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Thema: [SG-1] Der Vorleser

  1. #1
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard [SG-1] Der Vorleser

    Autor: Antares
    Inhalt: Sandstürme, Hieroglyphen und Erotik – Daniel liest aus seinen Tagebüchern
    Rating: zu Beginn PG - aber ich denke, gegen Ende weitaus höher.
    Pairing(s): zu Beginn Daniel/Sha’re im Rückblick
    (später wohl auch Jack/Daniel)
    Staffel: 7
    Anmerkungen : 1. Besten Dank für das Beta an Manuela
    2. Der Titel bezieht sich nicht auf Bernard Schlinks Roman „Der Vorleser“, sondern ist viel eher als das männliche Pendant zu Raymond Jeans 1986 erschienenem Roman „Die Vorleserin“ (La Lectrice) zu verstehen.
    Disclaimer: Alle Stargate SG-1 Charaktere sind Eigentum von Stargate SG-1 Productions (II) Inc., MGM Worldwide Television Productions Inc., Double Secret Productions; Showtime Networks Inc. Und Gekko Film Corp.

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    Hätte man Jack in einer dieser Umfragen – und man konnte ja wirklich in jedem Käseblättchen ergründen, ob man besser ein blaues oder ein grünes Auto kaufte, eher der romantische oder der realistische Typ war – gefragt, ob er ein Leser sei, so hätte er ohne jeden Zweifel „Ja“ gesagt. Hätte er dann noch die Box „häufig – selten – nie“ auswählen sollen, so wäre er wohl in Schwierigkeiten geraten. Denn wenn man sich mit Daniel Jackson verglich, wer konnte da wirklich ruhigen Gewissens „häufig“ ankreuzen?

    Was verstanden die überhaupt unter häufig? Er las jeden Tag, das sollte wohl qualifizieren. Er las regelmäßig das MAD-Magazin und jeden Tag, den er auf der Erde verbrachte, die Tageszeitung. Wenngleich das Kreuzworträtsel darin manchmal soviel Zeit in Anspruch nahm, dass für den Kulturteil nicht mehr als ein flüchtiger Blick blieb. Er las Anglermagazine, Motorrad-Revuen, den obligatorischen Playboy dann und wann. Er las die Fernsehzeitung, um zu sehen, ob es einen der Beststeller, die er als Buch verpasst hatte, jetzt in der anderthalb Stunden Fassung mit schönen bunten Bildern gab. Und er las Missionsberichte, Einsatzpläne, Budgetaufstellungen, Mitarbeiterbeurteilungen...

    Für die ganz entspannten, privaten Stunden, gab es auf seinem Nachtschränkchen noch einen Leckerbissen: „Die berühmtesten englischen Flieger des Ersten Weltkriegs“. Wie ein Schokoladen-Betthupferl – nur viel gesünder nach dem Zähneputzen – führte Jack sich kurz vor dem Einschlafen die alten Haudegen und eiskalten Taktierer häppchenweise zu Gemüte. Er ließ sich ihr Leben auf der Zunge zergehen und war abwechselnd froh, dass er nicht zu diesem Zeitpunkt in der Royal Air Force gedient hatte, denn das Durchschnittsalter, das die Kampfflieger erreichten war fürchterlich niedrig und betrübt, dass er niemals diese Aufbruchstimmung, dieses Gefühl, endlich der unumschränkte Herr der Lüfte zu sein, kennen gelernt hatte.

    Ja, für den imaginären Befrager, der seine Lesegewohnheiten und Vorlieben dann für seinen statistischen Jahresbericht in Zahlen, Tabellen und Kuchendiagramme verwandelt hätte, wäre er zweifellos in der Rubrik „regelmäßiger Leser“ gelandet.

    Niemals jedoch hätte sich Jack träumen lassen, dass er auch einmal die Frage: „Lassen Sie sich vorlesen?“ mit Ja beantwortet hätte. Vorlesen war etwas für Kinder, die noch nicht lesen konnten, die man so in Welten mitnehmen konnte, die sie alleine nicht ergründen konnten. Er hatte – viel zu selten – Charlie vorgelesen, hatte ihn als erster mit Indianern und Raumfahrern vertraut gemacht.

