wahl, aber sie war nicht gerade glücklich darüber.
Seine Mutter Marissa hatte insgesamt fünf Kinder groß gezogen. Wobei … das stimmt nicht ganz. Ihre kleine Tochter, die eine Nachzüglerin gewesen war, war im Alter von drei Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Nach diesem Verlust hatte Ronon seine Mutter nie mehr herzhaft lachen hören. Sie hatte gern gelacht, seine Mutter. Sie war immer ein fröhlicher, gut gelaunter Mensch gewesen, bis zu dem Tag, als die kleine Lisabetha, die nur Liz gerufen worden war, beim Spielen in den Teich hinter dem Haus gefallen war. Sie hatte schwimmen können, seine kleine Schwester, aber sie hatte sich beim Sturz den Kopf angeschlagen, hatte das Bewusstsein verloren und war ertrunken. Seine Mutter hatte sich selbst die Schuld an dem Unglück gegeben. Sie hatte gedacht, ihr Kind sei sicher in dem ummauerten Garten und war ins Haus gegangen, um zu kochen. Erst, als es ihr im Garten zu still geworden war und sie das fröhliche Lachen ihrer Tochter vermisste, war sie nachsehen gegangen. Sie hatte Liz im Teich treibend gefunden. Jede Hilfe war zu spät gekommen. Niemand hatte ihr einen Vorwurf gemacht, aber seine Mutter war danach nie mehr dieselbe wie vor diesem Tag gewesen.
Vielleicht war Liz die Folge davon gewesen, dass Marissa sich, ohne Fragen zu stellen, bereit erklärt hatte, Ronons Halbschwester in ihre Familie aufzunehmen. Ronon erinnerte sich noch an den Tag, als sein Vater nach Hause gekommen war und ein kleines Mädchen mitgebracht hatte. Sie war ungefähr sechs Jahre alt gewesen, ein dünnes, verängstigtes Wesen mit großen, grünen Augen und einem wirren langen silberblonden Haarschopf. Er selbst war damals gerade elf Jahre alt geworden und fühlte sich mit einem Mal fast erwachsen.
„Ronon, das ist Deine neue Schwester“, hatte sein Vater sie vorgestellt. „Ihre Mutter ist gestorben und weil … weil ich auch ihr Vater bin, wird sie von heute an bei uns leben.“
Ronon hatte das damals nicht ganz verstanden. Sein Vater war auch der Vater des kleinen Mädchens, aber seine Mutter war nicht ihre Mutter? Und ihre Mutter war … tot? Er sah in ihr verweintes Gesicht und ihr trauriger Blick traf ihn mitten ins Herz. Er wusste, wie das war, wenn jemand starb, den man geliebt hatte. Seine Großmutter war gestorben, als er noch klein war, und sie hatte ihm lange Zeit sehr gefehlt.
„Du bist ihr großer Bruder, Ronon. Du musst immer auf sie achten und darfst ihr nie weh tun“, hatte sein Vater gesagt.
Mit einem ernsten Nicken war Ronon auf die Kleine zu gegangen und hatte einfach die Arme um sie gelegt.
„Sei nicht mehr traurig. Du hast jetzt uns“, hatte er geflüstert und das verängstigte Kind bei der Hand genommen.
Und er hatte auf sie achtgegeben. Er hatte seine Rolle als großer Bruder bei ihr viel ernster genommen als bei seinen Brüdern, den Zwillingen. Die beiden waren zweieinhalb Jahre alt und damit in einem Alter, wo man als Elfjähriger lieber flüchtete, als sich mit Babys abzugeben. Bei seiner Schwester war das etwas ganz anderes. Sie war ein ernsthaftes Kind, das er erst so ganz allmählich aus der Reserve locken konnte. Sie misstraute anfangs jedem, auch ihrem Vater, den sie nur flüchtig kannte. Ronon hielt auch noch an der Beschützerrolle fest, als sie in die Pubertät kam. Mehr denn je spielte er sich zu dieser Zeit als großer Bruder auf und vertrieb damit so manchen Möchtegern-Casanova, was ihr ausgesprochen missfiel.
