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Thema: SG-1 First Christmas

  1. #1
    First Lieutenant Avatar von sethos
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    Standard SG-1 First Christmas

    So hier kommt mein Nikolausstiefel.


    First Christmas

    Rating: G
    Staffel: 3
    Spoiler: 1. Staffel, Im ewigem Eis, meine FF Carter’s Log, das erste Jahr, Teil II

    Anmerkung: Allen „Billys“ dieser Welt gewidmet, die ein Kinderherz erwärmen und einer ganz besonderen, leider nur fiktiven, Persönlichkeit.
    Airman ist eine allgemeine Dienstbezeichnung für Personal bei der Air Force und kann sowohl für weibliche wie auch männliche Träger gelten.
    Natürlich wie immer ein großes Dankeschön an meine Beta Astra, Sunny und Garfield auch wenn ich nicht immer auf sie gehört habe. *g*



    Inhalt: Eine ereignislose Nachtschicht im SGC

    Disclaimer: alle Charaktere und sämtliche Rechte an SG-1 gehören MGM/UA World Gekko Corp. Und Double Secret Produktions.
    Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zuverdienen. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.



    ~~~*~~~


    „Hallo Airman, nicht erschrecken, ich bin’s nur.
    Tut mir leid, ich wollte Sie nicht wecken, aber ich muss Ihre Werte noch einmal kontrollieren.
    Oh, Sie können nicht schlafen? Soll ich Ihnen etwas geben? Nein?
    Ich weiß, ist nicht schön in der Vorweihnachtszeit auf der Krankenstation zu liegen, aber wenn die Antibiotika anschlagen und Sie sich ganz viel Mühe geben, sind Sie Heiligabend wieder zu Hause.

    Sie finden keine Ruhe?
    Worüber machen Sie sich denn solche Sorgen?
    Weil Sie krank geworden sind und das noch vor Ihrem ersten Einsatz?
    So was kommt vor, Airman. Wenn Sie denken, General Hammond und Colonel O`Neill wollen Sie deswegen nicht mehr beim SGC - und Ihrem neuen Team wird jemand anderes zugeteilt.....

    Wissen Sie was, Airman, was halten Sie davon, wenn ich Ihnen etwas Gesellschaft leiste? Im Moment ist sowieso nichts zu tun und ich habe die ganze Nacht Dienst. Ich wollte schon lange mal ein paar Dinge aufschreiben. Ist nur für mich, wissen Sie, damit man sich mal erinnert....plane ich schon eine ganze Weile, aber ich habe bisher noch nie die Zeit dafür gefunden. Sie wissen ja wie das ist... mit den guten Vorsätzen und so.

    Also wenn Sie erlauben, setzte ich mich hier einfach ein wenig zu Ihnen. Ist eh heute nichts los.
    Sehen Sie, Airman, so sind wir beide nicht ganz alleine. Und etwas Gesellschaft hilft oftmals besser beim Einschlafen als das blöde Gegrübel....

    So, ich mach es mir ein wenig bequem und Sie machen brav die Augen zu.... ich muss nur noch einen Anfang für meine Geschreibsel finden, dann bin ich gleich ganz leise....der Anfang ist immer das Schwerste, wissen Sie, aber dann geht es meistens von ganz alleine....“

    ‚Nun, wenn ich mich an alles so erinnere dann sehe ich immer wieder eine Szene ganz besonders deutlich vor mir....’




    Ich hielt die kleine Hand fest in meiner. Klein, feucht und zitternd, ein wenig verloren. Doch dann löste sie sich plötzlich entschlossen. Was für ein tapferes Mädchen. Warmer Stolz durchflutete mich.

    „Okay, Cassie?“

    Das Kind atmete tief durch und straffte sich.

    „Okay.“

    „Ich komme mit rein...“

    „Nein. In * Toronto *“, sie lächelte ganz schmal, „war zwar alles etwas anders als hier, aber ich schaffe das schon.“

    „Sicher?“

    „Ganz sicher!“

    „Ich habe heute Dienst bis um fünf...“

    „ Ja und Sam holt mich ab, ich weiß!“

    „Okay?“

    Cassie sah mich an und nickte: „Fertig!“

    „Okay.“

    Ich legte die Hand auf die Türklinke. Die Tür öffnete sich. Sofort verstummte das Stimmengewirr dahinter.

    „Viel Glück.“ Ein festes Lächeln und meine ihr demonstrativ entgegengestreckten Daumen übertünchten meine eigene Beklommenheit.

    „Danke“, flüsterte Cassie, „kann ich gebrauchen.“ , und trat entschlossen ein.

    Mit bangem Gefühl folgten meine Augen dem Kind und seinem Weg in die Fremde, in die Welt hinaus. - Dem entschlossenen Weg meiner Pflegetochter Cassie zu ihrem ersten Schultag.
    Ihrem ersten Schultag auf der Erde.


    ~~~


    Nein, es war nicht leicht gewesen. Für uns beide nicht.
    Wer konnte schon wissen, was in einer gequälten Kinderseele vor sich ging. Cassie hatte alles verloren. Nicht einfach Mutter und Vater, nicht einfach nur die Heimat - nein, einfach alles.
    Ihre Eltern, ihre Verwandten, Freunde. Ihre Umgebung, ihre Zugehörigkeit, ihre gesamte Welt. All ihre Grundlagen, Freuden, Rituale, Bezugspunkte.
    Schlimmer noch, wenn sie neu anfangen wollte und das wollte sie, mit der Zähigkeit und Beharrlichkeit eines verlorenen Kindes, dann musste sie noch einmal ganz von vorne anfangen - mit allem.
    Nichts war ihr hier vertraut, keine Ähnlichkeiten, keine wärmenden Berührungspunkte.
    Die Umgebung, die Menschen, das Essen, oja das Essen, - alles, einfach alles, schien fremd.
    Nichts als die Sprache waren ihr geblieben, dies und die Menschen, die versprochen hatten, für sie da zu sein.
    Vor allem Sam und das Team – und irgendwo auch ich.

    Und nein, es war ganz gewiss nicht leicht für mich gewesen.
    Eine halbherzige Entscheidung von mir, zuerst aus der Not geboren. Was sollten wir denn alle mit diesem hilflosen heimatlosen Kind tun?

    Cassie klebte an Sam - verzweifelt Bindung suchend. Ich half so gut ich konnte, wir alle taten das.
    Wenn Sam im Einsatz war oder arbeiten musste, dann lungerte Cassie auf der Krankenstation herum, freundete sich mit dem Personal und den Patienten an und vor allem mit mir. Das traurige Schicksal dieses Kindes beschäftigte uns alle.

    Aber Hammond bestand auf der vollen Effektivität des Teams. Er brauchte Carter weiterhin komplett einsatzfähig, eine Umstrukturierung oder gar ein Rücktritt kamen für ihn nicht in Frage.

    Sam rang mit sich. Ich auch.

    Sam machte es sich nicht einfach und irgendwo wurde ihre Hilflosigkeit auch zu meinem Problem. Sam war mittlerweile meine beste Freundin, ich konnte sie so gut verstehen, sowohl was ihre Liebe zu Cassie anging, wie auch ihren verzweifelten Wunsch, diese irgendwie mit ihrer Arbeit vereinbaren zu können. Ich konnte so sehr nachvollziehen, dass sie nicht alles, wofür sie jahrelang gearbeitet, geträumt, gehofft und gekämpft hatte, jetzt auf einmal so einfach aufgeben konnte.
    Nicht nachdem sie ihr großes Ziel erst gerade erreicht hatte und ihr noch soviel mehr vorschwebte.
    Nicht nachdem sie sich so sehr wünschte, all ihr Können und Wissen einzubringen, Grenzen zu überschreiten.
    Nicht nachdem sie für das Team unentbehrlich geworden war.
    Und ich verstand, dass wir sofort eine Lösung für Cassie finden mussten. Ein längeres Warten hatte sie nicht verdient. Sie war so ein liebes, tapferes, starkes Kind.

    Und dann fasste ich einen spontanen Entschluss.
    Nun, meine Arbeitszeiten waren berechenbarer als die von Sam, - Sam war wirklich nicht einfach so ersetzbar, sie war extrem wichtig für das Programm - gerade bei den Außenmissionen - und Sam und ich waren die besten Freundinnen.
    Wir alle brauchten eine Lösung für Cassie und für Sam und wir brauchten sie schnell. Ich mochte das Kind, es tat mir Leid, nein ganz ehrlich, irgendwo liebte ich es bereits.
    Gut dachte ich, gut. Sehen wir, wie es kommt. Versuchen wir es.

    Versuchen? - Ehrlich gesagt habe ich mich geschämt.
    Cassie war schon genug verletzt worden. Sie brauchte mehr als nur Mitleid, sie brauchte ein Heim und sie war kein Familienanschluss suchendes Hundebaby.
    Nein, wenn ich mich für Cassie entschied, dann gab es kein Zurück mehr.