    Aber sich selbst vorlesen lassen? Jack hatte einen wenig erfolgreichen Vorstoß in die Welt der Hörbücher unternommen. Doch nach einem hochgelobten Krimi, bei dem er mehr als vier Mal eingeschlafen war, bevor er mitbekommen hatte, wer der hinterhältige Mörder war und nach einem Ausflug in die Welt der vorgelesenen Sachbücher, die ihn sogar tagsüber auf dem Weg zum SGC hatten lauthals gähnen lassen, war Jack zu der Erkenntnis gelang, dass er und Hörbücher nicht auf einer Wellenlänge lagen. Was natürlich ein Trugschluss war. Weniger das Medium als vielmehr die unkluge Auswahl der Lektüre hatte ihn zu dieser voreiligen Entscheidung getrieben.

    Hätte er weniger auf die Beststellerlisten geschielt und sich mehr von seinen niederen Instinkten treiben lassen, wäre ihm bestimmt das Cover mit der nackten Frau und dem Buch aufgefallen - „Die Vorleserin“. Die Zusammenfassung hätte ihm außerdem prickelnde Erotik versprochen und wer weiß, vielleicht hätte auch ihn die Magie in der Stimme der Vorleserin zum Zuhören gezwungen und ihn nicht zu vorzeitigem Einschlafen verleitet. Es wäre immerhin möglich gewesen.

    Aber Jack hatte nicht nach der nackten Frau mit dem Buch gegriffen. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass Jack, da er nicht literarisch vorgewarnt war, auch nicht mitbekam, dass seine Lesegewohnten eine drastische Wende vollziehen sollten. Ausgerechnet als er – auf der Suche nach ein wenig Ablenkung – an einem regnerischen Mittwochnachmittag, Daniel in seiner Wohnung einen Besuch abstattete.

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    „Hey, Daniel. Störe ich?“ Mit einem breiten Grinsen schob sich Jack an Daniel vorbei, der immer noch die Tür halb-offen hielt, in dessen Wohnung.
    „Ich würde ja sagen: ‚Komm rein’ – aber das hat sich wohl erübrigt“, stellte Daniel kopfschüttelnd fest und schloss hinter Jack die Tür.
    „Was machst du gerade?“ Jack drehte sich von dort, wo er auf Daniels Schreibtisch ein paar Manuskripte befingerte, zu Daniel um, der jetzt neben ihn trat.
    „Bis vor einer Minute habe ich ein Buch über sumerische Keilschrift gelesen. In diesem Moment versuche ich dich daran zu hindern, ein sechshundert Jahre altes Manuskript – und handschriftlich ist hier wörtlich zu nehmen – mit Eselsohren zu verzieren.“
    Behutsam nahm Daniel Jack das vergilbte Papier aus der Hand und legte es auf einem kunstvoll gestapelten Turm mit Büchern ab, dessen Stabilität jeden Statiker erfreut hätte.

    Doch Jacks unruhige Hände hatten schon das nächste Ziel ausgemacht. Er ergriff eine in roten Stoff gebundene Kladde und schlug sie auf. Daniels Handschrift, aber auf ein Zehntel ihrer normalen Größe geschrumpft, ließ ihn die Augen zusammenkneifen und das Buch näher an sein Gesicht bringen.
    „Ist das …“, er zögerte, versuchte noch einmal mit viel Anstrengung die ersten Zeilen zu entziffern, „… dein Tagebuch von der ersten Abydos-Mission?“
    „Ja.“ Daniel schloss und öffnete seine Hände und schien unentschlossen, ob er ihm das Buch wegnehmen sollte oder nicht.
    „Man kann es kaum lesen“, beschwerte sich Jack. Seine Nase berührte inzwischen fast die Seiten.
    „Ich wusste nicht, wie lange ich mit dem Papier auskommen musste. Deshalb habe ich es so effektiv wie möglich genutzt.“
    „Ich verstehe. Kannst du es noch entziffern?“
    „Wenn nicht, nehme ich eine Lupe zur Hilfe.“ Daniel zeigte auf eines der Vergrößerungsgläser, wie sie auch im SGC verwendet wurden.

    Jack gab es auf, etwas entziffern zu wollen, schloss das Tagebuch und räusperte sich. „Versuchst du so … die letzten Erinnerungslücken zu stopfen?“, erkundigte er sich, und wusste nicht, ob die Frage zu persönlich war. Schließlich sprach Daniel nicht besonders gerne über das eine Jahr auf einer höheren Ebene, das ihm auch die Erinnerung an alles, was davor gewesen war, geraubt hatte. Der allergrößte Teil war zwar in den ersten Tagen zurückgekommen, aber Jack konnte sich vorstellen, dass es auch jetzt, nach Wochen, immer noch Ereignisse gab, bei denen Daniel unsicher war, wie weit er seinem Gedächtnis trauen konnte.