Als er selbst beim Militär anfing, hatte er zu verstehen begonnen, in was für einem Verhältnis sein Vater zu ihrer Mutter gestanden hatte, nachdem er selbst gesehen hatte, was man tun musste, um seine Karriere schnell voran zu treiben. Er hatte mitgemacht, wie alle anderen auch. So war es nun einmal beim Militär. Er akzeptierte die Regeln, die nicht nur Frauen betrafen, auch wenn er sie nicht unbedingt mochte.
Ihre Mutter war in der Einheit seines Vaters gewesen. Wie es im satedischen Militär so üblich war, hatte sie ihre Karriere durch „Gefälligkeiten“ ihren Vorgesetzten gegenüber voran getrieben. Doch dann unterlief ihr ein Fehler: Sie verliebte sich in Ronons Vater, dessen Kompanie sie schließlich zugeteilt worden war. Und auch er fand Gefallen an der jungen Frau, aber er liebte nicht sie, sondern seine Familie. Normalerweise waren solche Verhältnisse durchaus üblich, allerdings sorgten die Frauen im Militär dafür, dass sich keine „unerwünschten“ Folgen einstellten. Nun, unerwünscht war das kleine Mädchen nicht gewesen, obwohl ihre Mutter ihrem Vater vorgemacht hatte, es wäre ein „Unfall“ gewesen. Sie hatte ihm verschwiegen, dass sie mit voller Absicht schwanger geworden war, um wenigstens etwas von ihm zu haben, das ganz ihr gehörte. So wuchs ihre Tochter inmitten des Militärs auf, bis die junge Frau bei einer Übung unglücklich vor ein Fahrzeug geriet und überfahren wurde. Von da an wurde Ronons Halbschwester ein Mitglied des Hauses Dex.
Ronon brachte ihr jeden Unfug bei, den er selbst gerne gemacht hatte. Sie entwickelte sich zu einem regelrechten Lausbuben, was ihr Vater nicht ungern sah, Marissa jedoch bekümmerte. Sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht, aber dieses Kind entsprach so gar nicht ihren Vorstellungen davon. Trotzdem hatte sie nicht versucht, das Mädchen zu ändern, sondern ihr Wesen einfach akzeptiert. Allerdings war sie dann überglücklich gewesen, als sich einige Jahre nach der Aufnahme dieses neuen Familienmitglieds ihr sehnlichster Wunsch schließlich doch noch erfüllt hatte.
Ronon seufzte, während sein Blick unwillkürlich hinüber zu dem kleinen Hügel schweifte, auf dem sein Elternhaus gestanden hatte. Sie waren eine glückliche Familie gewesen. Selbst nach ihrer Heirat waren Melena und er oft zu Gast dort gewesen. Doch nun war weder von dem Haus noch von seiner Familie mehr viel übrig. In der Dämmerung konnte er gerade noch die beiden stehen gebliebenen Wände erkennen. Das Dach und eine Hauswand waren von einer Explosion einfach weggepustet worden, die übrigen Wände waren eingefallen und hatten seine Mutter und die beiden Brüder unter sich begraben. Er hatte das erst viel später erfahren, als er auf dem Wraith-Schiff einige Bekannte traf, die ebenfalls zu Runnern gemacht werden sollten. Ronon hatte damals gedacht, seine Mutter und die Geschwister hätten fliehen können, aber ein früherer Nachbar erzählte ihm, dass sie auf Sateda geblieben seien. Offenbar wollte seine Mutter ihre Soldaten-Familie nicht verlassen und die Brüder wollten nicht ohne sie gehen. Mit einem einzigen Schuss aus einem der großen Schiffe, die über der Stadt hingen, war ihr Leben ausgelöscht worden. Im Nachhinein war Ronon sogar dankbar dafür, dass es schnell gegangen war. Wenn er sich vorstellte, dass sie den Wraith als Nahrung gedient hätten …
Ein Knurren drang aus seiner Kehle, als ihn der Gedanke kalt erwischte. Lange Zeit hatte er gehofft, er würde noch etwas über seinen Vater oder seine Schwester erfahren, aber im Laufe der Jahre war die Hoffnung immer kleiner geworden. Dann hatte ihm jemand erzählt, dass sein Vater einen entsetzlichen Tod unter der Folter der Wraith gestorben war. Sie hatten ihn gequält, um von ihm den Aufenthalt der Gruppe zu erfahren, die tatsächlich hatte entkommen können, aber er war standhaft geblieben und hatte keinen Ton von sich gegeben. Schließlich hatten sie ihm das Leben ausgesaugt als abschreckendes Beispiel für andere Gefangene. Soviel hatte ihm ein Runner berichtet, der zusammen mit vielen anderen diesen Tod hatte mit ansehen müssen.