    Oh, man machte es mir schmackhaft! - die Air Force machte es mir schmackhaft: „Alle Unterstützung!“

    Ja, ich entschied mich. Auch wenn man das Kind glauben ließ, es wäre seine Entscheidung gewesen.
    Und „Alle Unterstützung“, die brauchten wir auch wirklich.

    Das Erste was das betraf war die Dienstzeit. Keine Nachtschichten mehr, keine Überstunden, - jedenfalls vorerst. Dienst nach Vorschrift von neun bis um fünf.
    Nicht, dass es Probleme mit dieser Dienstanweisung gegeben hätte. Dr. Warner musste halt die Nachschichten übernehmen und auch die Wochenenddienste und meine damalige Assistentin Dr. Brightman bekam einen größeren Aufgabenbereich. Soweit so gut.

    Aber das eigentliche Problem hierin hieß ganz eindeutig Janet.
    Nein, ich vermochte nicht einfach von jetzt auf gleich zur Normalität umschalten. Die Krankenstation, die Arbeit, das war mittlerweile mein Leben. Ich war es gewohnt, mit dem Unnormalen, mit den ständigen Überraschungen zu leben, mit ständiger Bereitschaft, mit Arbeitszeiten, die erst endeten, wenn das Problem gelöst war. Jetzt einfach um fünf oder sogar noch früher zu gehen, wenn ein Patient meine Hilfe brauchte - ihn einfach zu übergeben, abzuschalten und in ein ganz anderes Leben zu verschwinden, das war nicht meine Sache,- nein, das war nicht Janet.
    Nicht nur Sam, auch ich besaß Ehrgeiz, ganz normal bei einer solchen Karriere. Nur schwer rang ich mich los, machte immer wieder Kompromisse, lief mit aktivem Handy und grübelndem Gesicht herum.

    Das Zweite was es betraf, war Cassies Integration und die musste schnell vonstatten gehen.
    Die Air Force stellte einen jungen Leutnant zu Verfügung - Sandra - hübsch, klug, rothaarig, 25 Jahre alt, - eine gute Akademieabsolventin und eine wunderbar einfühlsame Lehrerin. Sie übernahm Cassies Beaufsichtigung und Schulung während meiner Dienstzeit.
    Ursprünglich hatte man mich für einige Zeit beurlauben wollen, aber ich glaube, das hätte ich nicht ertragen.

    Sandra machte Cassie mit der Umgebung und der Umwelt vertraut, passte ihr Wissen langsam dem erwarteten Standard an und bereitete sie auf den bevorstehenden Schulgang vor.
    So vieles war zu lernen, so vieles zu erforschen. So viele neue Sitten, Gewohnheiten, Eigenarten. Eine geradezu beängstigende Aufgabe, aber Sandra und Cassie gingen sie mit einem respekteinflößenden Elan an.

    Das dritte Problem war das schwerste. Und nein - dabei konnte und wollte mir die Air Force nicht helfen.
    Das dritte Problem hieß Jack O’Neill, oder besser gesagt Billy.

    Oh nein wirklich, ich war so was von dankbar für alle erhaltende Hilfe - und eine größere Hilfe als Sam, Jack, Daniel und sogar Teal’c konnte ich nicht bekommen.
    Sam verbrachte jeden Fetzen Freizeit, den sie besaß, mit Cassie. O’Neill zeigte sich ähnlich aufopfernd. - Cassie betete die Beiden an. Natürlich waren Daniel und Teal’c meistens auch mit von der Partie, aber einer immer ganz bestimmt - Billy!
    Billy - der Hund, den Jack O’Neill, kaum zwei Tage nach meiner Entscheidung für Cassie, der Kleinen in die Arme gelegt hatte. Ein sechs Monate alter wildgemixter Köter unbekannter Herkunft.

    „Es gibt ein Gesetz auf diesem Planeten: Jedes Kind braucht einen Hund!“


    Strahlend standen sie alle vor meiner Tür, Cassie selig die Arme um das Fellbündel geschlungen, O’Neills Satz auf den Lippen...und ich?
    Ich hätte O’Neill auf der Stelle erwürgen können!

    Es gibt ein Gesetz auf diesem Planeten...und wo in diesem Gesetz steht, dass ich Angst vor Hunden habe? Ja, es ist wahr, ich, Janet Fraiser, in deren Führungszeugnissen immer so etwas von:„klug, resolut, kompetent und einfühlsam“ steht - habe Angst vor Hunden!

    Ich hatte schon immer Angst vor ihnen gehabt, schon seit meiner Kindheit und prompt war ich von jedem Hund dem auch immer ich begegnete, angebellt, umgerissen oder sogar gebissen worden. Die Viecher rochen förmlich meine Angst. O nein, ich mochte keine Hunde! Ich konnte nicht verstehen wie alle Welt in wilde Verzückung bei dem Anblick ihrer Augen verfiel, ihrer Tapsigkeit, ihrer kuscheligen Anwesenheit, ich sah mir selbst süße Hundewelpen nur aus ganz sicherer Entfernung an und möglichst mit einer Glasscheibe dazwischen - im Zoogeschäft.
    Ich liebte Katzen, sanft, diskret, verschmust und pflegeleicht... und nun sollte ich einem seligem Kind erklären: Nein, nur über meine Leiche!?

    Ich schickte O’Neill einen tötenden Blick, der selbst Steine erweicht hätte. Jedenfalls erweichte er Sam und Daniel. Verlegen blickten sie zu Boden. Daniel hielt für Minuten die Klappe, -‚welch Wunder’ - und Sam machte einen schiefen Mund. Selbst Teal’c schien etwas zu merken. Nur Jack O’Neill .. O nein, O’Neill merkte nichts ..oder er wollte nichts merken. Er eroberte augenblicklich mit Cassie zusammen das Haus und packte die mitgebrachten Tüten aus. Hier den Futternapf, da das Futter, die Bürste für das Fell, das Spielzeug wirst du brauchen, ...ach die Leine nicht vergessen....

    Billy, - ja Billy hieß die Katastrophe, stand etwas hilflos da, machte ein paar unsichere Schritte, schnupperte vorsichtig und hockte sich dann mit großen Unschuldsaugen hin und pieselte auf meinen wunderbaren, hellen, neuen Teppich.
    Okay, jetzt vermochte selbst O’Neill seine Harmlosmiene nicht mehr aufrecht zu erhalten.

    „Ehm, ist alles noch recht neu für ihn...ich mach das weg!“

    Oh, mein Blick war bestimmt dramenreif. Ich glaube so zornentflammt kannte er mich noch gar nicht, jedenfalls seinem verlegenen Grinsen nach zu urteilen nicht.
    Und in mir arbeitete es...- Gleich platzte der Vulkan... - gleich!

    Er platzte nicht. Wie denn auch?
    Ich war eindeutig in einer schlechten Verhandlungsposition mit all den verzückten Freunden um mich herum und erst recht mit Cassie, die das stinkende Bündel in ihr Zimmer schaffte und ihn stolz malen wollte.
    In einer sehr, sehr schlechten Verhandlungsposition.

    Und somit hatte ich verloren. Auf Dauer verloren.
    Billy blieb.
    Billy pinkelte weiterhin in die Ecken, knabberte Tapeten und Möbel an, fraß meine Akten wenn sie irgendwo herumlagen und zerbiss meine besten Absatzschuhe....italienische Schuhe!
    Billy zwang mich zur gnadenlosen Ordnung, trieb die – „ausgeglichene, tolerante, liebevolle Ärztin“ - welche ich angeblich sein sollte, regelmäßig in die Weißglut und war der wunderbarste Freund, Gefährte und Zuhörer für Cassie. Er schlief in ihrem Bett, auch wenn ich mich dagegen verwahrte und engelsgeduldig erklärte, dass ich das aus hygienischen Gründen nicht wollte, er folgte ihr auf Schritt und Tritt, auch wenn ich ständig über ihn stolperte, er hinterließ Chaos und Haare in jeder Ecke und.... erfuhr von Cassies Sorgen, Problemen und Geheimnissen, von denen ich gar nichts wusste.
    Und er war ganz ehrlich gesagt - die beste Hilfe, die Cassie nur bekommen konnte.

    Und was war mit mir?
    Wer half Janet?
    Oh, was Cassie und Billy anbetraf, alle.
    Für Sandra stellte der Hund kein Problem dar, im Gegenteil, sie liebte Hunde. Anscheinend gehörte ich mit meiner Meinung wirklich zu einer aussterbenden Sorte Mensch. Am Tage betreute Sandra ihn genauso selbstverständlich mit wie Cassie und gemeinschaftlich bildeten sie eine verschworene Dreiergruppe.