    „Das auch. Aber ich scheine nicht mehr vergessen zu haben, als jeder … eh … normale Mensch auch. Du weißt schon, diese typischen Streitpunkte, war Tante Bertha auf dem siebzigsten Geburtstag oder nicht.“
    „Nicht, dass er wie Tante Bertha aussieht, aber steht da auch was über Ska’ara drin?“ Jack klopfte mit einem Finger auf den Umschlag.
    „Natürlich. Willst du wissen, wie wir zum ersten Mal den Mirghan, eine Art großes Huhn gejagt haben?“
    „Kommst du … sehr schlecht weg?“ Jack streckte Daniel das Buch hin.
    Der nahm es, zuckte mit den Schultern, schenkte Jack ein unentschiedenes Lächeln und bedeutete, ihm zum Sofa zu folgen.

    In der nächsten halben Stunde lernte Jack, dass Daniel nicht gerade eine Bereicherung dieses Jagdausflugs gewesen war. Er hatte viel zu viele Fragen gestellt und am Ende war es nur dem puren Glück der Männer und der Dusseligkeit des Vogels zu verdanken, dass es doch noch gebratenen Mirghan am Spieß zum Abendessen gegeben hatte.

    „Noch immer genoss ich einen besonderen Status innerhalb der Gemeinschaft und daran hatte auch mein wenig rühmlicher Beitrag zu den Ereignissen am Nachmittag nichts geändert. Sha’re reichte mir, als erstem, einen knusprig gebratenen Flügel. Ich sprach ihre Sprache inzwischen gut genug, so dass ich halbwegs passabel die Danksagung für die gelungen Jagd herausbrachte. Man nickte mir wohlwollend zu und ich schnitt das Stück Fleisch auf meinem Teller an. Wunderschön konnte man die hohlen Knochen erkennen und ich erklärte meinen verdutzten Zuhörern, warum die Vögel fliegen konnten und die Menschen nicht und was das mit dem Aufbau des Knochens zu tun hatte. „Aber der Mirghan kann nicht fliegen“, wandte Ska’ara ein, nachdem ich meinen kleinen Vortrag beendet hatte. Natürlich nicht. Auch Pinguine können nicht fliegen – aber ich sah mich außerstande, ihnen in diesem Moment von einem Vogel, der kein Vogel war und in ewigem Eis lebte, zu berichten. So erklärte ich ihnen, mithilfe der Evolutionstheorie in Kurzfassung, warum es Vögel gab, die nicht mehr fliegen konnten. Sha’re beugte sich zu mir herüber und versuchte mein Fleisch zu stehlen – was mich dann endlich dazu brachte, den Flügel auch zu essen und nicht länger über ihn zu dozieren.“

    Jack, der zu Beginn noch krampfhaft versucht hatte, sein Lachen hinter einer vorgehaltenen Hand zu verbergen, weil er Angst hatte Daniel würde es als Auslachen auffassen, hatte den Kampf inzwischen aufgegeben und hielt sich den Bauch. Er konnte so gut mit Sha’re mitfühlen, kannte er doch ähnliche Begeisterungsstürme Daniels über ein Thema aus einigen Besprechungen.
    Daniel verübelte es ihm nicht, nein, konnte sogar mit ihm lachen. Der Abstand zu den Ereignissen war inzwischen groß genug und schon damals hatte er beim Niederschreiben die unfreiwillige Komik des Ganzen gesehen. Jetzt, durch das laute Vorlesen für ein Publikum, wuchs die Distanz noch ein wenig mehr.
    Natürlich war er das, aber gleichzeitig war es auch ein Mann, der Daniel Jackson hieß, und dem es weit schwerer als angenommen fiel, die Errungenschaften der Zivilisation abzuschütteln und in das Leben einzutauchen, das er bisher nur aus Büchern gekannt hatte. Dieser Daniel Jackson beging viele Fehler, die der heutige Daniel nicht mehr begehen würde, wusste viele Dinge nicht, die der heutige Vorleser besser wusste.