Sie waren die Soldaten in der Familie gewesen und hatten gewusst, was mit ihnen geschehen konnte, aber seine Mutter … und die Brüder …
Er schloss für einen Augenblick die Augen, als ihn die Trauer beinahe überwältigte. Dann öffnete er sie wieder und blickte hinab auf die Stadt. Ruinen, wohin er auch sah. Er hatte heute bemerkt, dass die Natur bereits damit begonnen hatte, sich das Gebiet wieder zurück zu erobern. Der Straßenbelag brach allerorts auf und Pflanzen drängten sich ans Licht. Vielerlei Tiere hatten sich die verlassenen Ruinen als Behausung auserkoren. Er hatte an diesem Tag mehrmals Umwege machen müssen, weil ihm verschiedene Raubtiere, mutierte Katzen und Hunde den direkten Weg zu seinem Versteck verwehrt hatten. Die Hunde waren am gefährlichsten, da sie sich zu Rudeln zusammen geschlossen hatten. Einige Stunnerschüsse hatten die angriffslustigen Tiere jedoch zurückgetrieben.
Ronons Blick ging in die Ferne. Dort, weit hinter dem Wald, war das Kraftwerk gewesen, das die Stadt mit Strom versogt hatte. Es war das erste atomar betriebene Kraftwerk auf Sateda gewesen – und das erste Ziel der Wraith. Er erinnerte sich noch gut an die pilzförmige Rauchwolke, die kurz nach dem ersten Schuss des Raumschiffes aufstieg, das so unerwartet über Sateda erschienen war. Die Druckwelle hatte alles dort Befindliche umgemäht, das Beben der Erde war noch bis in die Stadt zu spüren gewesen. Niemand, der in der Nähe des Kraftwerkes gewesen war, hatte überlebt. Ronon wusste, dass gefährliche Strahlung ausgetreten sein musste, aber sie schadete niemandem mehr. Bevor die Auswirkungen der Atomexplosion sich bei den Menschen zeigen konnten, waren sie bereits von Erdboden Satedas getilgt gewesen.
Allerdings waren Pflanzen und Tiere auf dem Planeten durchaus davon betroffen worden, hatte sich heute gezeigt. Manche Pflanzen zeigten ein überreichliches Wachstum, andere hatten seltsam verfärbte Blätter. Viele Tiere hatten sichtbare Mutationen. So waren ihm katzenähnliche Tiere mit sechs Beinen begegnet und Vögel, die statt Federn eine ledrige Haut hatten. Auch die Hunde hatten teilweise merkwürdig ausgesehen. Es war schon fast unheimlich gewesen, wie einige Exemplare sich wie auf Katzenpfoten an ihn herangeschlichen hatten. Auch bei den Insekten gab es offensichtlich Mutationen. Es schien übergroße Spinnen zu geben, wenn er das Netz, das er zwischen zwei Häusern gespannt gesehen hatte, als Maßstab nahm. Zum Glück hatte er die Erbauerin des Netzes nicht zu Gesicht bekommen.