    Und das Team... das Team gab sich regelmäßig die Klinke bei uns in die Hand. O’Neill stand wann immer er es einrichten konnte auf der Matte. Er ging stundenlang mit Cassie und Billy spazieren, und versuchte sich mit sehr zweifelhaftem Ergebnis in Hundeerziehung. O`Neill behauptete zwar, Billy höre wunderbar, aber leider konnte in meiner Gegenwart der nötige anschauliche Beweis noch nicht erbracht werden.

    Jack führte aber auch Cassie mit Hingabe in irdische Sportarten wie Baseball und Football ein, brachte ihr Fahrradfahren bei und machte mit ihr die umliegenden Spielplätze unsicher. Stets waren auch Sam und Daniel mit von der Partie, die Cassies Freizeitkenntnisse um Rollerskaterfahren erweiterten - und oftmals sogar Teal’c. Als geduldigen Sportpartner gab es wohl keinen besseren. Mit unerschütterlicher Ruhe ließ er sich die Bälle von O’Neill an den Kopf werfen, bis er fast ebenso schnell wie Cassie den Sinn des Spieles und des Schlägers verstand und dafür sorgte, dass die kleine harte Kugel mit rachsüchtiger Wucht zu Jack zurückbefördert wurde. Daniel war ebenso in seinem Element, erzählte und doktorierte wann immer es galt, den Bildungsstoff etwas schmackhafter zu gestalten und ich glaubte schon, für einen Moment, dass aus ihm und Sandra mehr als nur ein wildes Diskussionsduo werden würde. Auf jeden Fall konnten sie beide schnattern, ohne dabei erkennbar Luft zu holen und irgendwo dazwischen muss wohl Cassie zu ein paar wichtigen Gesellschafts- und Geschichtskenntnissen gelangt sein.
    Es war wirklich erstaunlich, wie schnell sie zu einem „normalen“ unauffälligen Kind wurde. Sam malte und bastelte an langen Herbstabenden mit Cassie im Garten und ihrem Zimmer und sie brachte, gemeinsam mit Daniel, Cassie das Schachspielen bei.
    Das Sonnabendnachmittagsspiel, an Sams freien Wochenenden, wurde schon damals ein kleines Ritual.

    Manchmal unternahmen wir sogar, wenn der Dienst es irgendwie zuließ, alle gemeinsam Ausflüge und Wochenendtouren, bei denen es immer seltener vorkam, dass wir durch irgendwelche unerwarteten Situationen von Cassies Seite aus in Verlegenheit oder Erklärungsnöte gerieten.
    Das Einzigste was Cassie nicht zu lernen brauchte war zu schwimmen. Sie schwamm wie ein Fisch. Aber sonst musste so ziemlich alles für Cassie neu, erstaunlich und fremd gewesen sein und ich konnte nur immer wieder über den Anpassungswillen und die Zähigkeit dieses kleinen Mädchens staunen.

    Trotzdem, obwohl unser Haus ständig von Gästen heimgesucht wurde, blieb genügend Freiraum für Cassie und mich.
    Wir gewöhnten uns schnell aneinander. Täglich zeigte sie mir stolz ihre Fortschritte, erzählte von den neuen Dingen in ihrem Leben, versank immer seltener in Schweigen oder schwermütige Nachdenklichkeit, sondern lachte mit mir, ließ sich manchmal sogar vorsichtig in den Arm nehmen und drücken,- auch wenn die Initiativen dafür ausschließlich von mir ausgingen.
    Ich aber war ihr schon nach wenigen Tagen hoffnungslos verfallen. Ich liebte dieses Kind und fragte mich immer wieder, wie ich so lange ein Leben ohne eine solche Präsenz, nein Bereicherung, hatte führen können und mich trotzdem stets für ausgefüllt gehalten hatte.
    Und ich glaube, Cassie begann mich ebenfalls zu lieben. Ja doch, die Zeichen waren klein, aber deutlich. Wenn sie manchmal ganz vorsichtig zurückkuschelte, wenn sie kleine Zärtlichkeiten nicht nur akzeptierte, sondern sogar einzufordern begann, wenn sie mich immer mehr in ihr neues Leben einschloss.

    Trotzdem gab es eine kleine Barriere, die mich mit einer gewissen Hilflosigkeit und Eifersucht erfüllte. Cassie sprach niemals über ihre Vergangenheit, niemals über die Gefühle, welche die Verluste in ihr ohne Zweifel ausgelöst haben mochten, niemals über Schmerzen, die tief in ihr drin doch immer existieren mussten, niemals über Ängste oder Probleme mit ihrer neuen Welt. All das erfuhr nur Billy.

    Aber aus mir und Cassie wurden mehr als nur eine Zweckgemeinschaft, ein hilfloser Kompromiss. Ich merkte mit jedem Tag stärker wie mich dieses Kind veränderte und ganz und gar für sich einnahm. Ganz langsam, kaum fühlbar und doch stetig.

    Wir kauften zusammen Kleidungstücke und andere Sachen ein und sehr schnell einigten wir uns auf einen gemeinschaftlich vertretbaren Geschmack. Irgendwie, von da an, ging ich plötzlich auch beim alleinigen Einkauf ohne Cassie mit ihren Augen durch die Welt und dem steten Wunsch, ihr eine Freude zu bereiten.
    Innerhalb kürzester Zeit wurden mein Kühlschrank und mein Speisezettel umgekrempelt und auf Dinge umgestellt, die nicht nur vom gesundheitlichen Aspekt akzeptabel waren, sondern vor allem Cassie schmeckten.
    Ich lernte, dass es da draußen noch eine ganz andere Welt gab.
    Eine Welt ganz speziell für Kinder.
    Eine Welt bestehend aus Eis, Spielplätzen, Rummel, Schwimmbädern., Sportspielen, Kino und Zoo. Und mit jeder dieser Unternehmungen stahl sich Cassies Herz ein wenig weiter an meines heran.
    Nun, es gab immer noch die großen Geheimnisse zwischen Billy und ihr, Dinge über die sie mit mir nicht sprach, aber ich war nicht mehr so eifersüchtig auf diese Zweisamkeit. Ich denke, es war richtig so.

    Wir begannen langsam unser Leben aufeinander einzustellen, es gemeinsam zu planen. Wir teilten Freuden und Rückschläge, sprachen vorsichtig, noch ganz schüchtern unsere Wünsche aus und wuchsen ein bisschen mehr zusammen. Ab und an kam es vor, dass sich Cassie sogar abends beim Fernsehen oder beim Vorlesen von sich heraus vorsichtig an meinen Arm kuschelte, sacht fast wie zufällig - und sie fing an Billy gelegentlich zu maßregeln, wenn er etwas tat das „Janet nicht mag“. Ja, er bekam sogar eines Abends einen kurzen Klaps, als er wieder einmal meinen Lieblingspullover durch die Gegend zerrte.
    Das stille Tauziehen um die Zuneigung eines Kindes, in die wir uns wohl indirekt begeben hatten, bekam eine neue Grundlage.
    Allerdings musste ich mein aufkommendes Hochgefühl mit der Erklärung Cassies teilen, dass diese Billyaktivitäten nur ein Zeichen seiner unerschütterlichen Liebe eben auch zu mir seien.

    So ein Mistvieh, spielt mich selbst auf diesem Felde noch eiskalt aus, indem er so tat als wenn er auch mich mochte. Wusste gar nicht, dass Hunde so hinterrücks sein können.

    Billy „liebte“ mich also und wollte mir dieses sogar zeigen. Aber eigentlich erhoffte ich, ganz still und vorsichtig, auf einen solchen eindeutigen Beweis aus einer anderen Richtung.
    Ich begriff es war wohl noch zu früh, um von Cassie mehr zu erwarten, alles noch zu neu, alles noch so schwierig. Ich wusste auch nicht genau, was ich mir ersehnte, - waren denn nicht schon ein paar Zeichen überdeutlich...?
    Für mich stand jedenfalls eines fest, so kurz die Zeit auch erst vergangen war: Ich liebte Cassie.


    Psst, Airman, immer noch wach? Ich hole Ihnen etwas Wasser, okay. Oder lauwarme Milch?...dann müsste ich in die Kantine...nein, nichts davon? Aber Sie sagen Bescheit, ja.
    Stört es Sie, wenn ich weiterschreibe?...nicht? Dann bleibe ich noch ein wenig hier...