    Jener Daniel hatte aber auch Eigenschaften, die der heutige Daniel nur noch in abgeschwächter Form besaß. Noch immer war da der Optimismus – aber er war nicht mehr so grenzenlos, nicht mehr so naiv, wie noch auf Abydos. Immer noch verspürte er denselben Hunger nach Wissen, aber oft genug wurde er jetzt unter Reglements, was er wann und wie schnell zu erledigen hatte, gedämpft und in Bahnen kanalisiert. Der überschwängliche Wissenseifer des jüngeren Daniel hatte sich noch in Exzessen Bahn gebrochen, die heute, im Rahmen des SGC, einfach nicht mehr möglich waren. Auf Abydos hatte ihn manchmal nur Sha’res Sturheit wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt.

    Daniel las Jack noch die Eintragung mit der mehr als handtellergroßen Spinne vor, die ihm ein, wie er versicherte, nur leises Quieken entlockt hatte, als sie versuchte sich von der Decke auf sein Kopfkissen abzuseilen. Und wieder prallten zwei Welten aufeinander, denn als er versuchte, dem Monster mit einem hastig ergriffenen Kochtopfdeckel den Garaus zu machen, hatte Sha’re das Viech schon an einem Bein gepackt und ihm mit einem raschen Griff seinen Hals – oder was auch immer Spinnen in den sicheren Tod beförderte – umgedreht. Dieses Kapitel endete mit der sehr gewöhnungsbedürftigen Beschreibung wie Daniel die Spinne am Abend wieder gesehen hatte – als Fleischbeilage in seiner Suppe.

    Jack hätte niemals gedacht, dass er eine Stunde still auf dem Sofa sitzen und Daniel beim Lesen zuhören könnte. Aber es tat ihm fast Leid, als Daniel das Buch zuklappte und meinte: „Ich brauche jetzt erst einmal etwas zu trinken.“


    TBC....

  2. Danke sagten:


  3. #2
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Hallo Antares,

    etwas Neues von Dir. Ich bin begeistert. Über den Stil brauche ich nichts zu sagen, der ist wie immer genial.

    Und wie du die beiden beschreibst, sehe ich sie glatt vor mir sitzen... Vorlesen kann so etwas Schönes sein (ich bin da Nichten und Neffen erprobt!), aber es ist ja schon etwas anderes, seine eigenen Erinnerungen jemandem vorzulesen...

    Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, was du da alles noch daraus machen wirst, und ich habe da so meine Vermutungen

    Einen schönen Abend noch aus dem verschneiten Ruhrgebiet sendet

    Valdan
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  4. #3
    First Lieutenant Avatar von Creech
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    hat sich gut gelesen und war eine Tolle abwechslung zwischen dem ganzen Technischen Gebrabbel den ich mir momentan durchlesen muss...

    das ganze jetzt noch vorgelesen und es wäre 100%
    The very young do not always do as they're told.

    Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, daß er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.

    Curt Goetz, 17.11.1888 - 12.09.1960
    dt. Schriftsteller und Schauspieler
    Spoiler 
    meine Drabbels

    Short story
    Spoiler 
    Stand meiner Story (Heros in life)
    Spoiler 
    Titel: Heros in life

    Chapter 1: Vanished
    Chapter 2: Two suns
    Chapter 3: Hero
    Chapter 4: Scarecrow
    Chapter 5: Search, destroy and die
    Chapter 6: Revelation
    Chapter 7: Godsend
    Chapter 8: Friends
    Chapter 9: Transformation
    Chapter 10: At first light
    Chapter 11: Sanctuary
    Chapter 12: Downfall
    Chapter 13: Rise in work
    total completion 30%%


  5. #4

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    Das war sehr schön.

    Mir hat es sehr gut gefallen, wie du den Vergleich zwischen den jungen, übereifrigen und den reiferen, realistischen Daniel beschrieben hat.

    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
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  6. #5
    Zitronenfalter Avatar von Sinaida
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    Das gefällt mir gut. Das ganze Szenario - Daniel liest Jack aus seinem Tagebuch vor - hat etwas sehr Intimes, Harmonisches. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass das noch richtig prickelnd wird.
    Der Tagebucheintrag hat mir auch gut gefallen. Andere Planeten - andere Sitten. *g* Auch wie Daniel sich selbst - diesen Daniel in dem Eintrag - mit einer gewissen Distanz betrachtet, passt sehr gut.