Während der Sateder den Blick über seine zerstörte Heimatstadt schweifen ließ, zeigte sich am Horizont plötzlich ein zartgoldener Streifen. Das dichte Wolkenband riss auf und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne trafen die höchsten Ruinen der Stadt. Mit einem Mal war die Dachterrasse in gleißendes Licht gehüllt. Ronon musste die Augen zusammenkneifen und sich kurz abwenden, um nicht geblendet zu werden. Als er sich wieder umwandte erblickte er ein Schauspiel von solcher Schönheit, dass es ihm fast die Tränen in die Augen trieb. Überall zwischen den zerstörten Häusern erhoben sich zarte Gebilde von unvergleichlicher Schönheit. Strahlend bunte, zarte Flügel reflektierten die Sonnenstrahlen, schwangen sich hoch und höher, zelebrierten fast das letzte Licht des Tages. Riesige Schmetterlinge, deren Flügel so groß wie ein ausgewachsener Mann waren, flogen gen Himmel in Richtung Sonnenuntergang. Ronon duckte sich, als auch hinter ihm diese riesigen Wesen über das Dach kamen. Er spürte den Lufthauch, den die übergroßen und doch so feinen Flügel verursachten, sah die Facettenaugen, die sich zum Licht gewandt hatten, staunte über die Vielfalt, die sich ihm hier auftat. Niemals hätte er so etwas hier erwartet.
Die Sonne versank hinter dem Horizont und machte endgültig der Dämmerung Platz. Der blasse Mond gewann immer mehr an Leuchtkraft, während der Himmel sich langsam verdunkelte. Und nun staunte Ronon noch mehr, denn die Flügel der Riesenfalter, die eben noch bunt geschillert hatten, wandelten ihre Farbe zu einem in der zunehmenden Dunkelheit immer heller strahlenden grauweiß. Es schien fast, als würden sie das Licht, das sie eben noch eingefangen hatten, nun auf geisterhafte Weise wieder abgeben. Der Sateder beobachtete, wie die Schmetterlinge sich wieder in den Strassen und Ruinen niederließen.
Es schienen trotz allem noch friedliche Insekten zu sein, aber Ronon beschloss trotzdem, sich nun auf nichts mehr einzulassen und zum Tor zurück zu gehen. Er hatte genug von seinem Heimatplaneten gesehen. Er würde auch in Zukunft nur noch hierher kommen, wenn es sich nicht vermeiden ließ, aber auf diesem Planeten würde es wohl keine Zivilisation mehr geben. Nein, Sateda war für immer verloren. Die Wraith hatten ganze Arbeit geleistet.
Seufzend wandte er sich zu der halbzerstörten Treppe. Ebenso wandten sich seine Gedanken von der zerstörten Heimat ab. Er dachte an sein neues zu Hause, an die Freunde, die er gefunden hatte. Oder nein, es war ja eher anders herum gewesen, sie hatten ihn gefunden. Gefunden und gerettet, so, wie sie schon viele Leute gerettet hatten und noch immer retteten. Er dachte daran zurück, wie sie ihn hier, auf Sateda, aufgespürt hatten, nachdem die Wraith ihn erneut zum Runner gemacht und gejagt hatten. Damals hatte er bereits seit einem Jahr bei den Atlantern gelebt, den Menschen, die aus einer anderen Galaxie gekommen waren. Aber erst an diesem Tag hatte er begriffen, wie ernst sie es meinten, als sie ihm eine neue Heimat und ihre Freundschaft angeboten hatten. Dass Freundschaft nicht nur ein Wort für sie war. Und dass sie für ihre Freunde auch durch die Hölle und zurück gehen würden. Und erst von da an hatte er ihnen wirklich vertraut und sie akzeptiert. Er hatte sein Misstrauen abgelegt und sich zum ersten Mal zu ihnen dazu gehörig gefühlt. Und er hatte es seither für keine Sekunde bereut. Er dachte daran, was er schon alles mit ihnen erlebt und was er alles gesehen hatte. Er war sogar mehrmals in eine andere Galaxie gereist, beim letzten Mal, ohne zu wissen, ob er die Pegasus-Galaxie jemals wieder sehen würde. Aber auch hierin hatten sie ihn nicht enttäuscht und einen Weg zurück gefunden.
Und während er nun vorsichtig zum Tor eilte, legte sich ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht.
The End