    Mit Cassies Schuleintritt war die Probezeit ein für alle mal vorbei. Ab jetzt musste sich bewähren was wir alle, Sandra voran, in den letzten Wochen mit ihr so wacker gelernt hatten. Von jetzt an musste sie den Tag, ihre Umwelt und vor allem den Umgang mit Menschen alleine bewältigen.
    Ab jetzt musste ich meine Arbeit mit dem Glockenschlag beenden, um für Cassie da zu sein, auch wenn Sandras Mithilfe weiterhin sporadisch erhalten blieb und ab jetzt musste Billy den Tag über alleine bleiben.
    Ja, da waren sie wieder, die drei großen Probleme.
    .
    Nun was das Erste betraf, Cassie legte eine mehr als erstaunliche Kür hin. Sie fand sich schnell in der Schule und den Gegebenheiten zurecht.
    Zuerst verhielt sie sich ihren Klassenkameraden gegenüber noch etwas distanziert und schüchtern.
    Doch der Umstand, dass wir bewusst eine dem Peterson Stützpunkt angegliederte Schule gewählt hatten, erleichterte vieles.
    Man weihte die Lehrer bis zu einem gewissen Grad ein. Natürlich nicht, dass Cassie ein Alien war, aber anders in vielem, vielleicht manchmal merkwürdig oder hilfebedürftig.
    Und diese Kinder waren für einen völligen Neubeginn ideal. Viele von ihnen hatten zusammen mit ihren Eltern schon eine lange Wanderung von Base zu Base hinter sich gebracht. Ständige Wechsel von Land und Leuten, Versetzungen, je nach Einsatzfähigkeit und Gebrauchtwerden, - irgendwo ähnlich heimatlos wie Cassie und so nahmen sie sie vorurteilslos auf, halfen ihr die ersten Hürden zu nehmen, lösten sie aus ihrer eingeigelten Schüchternheit.
    Kinder sind die beste Integrationshilfe, die es gibt!

    Das zweite Problem - mein Problem und das nicht zu knapp.
    Die Probezeit, die „nur noch heute und ja, ich mach ja schon“-Zeit war vorbei, ob es mir nun gefiel oder nicht. Und wenn ich im SGC war, gefiel es mir ganz und gar nicht.

    Tja und über das dritte Problem will ich lieber gar nicht reden, außer der kleinen Erwähnung, dass es wirklich ein Problem blieb.

    Doch langsam, so nach ein paar Wochen, spielten wir uns ein. Ganz langsam begannen wir Routine in unseren Alltag zu bekommen.
    Aber wie das so ist, kaum steht man fest, kaum glaubt man es zu packen, wird einem der sichere Boden ganz unerwartet wieder fortgezogen.
    O nein, nicht Cassie bereitete Kummer - die Arbeit, -SG-1.

    Eine Routineaufklärungsmission wie wir alle glaubten, ein ganz kurzer Ausflug nur, wie schon so oft - und dann waren von einer Minute auf die andere O`Neill und Carter verschwunden. Daniel und Teal’c landeten arg lädiert bei mir auf der Krankenstation – kein Problem, zusammenflicken ist mein Job und gute Laune verbreiten, abwarten und die Hoffnung nie aufgeben, auch irgendwie.

    Aber die Sorge und die Verzweiflung die uns befielen, nachdem Sam und Jack vermisst wurden und es noch nicht mal einen klitzekleinen Ansatz gab wo wir überhaupt suchen sollten, machten mir schon sehr zu schaffen.
    Früher wäre ich in einer solchen Situation tagelang im SGC geblieben, - früher.
    Jetzt ging ich schweren Herzens nach Hause, nur nichts anmerken lassen, gab mich möglichst normal, lächelte und stellte mich Cassies bohrenden Fragen.

    „Warum kommt Jack nicht am Wochenende? Er wollte mit mir und Billy zum Angeln.“

    „Wo bleibt Sam, sie hat versprochen mit mir heute ins Kino zu gehen.“

    „Was ist mit unserer Floridareise, nur wir drei? Wir haben doch in ein paar Tagen Ferien. Wir hatten es doch alles schon so fest geplant.“

    Was sollte ich sagen?
    Cassie, Kleines, sie sind weg. Cassie, wir wissen nicht ob wir sie je wiederfinden. Wir wissen ja noch nicht mal, wo wir suchen sollen, ob sie noch am Leben sind.
    Nein, wer würde so etwas einem Kind antun, das noch immer mit dem tief in sich vergrabenen Schock über den Verlust der eigenen Welt lebte, einem Kind, das gerade erst wieder begann, Halt zu finden.
    Ein Verlust, gerade der Menschen, die daran einen solch hohen Anteil hatten, - undenkbar!
    Also log ich so gut ich konnte. Erzählte Märchen von Dienstveränderungen und unerwarteter Arbeitsumstellung, erfand immer neue Geschichten von langen Missionen und der Unmöglichkeit anzurufen, hoffte und betete dafür, dass wir sie bald fanden und Cassie nicht die Wahrheit herausfand.
    Eine Woche lebte ich voller Verzweiflung und Angst in der steten Furcht, Cassie könnte mich durchschauen.

    Und dann wurde ich gebraucht, von einer Minute zur anderen wurde ich gebraucht. Vorbei war es mit dem verordneten Dienst nach Vorschrift.
    Sie hatten sie gefunden, lebend gefunden! Sie hatten es überstanden!
    Aber O`Neill kämpfte um sein Leben. O`Neill brauchte mich und all mein Können. Hier ging es um alles.
    Wenn er es schaffen sollte, wenn er nicht als Krüppel zurückbleiben wollte, dann brauchte er all meine Fähigkeiten, meinen ganzen Einsatz.

    Gott sei Dank hatte es Sam viel besser überstanden. Sie brauchte nur etwas Erholung und Seelenwärme und so schickte ich Sam und Cassie in die Ferien, die wir für uns drei geplant hatten und überließ es Sam Cassie alles zu erklären - nicht gerade eine ideale Mutter.

    Aber was sollte ich denn tun? Cassie müsste immer an erster Stelle stehen. Sie ist ein Kind, sie ist mein Kind. Sie hat ein Recht darauf, dass sie der Mittelpunkt meines Lebens ist, das sich alles nur um sie dreht. Aber manchmal sind diese ganz selbstverständlichen Dinge und Vorsätze doch nicht so einfach zu erfüllen.
    O`Neill hatte nur mit mir eine Chance.
    Vielleicht war es egoistisch, dass ich mich in diesem Moment für die Arbeit entschied, für das Wissen, dass ich die Beste war. Das ich mich für die Gesundheit eines Arbeitskollegen, eines Freundes entschied – aber ich glaube Cassie hat es verstanden. Ich glaube, gerade weil sie schon soviel durchgemacht hat, ist sie um so vieles reifer und verständiger als andere Kinder. Sie ist so tapfer und klug und Jack ist jemand, der ihr sehr viel bedeutet. Sein Verlust hätte auch ihr bittere Schmerzen bereitet. Trotzdem fühlte ich mich schlecht, als ich ohne Vorabsprache zu O`Neill nach McMurdo flog und während all der Stunden dachte ich unentwegt: ’Bitte Cassie versteh es.’ - Als wenn das Leben eines Menschen Verhandlungssache wäre, oder auch die Seele eines Kindes.

    Doch all meine Selbstzweifel wurden ausgeräumt. Sam musste ganze Arbeit geleistet haben, oder wir gelangten doch langsam in die Situation, in der wir nicht mehr voller Angst vor Fehlern jeden unserer Schritte, jede Entscheidung kontrollierten und nach möglichen traumatischen Konsequenzen für Cassie hinterfragen mussten.
    Cassie verstand und akzeptierte es nicht nur, sie war sichtlich froh um meine Entscheidung und stolz darauf, dass ich es war, die O`Neill Leben und Gesundheit rettet.
    Bei ihrer Rückkehr aus Florida flog sie mir auf dem Flughafen jubelnd in die Arme und drückte mich ganz fest. Noch niemals hatte sie sich mir gegenüber so emotional gezeigt so glücklich.

    „Geht es Jack gut? Wird er wieder gesund?“

    „Ja Kleines, alles okay.“

    Und sie nahm Billys Leine aus meiner Hand und verkündet ihm stolz, dass Janet ihren anderen besten Freund gerettet hatte, dass Janet jeden auf der Welt heilen könne.
    Was für ein Kompliment für mich. Ich wurde vor Billy zum Helden - der Ritterschlag!

    Jack O`Neill brauchte dieses Mal recht lange um, buchstäblich gesprochen, wieder auf die Beine zu kommen. Kein Wunder. Jeder, mich eingeschlossen, hatte Angst gehabt, dass er es nie wieder ganz schaffen würde, dass mehr zurück bleiben würde als nur ein öfter einmal protestierendes Knie. Ein Invalide - nicht auszudenken für Jack O`Neill.