  7. #6
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @Terraner: vielen Dank!

    @Valdan: Ich denke, dass Jack zu Beginn schon eine Abwehrhaltung gegen Vorlesen hat, weil das sicher nicht in das Bild passt, das er von sich hat - - allenfalls, vielleicht wenn er krank ist und das Buch nicht selber halten kann.
    Freut mich, dass dir mein Stil gefällt!

    @Creech: Das Ganze noch vorgelesen - das ist dann ja schon fast "doppelt gemoppelt" Danke!

    @Aisling: Ich denke, dass sich Daniel in sechs Jahren doch sehr verändert hat - und auch verändern musste, wenn er in so einem Team arbeitet. Freut mich, dass dir der Anfang gefällt.

    @Sinaida: Forschungseifer hin und her - ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieses Jahr auf Abydos für Daneil das reine Zuckerschlecken gewesen sein kann, dafür ist der heutige Mensch wahrscheinlich doch schon zu sehr auf die Annehmlichkeiten der Technik etc. geprägt.

    Euch allen Danke für die netten Anmerkungen!

  8. #7
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard Der Vorleser, Teil 2

    Hier jetzt der 2. Teil.
    Pairing: Daniel/Sha're Rating: PG-12
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    Es sollte noch ein paar Wochen dauern, ehe das Vorlesen sie beide immer mehr in seinen Bann zog. Zwei Missionen, die länger dauerten als geplant, eine Lebensmittelvergiftung auf einem Planeten, die Jack fast drei Tage auf der Krankenstation einbrachte und ein überraschender Besuch von Senatoren aus Washington waren nur die herausragendsten Ereignisse, die ein rasches Weiterlesen verhinderten. Manchmal waren sie auch einfach so erschöpft, geistig wie körperlich, dass sie nur noch ins Bett fallen wollten. Dann wieder ließ eine Woche auf engstem Raum, das dringende Bedürfnis nach ein wenig Privatsphäre ganz übermächtig werden. Einfach mal ein Wochenende nur das tun, was man wollte, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen, war kein Zeichen von Eigenbrötlerei, sondern der nötige Abstand, den die vier von Zeit zu Zeit von einander brauchten.

    So verging fast ein Monat, ehe Jack wieder auf das rote Büchlein zurückkam und Daniel ihm weitere – nach ihrem Unterhaltungswert ausgewählte – Eintragungen vorlas.

    „Heute haben mich Ska’ara und einige der anderen jungen Männern mitgenommen, um auf dem Mastadge zu reiten, das hier die Funktion eines Lastentieres, eines Fortbewegungsmittels, eines Erntehelfers und hunderterlei Dinge mehr erfüllt. Ich habe an ihrer gespannten Erwartungshaltung gesehen, dass sie wohl annahmen, ich würde mich genauso ungeschickt wie beim Jagen anstellen. Nicht, dass sie … gemein oder bösartig wären, aber es macht ihnen einfach Spaß mich dann und wann auflaufen zu lassen, dem Fremden deutlich zu machen, was er alles nicht kann. Mich zu beobachten muss für sie wie diese „Verstehen Sie Spaß?“ Sendungen sein.
    Mir war zu Beginn auch recht mulmig zu Mute, denn die Viecher sind groß, riechen sehr streng, sind faul und versuchen ständig an einem zu lecken, weil sie das Salz der Haut als einen Leckerbissen betrachten. Natürlich gab es keinen Sattel und gespannt standen alle um mich herum, gaben mir gute Ratschläge und frotzelten, ich solle nicht sofort wieder absteigen, und schon mal gar nicht mit dem Kopf zuerst.
    Für eine Schrecksekunde dachte ich, dass genau das passieren würde, da das Tier nervös buckelte, weil es wohl meine Unsicherheit spürte. Aber dann erinnerte ich mich plötzlich an all die Ausritte, die ganzen Nachmittage, die ich als Kind auf dem Rücken von Kamelen und Dromedaren verbracht hatte. Ich wusste wieder, was zu tun war, um das Tier zu beruhigen und ihm zu zeigen, wer das Sagen hatte. Ska’ara und seine Freunde ließen sich ihre Enttäuschung, dass ihre Nachmittagsunterhaltung ausfiel, nicht anmerken, sondern lobten mich und veranstalteten eine halbe Stunde später ein Wettrennen, aus dem ich zwar nicht als Sieger hervorging, aber auch nicht von dem Mastadge herunterfiel.“


    Als Jack dann ein paar Lektüreabende später merkte, dass Daniel immer wieder Seiten überblätterte und an anderer Stelle weiterlas, bestand er darauf, auch diese ausgefallenen Seiten zu hören. Daniel warnte ihn, dass es ihm sicher zu langweilig und nicht witzig genug wäre, aber Jack blieb stur.