    Aber ich übertreibe gehörig. Das mit dem ‚auf die Reihe kommen’ und meinem Verdienst daran...nun ja, ich war nicht ganz unschuldig, zugegeben, aber den Hauptanteil leistete wohl O`Neill und sein Wille zum Leben ganz alleine.
    Aus unserer anheimelnden Krankenstation, auf die wir O`Neill gebracht hatten, sobald er stabilisiert und transportfähig war, wollte er mir fortlaufen, kaum dass die letzten aufhaltenden Schläuche und Kabel gekappt wurden. Sobald Schmerz- und Schlafmittel nicht mehr nötig waren, erwachte auch in O`Neill erneut der rebellische Widerspruch und Wandergeist. Nein, weiß Gott, kein einfacher Patient, aber ich denke, es ist diese Zähigkeit, dieser unermüdliche Lebenswille, der ihn Verletzungen immer wieder so rückstandslos überwinden lässt.


    ‚Oh nein, niemand sollte hier je auf dumme Gedanken kommen. Ein solches Verhalten lasse ich nur bei einem Patienten durchgehen. Glaubt mir, die „nette Doc Fraiser“ kann auch sehr schnell ganz anders...’



    Trotzdem, das mit der Diensttauglichkeit bei Colonel O`Neill dauerte dieses Mal etwas länger als gewöhnlich und auch das mit dem ‚auf den Beinen stehen’. Genaugenommen stand er auf einem davon - und auf zwei recht wackeligen Krücken.
    Jedem war bei seinem Anblick bewusst, dass das gebrochene Bein und der Gips unser aller Geduld arg überstrapazieren würden, vor allem aber meine.

    Aber diesmal hatten wir uns gründlich in O`Neill getäuscht, denn diesmal gab es Cassie.
    Zuerst war er auf die Gnade eines Helfers angewiesen um sie zu besuchen. Aber SG-1 schob, solange er noch nicht einsatzfähig war, sowieso ungeliebten Innendienst und Jack nutzte seinen Rang schamlos aus. Sam und Daniel wurden regelmäßig dazu verdonnert, ihn an den Nachmittagen zu Cassie zu fahren und Teal’c zwang er fast täglich zur Übernahme der Billy-Bewegungsaufgabe, während O`Neill von einer Parkbank aus die exakte Einhaltung überwachte und grinsende Referate über Hundeerziehung hielt.

    Später fand er eine Möglichkeit, trotz Gips Auto zu fahren, von der ich natürlich offiziell nichts wissen durfte.

    „Was ist Doc? Nicht immer so skeptisch. Automatikgetriebe. Und welcher Cop lässt bei einer Kontrolle einen Colonel aus dem Auto steigen?“

    Tja, er ließ wohl seinen Rang so richtig spielen, aber mir war geholfen und ihm auch.
    Das letztliche Ende vom Lied war eine wilde Horde johlender Kinder, oder besser gesagt das neue Baseballteam von Cassies Grundschule, ein hinkender Initiator und Coach für das Ganze, die Verpflichtung der Peterson Air Base am Tag der offenen Tür ihren Sportplatz für ein Schulfest zur Verfügung zu stellen, samt Kampffliegerbesichtigung und - zwei absolut zufriedene Menschen, deren Heilungsprozess ich nicht besser hätte gestalten können. Nun ja, ich habe mir für mein kleines Mädel zwar eine etwas andere Sportart als Baseball gewünscht und O`Neill würde seine Trainertätigkeit nach seiner Genesung und erneutem Dienstantritt wahrscheinlich an den Nagel hängen müssen, aber wir sagten uns alle: Kommt Zeit, kommt Rat.

    Ja, ich glaube schon, wenn ich die beiden auch heute noch zusammen sehe, dass sie damals die tiefen Verletzungen des jeweils anderen bemerkt hatten und auch die Möglichkeit, sie gemeinsam zu bewältigen.
    Schon damals kannte ich O`Neills Akte, ich wusste, was er durchgemacht hatte, in seinem früheren Dienstleben und vor allem mit Charlies Tod. Ein grauenvolle Schlag der ihn fast umgebrachte.


    ‚... wahrscheinlich sollte ich das alles hier nicht so genau erzählen, ist doch etwas sehr privat... auch wenn diese Zeilen eigentlich nur für mich, oder vielleicht auch einmal für Cassie bestimmt sind und sie vieles schon andeutungsweise gehört hat...nein solche persönlichen Sachen sind doch immer etwas besonderes.’


    ...aber ich denke wir Anderen können nicht wirklich alles verstehen, was in Cassie und Jack vorgeht, nach ihren schweren persönlichen Verlusten, auch wenn wir uns noch so sehr darum bemühen. Und gerade für Cassie würde ich alles tun.
    Aber nun schien eben der Umstand, dass sie beide soviel Schmerzen durchgemacht hatten, ihnen das Verlorene irgendwie auf eine andere Weise zurückzugeben. Ich denke, Cassie sieht seit dieser Zeit in Jack so etwas wie eine Art Ersatzvater und er in ihr bestimmt keinen Ersatz für seinen Sohn, aber seine Ersatzfamilie - versorgt und behütet, so dass er weiter ganz und gar in seiner Arbeit aufgehen kann, die aber immer da ist, wenn er eine Familie braucht. Und Cassie scheint ihm damit ein wenig den Teil von seinem früheren Leben zu ersetzen, der so schmerzlich und radikal mit Charlies Tod amputiert wurde. Etwas, das er trotz allem Arbeitseifer benötigt, das ihn trotz allem noch immer ausmacht. Wenn Sam und ich die Beiden jedenfalls zusammen sehen, damals wie heute, so glauben wir das.

    Ach und übrigens, er hält der Baseballmannschaft von Cassies ehemaliger Schule noch immer die Treue, obwohl sie jetzt auf der Junior High ist und O`Neill keine Zeit mehr hat, den Coach zu geben. Aber er besucht die Schule zusammen mit Cassie noch immer regelmäßig und hat immer ein Ohr für ihre Probleme, oder wenn sie irgendetwas brauchen.

    Wenn ich so an damals zurückdenke, muss ich doch ehrlich zugeben, dass ich manchmal schon eine gewisse Eifersucht gegenüber O`Neill fühlte... aber nach wie vor ganz stark gegenüber Billy. Noch immer stellte er Cassies persönlichen Kummerkasten da und empfing dabei all ihre emotionale Liebe.

    Nein, ich sollte nicht so denken. Ich wusste, dass Cassie mich liebte. Sie konnte es nur nicht so deutlich zeigen. Es waren nur ganz kleine Gesten zu denen sie sich in der Lage fühlte und Billy war wohl der Nutznießer davon. Er war ständig um sie herum und so erhielt er wohl einen Großteil der Zuwendung mit, die eigentlich mir gelten sollte.

    Aber es gab ja da noch andere Dinge, die wohl eine emotionale Wiedergutmachung verdienten und ich beschloss damals, als meine Zeit wieder planbarer wurde, meinen Freunden meine Dankbarkeit für ihre unermüdliche Hilfe bei Cassies Integration zu zeigen und vor allem auch ihre weitere Hilfe bei einem ganz bestimmen Fest in Anspruch zu nehmen.
    Obwohl oder gerade weil ich, damals wie heute noch immer ganz fest daran glaube, dass die Fürsorge für Cassie auch nicht ganz uneigennützig für das Team war und irgendwo zu einem ganz festen Bestandteil in ihrem Leben geworden ist, etwas was sie alle vier noch enger zusammenschweißt. Etwas, was ihnen einen Halt, eine Heimat bei ihrem bindungslosen, von Arbeit geprägten Leben gibt. Etwas, das sie zu einer kleinen Familie macht. Und wir zwei - Cassie und ich - gehörten von nun an dazu, ach und ja, Billy wohl auch.
    Aber wir sprachen ja hier von meinem Wiedergutmachungsplan.

    Durch O`Neills lange Genesungsphase und das einsatzlose Abwarten von SG-1 hatten wir alle geregelte Tageszeiten und so genossen wir zusammen eine lange gemeinschaftliche Vorweihnachtszeit bei Cassie und mir zu Hause.
    Ich kann nicht behaupten, dass ich mir früher viel aus dem ganzen rührseligen Feiertagstheater gemacht habe. In Wirklichkeit ist das doch nichts anderes, als ein bunt verpackter Konsumrummel, versüßt und überzuckert mit Musik und Kitsch. Vollgekleistert, um uns ein schlechtes Gewissen einzureden und uns zu Geldausgaben zu zwingen, die gar nicht sein müssen.
    Solange ich noch verheiratet war, unterwarf ich mich dem Konsumterror meines Exmannes. Aber seit der Scheidung...
    Meine Schwester versuchte mich zum familiären Zusammensein zu überreden, aber hey, ich hatte die beste Ausrede meines Lebens – die Arbeit. Ja, ich bin Ärztin, die werden auch an solchen Tagen gebraucht - gerade an solchen Tagen. Und jedermann war froh, dass Doc Fraiser bei der Feiertagsschichteinteilung den Finger ganz hoch reckte:„Ich, ich, ich! Ich mache es wirklich gerne.“

    So war es also all die Jahre und ich denke über Sam, Daniel und Jacks damalige Weihnachten sollte ich gar nicht nachdenken.

    Aber jetzt war Cassie da. Mit einem Kind verändert sich mit einmal alles. Urplötzlich sieht man all die Weihnachtsdekoration mit Kinderaugen, schnuppert zufrieden den Duft nach gebackenen Kastanien und Zuckerstangen und lächelt verträumt, wenn ‚White Christmas’ im Supermarkt erklingt. Plötzlich sind selig glänzende Kinderaugen und freudenrote Wangen im Kerzenschein das allerwichtigste im Leben. Ja, mit Cassie wurde mit einmal alles etwas ganz besonderes.
    Schließlich wusste sie doch gar nicht, was Weihnachten war. Alles mussten wir ihr erklären, mit ihr neu entdecken, ihr zeigen. Sie und Teal’c, der zu einem ebenso fragenden und staunenden Alienkind wurde, erlebten ihr erstes Weihnachten und wir mit ihnen. Alles erschien anders, alles schien jetzt plötzlich einen Sinn und Harmonie zu haben und selbst der matschige, nasse Schnee wirkte richtig und irgendwie weißer.

    So erwachte Wärme in meinem Haus und stille Feierabende mit allen zusammen wurden zum Ritual. Die Geschichten vom Rentier Rudolph und dem Grinch zogen bei uns ein, der Weihnachtsmann und alle seine Elfen und naseweisen Kobolde... und zu unserem allgemeinen Leidwesen auch der Zauberer von Oz – von Cassie heiß geliebt, seitdem sie von O`Neill mit der Videokassette beglückt und das Teil von beiden an fast jedem zweiten Abend konsumiert wurde.
    Zu dumm, dass man Jack mit seinem Gipsbein nicht von der Couch jagen konnte, um ihn zum Gassiegehen mit Billy zu verdonnern.
    Ich bin mir sicher, wir nahmen damals alle unanständig viel zu und ich weiß eigentlich gar nicht wie es uns gelang die Fitnesstests im neuen Jahr zu bestehen... aber Schwamm drüber.

    Halloween und Thanksgiving hatten wir in diesem Jahr noch mit Cassie verpasst. Zum einen, weil sie beim ersten noch nicht richtig integriert und beim zweiten im Urlaub war.
    Aber jetzt die Weihnachtszeit kosteten wir voll aus. Es wurde gebastelt und gemalt,

    ‚... oh mein Gott was waren wir doch manches Mal albern...’

    Wunschzettel geschrieben und Eierpunsch fabriziert. Und wir planten unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest.

    Alles organisierten wir zusammen. Vom Heiligabend angefangen, bis zum Weihnachtstag an sich. Ablauf, Einkauf, Essen, Baum, Bettenverteilung und die Nachmittagseinladung von Sandra und ihrem neuen Freund.
    Keine Geschenke für die Erwachsenen, nein das überstieg einfach guten Willen und Einfallsreichtum, aber ein Berg von Geschenken für Cassie.
    Und somit begann es.

    Es schien, als wollten wir alle diese verlorengegangen Weihnachtsfeste negieren ebenso wie die Erinnerungen daran. An fast jedem Abend schlug irgendjemand von uns mit neuen Geschenken und Dekozeug auf, mit Tüten und Kartons. Alles nur für Cassie, klar doch, wir halten uns alle an unseren Vorsatz. Nur fürchtete ich langsam, wir würden danach einen neuen Anbau setzen müssen, nur um Cassies Kleiderschrank und Kinderzimmer vergrößern zu können.

    So zog er also heran der Heilige Abend.
    Wir wollten uns am späten Nachmittag nach der Arbeit gemeinschaftlich treffen. Wir wollten den Baum schmücken und Punsch trinken. Wir wollten den Fernseher anschalten und Cassie mit all den - heute Nacht kommt der Weihnachtsmann-Geschichten so richtig zappelig machen. Und am nächsten Morgen würden wir in gemeinschaftlicher Hochstimmung zusehen wie sie all diese Geschenke jubelnd auspackte, würden in zerknittertem Weihnachtspapier ersticken und danach alle zusammen einen riesigen Truthahn niedermachen.

    Als Sam und ich eintrafen, waren O`Neill und Teal’c bereits mit dem Baumaufstellen beschäftigt. Das hieß, Teal’c stellte auf, O`Neill koordinierte. Wir Frauen fingen an, den Baum zu schmücken, Daniel „opferte“ sich für den Punsch und stand fluchend in der Küche, aus der es etwas merkwürdig roch und Cassie musste wohl noch einmal mit Billy raus gegangen sein, jedenfalls fehlten sie, als wir ankamen. Dies war ein Umstand, der uns allen durchaus gefiel, denn so würden wir Cassie mit dem fertiggeschmückten Baum überraschen können.

    Als wir mit allem soweit waren, saßen wir wie auf Kohlen und zählten die Minuten.
    Cassie, nun komm endlich, der Baum ist geschmückt und wunderschön!

    Draußen wurde es langsam dämmrig.

    Sam und ich begannen unruhig zu werden. Nie blieb sie so lange fort. Nie ging sie, wenn sie alleine unterwegs war, auch nur weiter als bis in den Park gleich schräg gegenüber der Straße.
    War es ein Risiko gewesen, sie schon so schnell selbständig werden zu lassen? Hatte ich meine Verantwortung zu lax wahrgenommen?
    Was konnte einem Kind, das alleine unterwegs war, alles passieren, auch mit einem Hund.

    Und es wurde dunkel.

    Aber dann endlich, der Schlüssel in der Tür, – Cassie! Wir strahlten ihr erwartungsvoll entgegen. Die Tür öffnete sich und Cassie stand auf der Schwelle mit tränenverquollenen Augen, rotgeschwollener Nase, aufgelöst schluchzend.

    „Billy ist weg!“

    „Waas?“

    Cassie stürzte herein, warf sich zitternd in meine Arme und weinte und weinte. Sie heulte irgendetwas, das keiner verstand, in meinen Pullover, während ich sie fest umfangen hielt und hilflos zu beruhigen suchte.

    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, ihrer verzweifelten Seele die Einzelheiten der Katastrophe zu entlocken.
    Sie und Billy waren ihre übliche Runde durch den Park gelaufen, fast bis hin zu dem angrenzenden Wald, als plötzlich - Cassie war schon fast auf dem Heimweg, vor ihnen ein Kaninchen aufsprang und in wilder Flucht davon stob. Und Billy, verflucht sei seine verdammte Jägerseele, Billy war nicht mehr zu halten. Billy stürzte hinterher, gefolgt von einer brüllenden Cassie. Doch so schnell sie auch rannte, das Kaninchen und Billy waren schneller und augenblicklich verschwunden.
    Nichts half, alles Rufen nicht und Pfeifen nicht, nicht das Verfolgen der Spuren im matschigen Schnee, kein Weinen, Flehen und wildes Betteln.
    Billy war weg und blieb weg.
    Völlig verzweifelt hatte sich Cassie irgendwann auf den Heimweg gemacht, heulend und voller Selbstvorwürfe.

    Wir ließen den Baum stehen, die warme Stube, den Heiligen Abend. In alle Himmelsrichtungen machten wir uns auf, Billy zu suchen. Es war dunkel, es war kalt und die Straßen völlig ausgestorben. Straßen – gar nicht daran zu denken wenn Billy in seiner kopflosen Hetzjagd eine von ihnen überquert hatte.

    O`Neill, immer noch gehandicapt durch sein Bein, begann die umliegenden Straßen abzufahren, im Scheinwerferlicht suchend, immer auf das Schlimmste gefasst, ängstlich nach einem reglosen Körper Ausschau haltend, nach einer dunklen unförmige Masse im Schnee.

    Ich weiß nicht, wie lange wir gesucht haben. Es war schon spät und eklig nasskalt.
    Nirgends auch nur eine Spur von Billy.
    Irgendwann musste jeder von uns einsehen, dass die Suche nutzlos war.
    Billy war fort.

    Hoffnungslos kam ich wieder am Haus an, O`Neill fuhr ebenfalls gerade auf die Ausfahrt. Müde sahen wir uns an und schüttelten beide resigniert die Köpfe. Nein, es gab wohl nichts mehr, das wir hier draußen tun konnten. Er kletterte in sein Auto zurück.

    „Ich gehe die Anderen suchen und hole sie zurück.“

    Ja dachte ich, es ist wohl besser so. Wir würden noch die umliegenden Tierheime und Polizeistationen anrufen, aber ganz ehrlich - ich machte mir keine große Hoffnung.
    Wo war es hin unser schönes Weihnachtsfest, auf das wir uns alle so sehr gefreut hatten?
    Wo die Hochstimmung, der Kerzenschein und die glücklichen Kinderaugen?
    Mir war kalt und ich wurde müde, die hässliche Feuchtigkeit kroch durch Mantel und Stiefel. Aber irgendwie traute ich mich noch nicht ins Haus zurück. Nicht zu Cassie, um ihr zu sagen.....