    „Das alles gehört zu deinem Aufenthalt dazu – und vielleicht findest du einige Dinge unwichtig oder uninteressant, die ich aber spannend finde.“
    Daniel war immer noch nicht ganz überzeugt, denn er wusste, wie oft Jack während Missionsbesprechungen oder Diapräsentationen mit dem dringenden Bedürfnis, die Augen zu schließen zu kämpfen hatte, oder ganze Seiten mit Strichmännchen füllte und so meinte er: „Bevor du einschläfst, gibst du mir ein Zeichen, okay?“
    „Abgemacht.“
    „Das nächste Kapitel ist der Religion gewidmet“, meinte Daniel und schaute Jack herausfordernd an.
    „Cool. Mein Lieblingsthema.“ Jack räusperte sich, aber er fuhr tapfer fort: „Besonders die Schlagen haben’s mir angetan, wie du weißt.“

    „Wir hatten Ra getötet. Unsere Bombe hatte das Leben eines Tyrannen ausgelöscht, wir hatten die Menschen aus der Sklaverei befreit und ihnen ihre Freiheit wieder geschenkt. Alles sehr, sehr nobel – aber nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Was wir nicht vorausgesehen hatten war, dass wir auch ihre Religion zerstört hatten. Ihre Symbole, zum Beispiel das zentral angebrachte Auge des Ras, das die Stadt beschützte, waren nutzlos geworden, ihre Riten hatten von einem auf den anderen Tag das Fundament verloren. Redewendungen wie „Möge die Gnade des Ra mit dir sein“, klangen auf einmal hohl.
    Natürlich waren sie froh, Ra los zu sein, aber da ihr ganzes Leben auf seine Huldigung ausgerichtet gewesen war, klaffte auf einmal ein spirituelles Loch in ihrem Leben, das gefüllt werden musste.
    Kasuf beriet sich mit mir, aber da ein christlicher Gott für diese archaische Gesellschaft wahrscheinlich nicht das richtige gewesen wäre, machten wir uns gemeinsam mit etlichen Interessierten in die alten Ruinen und Höhlen auf, in denen ich auch die Tafel mit den Symbolen zum Anwählen des Stargates gefunden hatte. Wir suchten und fanden Hinweise auf die anderen alten ägyptischen Götter, und Kasuf erklärte einfach Osiris zur neuen Obergottheit und drehte es so, als habe er uns geholfen, Ra zu vertreiben. Mir schien es passend zu sein, da sein Hauptkultort auf der Erde auch Abydos gewesen war.“

    Daniel blickte von seinem Tagebuch auf und meinte mit einem kleinen Kopfschütteln: „Wenn ich damals schon geahnt hätte, wie gut ich Osiris noch kennenlernen würde. Und wie naiv ich war! Ich hatte tatsächlich angenommen, Ra wäre der einzige gewesen.“
    „Das hatten wir alle, Daniel. Wir waren genauso überrascht, als plötzlich jemand, von dem wir annahmen, dass er tot war, ins SGC marschierte.“

    ------------------------------------------------------

    Ein paar Abende später spürten sie gemeinsam der unglaublichen Farbenpracht eines blutroten Sonnenuntergangs über goldgelben Sanddünen nach, für dessen Beschreibung Daniel am Ende schlichtweg die Farbadjektive ausgingen.
    Sie lasen von der Langsamkeit, mit der alle Dinge in einer Gesellschaft ohne Technik verrichtet wurden. Von der Mühe, die es machte, zum Beispiel einen simplen Tonkrug herzustellen, wenn schon das Rohmaterial dafür mehrere Tagesritte entfernt lag und nicht einfach in einem Bastelbedarf gekauft werden konnte.
    Sie waren in der Wüste Abydos’ unterwegs und kämpften wochenlang gegen Sandstürme und glühende Hitze. Eine alles verbrennende Sonne, die Agonie eines sterbenden Tieres, das nicht genügend Wasser hatte, Mahlzeiten, die am Ende des Sommers fast nur noch aus Teigfladen und ein paar getrockneten Früchten bestanden. Nicht genügend Wasser, um die Felder zu gießen, ja nicht einmal genügend Wasser, um sich zu waschen. Es gab nicht viel zu tun und Daniel flüchtete immer häufiger und immer länger in die unterirdischen Höhlen, um der Hitze zu entfliehen und die Hieroglyphen zu entschlüsseln.