    Aber ich musste doch froh sein.
    Ich hatte Billy nie gemocht. Er war unerziehbar, lästig, stinkend. Er hatte meine liebsten Sachen zerstört und mir das Leben zur Hölle gemacht. Er war ein sabbernder, haarender Störenfried, der alle Schuhe mit feuchten Bissspuren verzierte und - er war das Liebste, was meine Tochter besaß.

    Ja, meine Tochter! Ich schloss meine Augen, die ganze Liebe spürend, die ich für Cassie empfand, den ganzen schmerzvollen Kummer nachempfindend, den der Verlust Billys für sie bedeutete. Meine Tochter - so fühlte ich für Cassie.

    Ein leises entferntes Geräusch klang an mein Ohr.
    Oh nein, es war nichts Besonderes, es war immer da, gehörte dazu - war vertraut. So vertraut, dass ich es meistens ignorierte und nur noch selten wahrnahm. Nur das Rauschen eines kleinen, schnellfließenden Gebirgsbaches, der ca. fünfhundert Meter hinter den Häusern vorbeischoss und sich zu der Parkanlage hinunter ergoss.
    Irgendwie erstaunte es mich, dass er noch nicht zugefroren war. Aber er floss wohl zu schnell. Klar und rein schoss er aus den Bergen herab, weiter oben, außerhalb der Stadtgrenze, dort wo er ruhiger und tiefer war steckte er voller Fische. Ich wandte mich zum Haus und erinnerte mich traurig daran, dass Cassie und O`Neill im Herbst dort draußen gemeinsam geangelt hatten - zusammen mit Billy.

    Schlagartig durchfuhr mich eine Erkenntnis. Unmöglich, oder doch?
    Sollte Billy - Billy der Hasenfuß?
    Ich rannte los. Ich rutschte im Schnee. Es war dunkel, nur die Weihnachtslichterketten an den Häusern gaben etwas Licht. Die kalte Luft stach in den Lungen.
    Es war nur ein Strohhalm, eine fixe Idee, ein wirrer Gedanke. Ich würde enttäuscht werden und noch mehr verzweifeln...

    Das Rauschen wurde lauter. Ich erreichte das Flüsschen. Ich stolperte in der Dunkelheit zu der schmalen Fußgängerholzbrücke, unter der das Wasser schäumend über zwei Kaskaden hinwegschoss und erinnerte mich ganz deutlich.
    Billy, wie er im Herbst am anderen Ende dieser Brücke gestanden hatte, die Pfoten in den Sand gerammt, das Fell am ganzen Körper gesträubt. Billy hatte Angst vor diesem Rauschen. Billy, der freche Billy betrat niemals diese Brücke. Jedes Mal hockte sich der Angsthase mit eingezogenen Ohren und abgeklemmten Schwanz auf den Weg, am ganzen Leibe bebend und zitternd und war durch nichts auf der Welt zu überreden auch nur einen Schritt weiter zu tun.
    Nein, getragen musste er werden, der feine Herr, klappernd und jaulend und ganz fest an den Oberkörper von Cassie gedrückt. Aber kaum war das grauenvolle Ungeheuer besiegt, der tosende Schlund überwunden, erstand Billy zu neuem frechen Selbstbewusstsein, tobte umher und machte Blödsinn, als wenn nichts gewesen wäre.

    Sollte Billy hier etwa...? Eigentlich war diese Annahme völlig unmöglich, denn wie hätte er über den Fluss kommen sollen?
    Aber ich war verzweifelt. Es schien einfach der letzte noch mögliche Weg, der letzte Versuch, eine letzte unscheinbare Hoffnung.

    Und das unfassbare Wunder geschah.
    Mir klopfte das Herz bis hoch zum Hals, doch dort der dunkle Fleck, dieses zitternde Häufchen Elend, das war kein Stein, kein Busch, nicht irgendwas... Billy hockte dort, kaum drei Meter vor der angsteinflößenden Brücke entfernt, pudelnass und am ganzen Leibe schlotternd.
    Vorbei mit der großen Klappe, vorbei mit all der Frechheit, nur noch ein triefendes grundunglückliches Fellbündel voller Heimweh Aug in Aug mit seiner schlimmsten Konkurrentin und Widersacherin – mich.
    Ich aber konnte mich nicht erinnern, wann ich jemals im Leben so glücklich war, so befreit, so selig. Jaulend kam er auf mich zugekrochen, auf Janet die Hundehasserin.

    Und ich zog das triefende zitternde Etwas an meine Brust, wickelte es in meinen Mantel, trug es sicher über die Brücke und setzte es auch nicht wieder ab als wir sie überwunden hatten. Glück und grenzenlose Erleichterung beflügelten mich, ließen mich erneut laufen, oh was war ich selig!
    Wer hätte das gedacht? Wenn mir noch vor einem Jahr jemand geweissagt hätte, das ich eines Tages überglücklich einen stinkenden Hund in mein Haus tragen würde...

    Ich schloss die Tür auf und da saßen sie alle mit ihren traurigen ernsten Gesichtern, Cassies in Sams Armen vergraben und auch das sanfte Leuchten des Baumes konnte den Schmerz nicht lindern.
    Billy aber, dieser elende Ignorant, sprang von meinem Arm, wedelte mit dem Schwanz und drehte sich verzückt im Kreis, jaulte, - dieses Mal vor Freude - und besudelte Teppich und Möbel mit seinen dreckstarrenden Hundetapsen. Er schüttelte sein nasses Fell, alles mit dunklen Tropfen sprenkelnd und sprang abwechselnd an Cassie und den anderen hoch, leckte erreichbare Hände, drängelte sich an die Beine und tobte durchs ganze Zimmer, sich vor Übermut gar nicht mehr einbekommend und fast unseren wunderschönen Baum zu Falle bringend.
    Niemals werde ich Cassies Freude vergessen, ihr Strahlen und wie sie überglücklich auf der Erde sah und Billy gar nicht mehr losließ, ihn umklammerte und an sich drückte, bis dieser sich protestierend freirappelte.

    Somit gelang es uns doch noch einen schönen Heiligabend zu zaubern.
    Wir stopften uns mit Sandwichs voll, erschöpft und hungrig von der Suche und erlaubten Cassie ein einziges Geschenk, das sie mit vor Aufregung rotglühenden Wangen öffnen durfte. Nein, all die Anderen, welche in meinem Kleiderschrank versteckt warteten und fast das Türschloss sprengten, würde Santa erst Mitternacht unter den Weihnachtsbaum legen.
    Wir stellten Milch und Keks für ihn und seine Rentiere auf, die natürlich prompt der Hund fand und augenblicklich vernichtete, tranken uns einen kleinen Schwips mit Daniels doch noch gelungenem Punsch an und wir grinsten einheitlich über den Verräter Billy, der uns wegen eines dummen Kaninchens fast um Weihnachten gebracht hätte und der jetzt ganz unschuldig unter dem Baum schlief, mit den Hinterpfoten zuckend und quietschend, von seiner Jagd träumend und seine heimlich vom Baum gestohlenen Glitzerkugeln um sich gehortet.

    Dann wurde es Zeit, um ins Bett zu gehen und das Wohnzimmer Santa Claus für seine wunderbare Arbeit zu überlassen.
    Die Männer sollten sich das Gästezimmer und die Couch irgendwie teilen, Sam würde bei mir im Schlafzimmer Quartier finden.
    Für einen Moment saßen wir noch beieinander und warteten, dass Cassie im Badezimmer fertig wurde, ließen alles ganz langsam ausklingen.
    Und dann kam sie noch einmal im Schlafanzug und natürlich mit Billy im Schlepptau ins Wohnzimmer zurück, blieb etwas unschlüssig und mit einem leisen „Gute Nacht“ auf den Lippen im Türrahmen stehen, zögerte und stürzte dann urplötzlich in meine Arme. Verblüfft fing ich sie auf und drückte sie an mich. Cassie schlang ihre Arme um mich und flüsterte an meiner Brust: “Danke, Mum.“
    Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich klammerte sie für einen Augenblick ganz fest an mich und küsste sie dann auf die Wange:
    „Ich habe dich so lieb, Cass.“

    „Ich Dich auch.“

    Schwupp war sie weg und ließ mich mit meinen Tränen und meinem übervollem Herzen zurück. Kapitulation auf ganzer Linie.
    Ich sah etwas verlegen zu den anderen, sah wie sie lächelten und Sam kam zu mir und nahm mich fest in den Arm. Oh ja, es tut gut solche Freunde zu haben.
    Auch große Freuden sind Momente, die man nicht ganz allein erleben will... nur geteilt mit seinen Freunden werden sie zu etwas Einzigartigem, prägen sie sich ewig ins Herz.
    Und sie teilten sie mit mir. Sie verstanden meine Emotionen, ich sah das warme Lächeln in ihren Augen.
    Was für ein Weihnachtsgeschenk. Ich würde dieses Weihnachten niemals vergessen. Das erste Weihnachten für Cassie. Und das erste Mal, dass sie mich Mum nannte.


    Airman, Sie schlafen ja immer noch nicht. Oh nein, Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Alles okay mit mir, wirklich. Nein ich weine nur weil...
    Entschuldigen Sie, ich schreibe hier etwas für mich und meine Tochter, oder sagen wir einfach über meine Tochter. Bei den Erinnerungen daran werde ich immer etwas rührselig... geht schon wieder. Nein schon gut, ich habe ein Taschentuch, danke Airman.
    Möchten Sie ein Bild von meiner Tochter sehen? Sie ist jetzt dreizehn. Hübsch, nicht wahr? Ihr Name ist Cassie, eigentlich Cassandra aber wir nennen sie Cassie....
    Das Bild hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.
    Ja, die Zeit vergeht, sie wachsen so schnell. Mittlerweile ist sie alt genug, dass ich ab und zu auch schon mal wieder eine Nachtschicht einlegen kann, so wie heute.

    Oh, ich habe ja gar nicht gesehen wie spät es schon ist. Die Zeit vergeht... ich muss meine Runde machen.

    So, jetzt schlafen Sie aber endlich, Airman, damit Sie ganz schnell wieder gesund werden. Wenn ich zurück bin, möchte ich keinen Grund zur Klage mehr haben, sonst bekommen Sie doch noch einen Schlaftrunk. Ich habe nämlich keine Lust, wegen Ihnen Weihnachten Dienst zu schieben. Ich will Heiligabend mit meiner Tochter verbringen, mit meinen Freunden und mit Billy - mit meiner Familie.

    Was, wer Billy ist? Das ist eine lange Geschichte.... Nein Airman, nicht mein Freund...oder irgendwie doch...etwas anders als Sie denken....Familie eben...und die, ist auch etwas anders als Sie denken....

    Gute Nacht, Airman. Schlafen Sie gut.


    Ende



    Da war doch noch was...ach ja die Anmerkung:


    So und bevor hier große Fragen nach irgendwelchen persönlichen Erfahrungswerten entstehen – ich gehöre zu der Fraktion der Menschen, die ohne haarige Begleitung nicht leben können. Aber mein Vater ist ein aktiver Hundehasser. Er kann nicht begründen warum, aber jeder Hund merkt seine Angst und bellt ihn an, oder schnappt nach ihm. Sie wechseln sogar die Straßenseite, wenn sie ihn von Weitem sehen, nur um ihn anzuknurren. Nichtdestotrotz hatten wir, auch als Kinder, immer einen Hund. Einen Hund, den mein Vater hingebungsvoll hasste und der wiederum meinen Vater abgöttisch liebte. Auch mein Hund weicht bei den Besuchen meiner Eltern nie von der Seite meines –‚Hau ab, du elende Töle!’ - protestierenden Vaters - grins.

    Aber der eigentliche Grund für die FF war die stille Wut darüber, von den Machern immer wieder so unzufrieden zurückgelassen zu werden. Da wird ein neuer Charakter wie z.B. Cassie eingeführt und einfach mit einem Vieh im Arm und der lapidaren Feststellung „vorübergehend nimmt Janet sie“ zurückgelassen. Keinen interessieren mehr mögliche Folgen und Konsequenzen, sowohl was den Status von Cassie betrifft, wie auch den von Janet. Ich weiß, das ist so in einer Serie, ich weiß Regisseure machen es sich einfach, ich weiß das würde die Maße sprengen und Cassie ist nicht die Einzigste, die so behandelt wurde. Trotzdem dachte ich, man sollte ihr Schicksal etwas hinterfragen und auch ihre mögliche weitere Beziehung zu dem Team, denn wer bei „Das Übergangsritual“ nicht nur auf Janet geachtet hat, sonder auch auf Sam und vor allem auf die Gestik und Mimik von Jack O`Neill, der weiß, welches enge Verhältnis dieses Kind zu allen zu haben scheint.

    Deswegen diese FF und für den Satz: jedes Kind auf diesem Planeten sollte einen Hund haben... oder eine Katze, ein Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, oder wegen meiner auch einen Wellensittich – einen treuen Freund, der kritiklos zuhört und uns den Eindruck vermittelt, forderungslos zu lieben.

    Noch ein kleiner Tipp für alle weihnachtsbaumkugelstehlenden Katzen und Hunde: Sagt euren zweibeinigen Büchsenöffnern, sie sollen Plastkugeln verwenden, die sind genauso schön, wie die aus Glas und man kann die unterste Reihe auch sehr gut mit einer heißen Klebepistole festkleben (davon abgesehen sieht das auch viel schöner aus, weil man die Kugel auf den Ästen befestigen kann, oder auch in ihrem Inneren – versucht es mal), wer will schon gern am Heiligabend zum Tiernotarzt fahren?


    © 2006 sethos

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Ich finde die Hintergrundgeschichte, die du hier Cassie gegeben hast, einfach klasse. Und du hast den Hund mit eingearbeitet - oder sollte ich sagen, zum zentralen Thema gemacht? - den Jack dem Mädchen in einer Folge schenkt.

    Es ist ganz klasse zu lesen, was du daraus gemacht hast, was sich alles aus der spontanten Geste entwickelt hat - und auch welche Verwicklungen und Unannehmlichkeiten. Wie typisch, dass Jack da im Vorfeld natürlich nicht dran gedacht hat. :lol.

  4. #3
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Hi Sethos,

    das so eine richtige Wohlfühl-Geschichte.

    Sie beleuchtet, wie Du selbst schon geschrieben hast, die Figuren, die es auch verdient haben, aber leider immer zu kurz kommen.

    Auch die Art und Weise, wie Du sie erzählst - Janet setzt sich zu einem kranken Airman ans Bett, und nutzt die Zeit, um Aufzeichungen für Cassie zu machen - finde ich sehr gelungen.

    Wenn ich mir jetzt vorstelle, wie Cassie diese Aufzeichnungen später mal gelesen hat, wird mir ganz anders *schnüff*.

    LG Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  5. #4
    Captain Avatar von Maxi
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    Hey fand ich sehr gelungen deine Geschichte, sehr emotional und wirklich gut geschrieben ... die Geschichte für Cassie passt echt super und jetzt wissen wir auch endlich alle was aus ihr so geworden ist und ... naja einfach schön , ich mag Hunde übrigens sehr ...

    LG Maxi
    Ohne Kampf und Krieg gäbe es keinen Frieden,
    denn ohne Krieg wüsste man gar nicht was Frieden ist !

    John Sheppard is the BEST !!!

    Der größte Preis den man im Leben zahlen muss ist der Tod!....

  6. #5
    Chief Master Sergeant Avatar von Ayiana
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    Hallo Sethos!

    Auf der Suche nach Weihnachts-FFs hier im Forum, bin ich gestern Abend über diese Geschichte gestolpert und war sofort gefesselt.

    Ich hab erst kürzlich damit begonnen, mir wieder mal alle SG-1 Folgen auf DVD anzusehen und hab es dabei sehr bedauert, dass Cassie in der Serie kaum noch vorgekommen ist.

    Umso mehr freu ich mich über deine Geschichte, die wunderbar erklärt, wie sich das Mädchen eingelebt hat und welche Probleme aufgetaucht sind bei ihrer langsamen Anpassung an die neue Umgebung.

    Du hast die Gefühle aller Beteiligten wirklich sehr gut beschrieben und als Tierfreund hab ich mich natürlich auch über die Erwähnung von Billy gefreut. Kann mir den kleinen Hund (oder "die Katastrophe auf 4 Beinen", wenn es nach Fraiser geht) bildlich vorstellen, einfach putzig. Freut mich, dass Cassie in ihm einen Freund gefunden hat, dem sie alles erzählen kann. Hilft ihr bestimmt bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse.

    Schön, dass das Team seine Freizeit miteinander und mit Cassie verbringt. Solche Szenen haben wir in der Serie leider kaum zu sehen bekommen.

    Die Idee, dass Fraiser ihre Erlebnisse einem Airman am Krankenbett erzählt, fand ich wirklich originell.
    Auch die Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest waren sehr stimmungsvoll. Ich liebe Weihnachten, auch wenn ich den (Einkaufs-)Trubel als sehr nervig empfinde. Verdirbt einem irgendwie die Freude auf dieses eigentlich besinnliche Familienfest.

    Ich hoffe auf weitere unterhaltsame Geschichten und wünsche ein schönes Wochenende.

    Lg SG-1
    ~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~


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