    Jack und Daniel lagen dazu auf der Terrasse, im Schatten, ein Bier neben sich – und der Reisebericht war in dem Moment so nah, dass Jack meinte, den Sand zwischen den Zähnen knirschen zu spüren. Er kannte die Wüste aus dem Irak und er wusste, welche Macht von ihr ausging. Seiten um Seiten berichteten von dieser zermürbenden, alles lähmenden Hitze und fast verspürte Jack einen Anflug von schlechtem Gewissen, als er jetzt noch einen kräftigen Schluck seines eisgekühlten Getränks nahm.

    Doch auch die Dürreperiode hatte ein Ende. Und wie in einem großen kosmischen Spiegel über Lichtjahre hinweg, las ihm Daniel ausgerechnet an einem verregneten Nachmittag davon vor, wie sich der lang erwartete Sturm über Abydos zusammenbraute. Wie die Menschen nach draußen liefen und hofften, dass sich das Gewitter dieses Mal entladen würde und die schwarzen Wolken nicht wieder weiter zögen, ohne ihr Nass abzuladen.
    Und dann regnete es, regnete es, regnete es. Von heftigen Blitzen und grollendem Donner begleitet, ergoss sich ein wahrer Sturzbach von Wasser über die Siedlung. Alle strömten nach draußen, rannten umher, jubelten, wälzten sich in den Pfützen, bespritzen sich mit dem Matsch und dem Wasser, das es plötzlich in unerschöpflichen Mengen gab. Selbst Daniel beteiligte sich an der ausgelassenen Wasserschlacht.

    „Am Abend dann, nach einem Festmahl, das aus allen Leckerbissen, die sie noch auftreiben konnten, besonders aber trinken, trinken, trinken bestand, führte eine der jungen Frauen einen Tanz vor, der schon seit Anbeginn der Zeiten dem Regen danken und die Fruchtbarkeit beschwören sollte. Nur von dem fast hypnotischen Klang einer Trommel begleitet, steigerte sie sich immer mehr in Ekstase und weitere Frauen aber auch Männer folgten ihr in diesen immer schneller werdenden Reigen. Es kam, wie es kommen musste, an diesem besonderen, ausgelassenen Tag fielen die durchnässten Kleidungsstücke schneller als ich schauen konnte, waren die Bewegungen aufreizender als sonst, hatte Schüchternheit und Zurückhaltung keinen Platz.
    Sha’res Ärger auf mich und meine Einsiedelei war wie weggespült und nachdem sie sich mehrere Runden ebenfalls im Kreis gedreht hatte und mit den anderen Tänzern und Tänzerinnen wirbelnd, klatschend, stampfend die überlieferten Figuren durchgetanzt hatte, kam sie atemlos und schwitzend auf mich zu. Unter ihrem dünnen, nassen Hemd zeichneten sich deutlich ihre harten Brustwarzen ab, als sie mich fest bei der Hand packte und unter den anfeuernden Rufen ihrer Freundinnen in unsere Hütte zog, noch ehe die Festlichkeiten ganz beendet waren.“


    Daniel klappte das Buch zu. Mit einem schiefen Grinsen meinte er: „Ich habe mich dann auf der nächsten Seite als Erotik-Schriftsteller versucht. Aber das erspare ich dir lieber.“
    „Dein eisenharter, männlicher Luststab verwöhnt ihre Venusgrotte?“, schlug Jack übermütig vor.
    Daniel schaute erst ungläubig, dann prustete er los. „Nein. Nicht ganz so schlimm, aber wir übergehen es trotzdem besser.“

    Jack hätte schon gerne Daniels Stimme gehört, wenn er Erotik vorlas. Er war davon überzeugt, dass sich das gar nicht schlecht, wahrscheinlich sogar verführerisch anhören würde, denn Daniel konnte schon Vorträge über Gesteinsschichten so modulieren, dass man mehr auf die Stimme als auf den Inhalt achtete. Aber ihm war bewusst, dass er bei einem so heiklen Thema nicht drängeln durfte.

    „Na schön, kein Luststab. Wie geht es weiter?“
    „Beim nächsten Mal geht es weiter. Jetzt machen wir uns einen Kaffee und schauen uns das Spiel an, von dem du mir erzählt hast.“
    „Okay.“ Für einen winzigen Moment fragte sich Jack, ob mit ihm alles in Ordnung war, da er gedacht hatte, dass er eigentlich lieber noch mehr von Abydos hören wollte. Aber es war wohl wie mit allen guten Sachen, sie mussten eingeteilt werden, sonst war zu schnell nichts mehr von ihnen da. Die erste Kladde war jetzt fast ganz durch und dann gab es nur noch eine weitere. Da war wohl Rationieren angesagt.


    TBC...

  9. Danke sagten:


  10. #8
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Standard

    Das war wieder klasse!
    um auf dem Mastadge zu reiten
    ... das ist doch das Vieh, welches Daniel im Film durch die halbe Wüste schleift, oder?

    ... die Überlegungen bezüglich der nun fehlenden Religion waren auch sehr interessant! Vor allem die Focussierung auf Osiris aber da sagt Daniel ja selber was zu diesem Thema!!

    „Dein eisenharter, männlicher Luststab verwöhnt ihre Venusgrotte?“, schlug Jack übermütig vor.
    Daniel schaute erst ungläubig, dann prustete er los. „Nein. Nicht ganz so schlimm, aber wir übergehen es trotzdem besser.“
    ... da habe ich jetzt absolut auf dem Boden gelegen!

    Überhaupt deine Beschreibungen, sowohl von Abydos mit seiner Hitze, aber auch das Miteinander von Jack und Daniel sind einfach nur gelungen.

    Deine auf die Fortsetzung wartende Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  11. Danke sagten:


  12. #9

    Standard

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Daniel das Intimste, das er mit Sha’re geteilt hat, nicht - noch nicht mit Jack teilen kann.

    Wenn man sie an die zärtlichen, liebevollen oder auch sehr leidenschaftlichen Momente denkt, die man zusammen erlebt, so will man die für sich behalten.

    Aber so wie ich dich kenne, wird Daniel die Szenen früher oder später vorlesen.
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
    Meine Storys

  13. #10
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard

    @Aisling und Creech: vielen Dank!

    @Valdan: ja, das ist dieses Viech, das Daniel so "liebevoll" abschlabbert bei der ersten Begegnung.

    Und ich habe die FF mal im Sommer angefangen, als es draußen noch sehr heiß war, von daher hatte ich die Temperaturen wohl noch besser im Kopf als ich es jetzt hätte.

    Besten Dank!

    Edit:
    @Aisling: Ist wahrscheinlich wie NC-17 FFs laut vorlesen - da braucht es ja auch etwas Überwindung zu!

  14. #11
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard Der Vorleser, Teil 3

    Pairing: Daniel/Sha're, Rating: PG - 12
    ----------------------------------------------------------------

    Die Missionen ließen ihnen wenig Zeit und es dauerte wieder einmal länger als Jack lieb war, bis Daniel ihm von den kommenden Wochen vorlas.

    Es war seine glücklichste Zeit auf Abydos. Die Wüste explodierte nach dem Regen in erstaunlicher Farbenpracht. Sonnenblumengelb, Karmesinrot, Blau, das wie Lapislazuli schimmerte. Das während der Trockenzeit gelegte Saatgut schoss innerhalb weniger Tage zu beachtlicher Höhe auf. Insekten schwirrten umher, Tiere, die sich sonst versteckt gehalten hatten, fand man in rauen Mengen an den Wasserlöchern und Flüssen, die endlich wieder ausreichend Wasser führten. Die Männer gingen fast jeden Tag auf die Jagd und zum Fischfang, es wurde geräuchert, gesalzen, getrocknet, gegerbt und da keiner der Bewohner mehr für Ra in den Minen schuften musste, wimmelte es nur so von Helfern. Die Stimmung war optimistisch und selbst Pläne für ein Bewässerungssystem wurden in Angriff genommen.
    Es schien, als sei mit der Pflanzenwelt war die ganze Lebenspracht auf Abydos verschwenderisch erwacht – und Sha’re war felsenfest überzeugt, schwanger zu sein. Sie diskutierten bereits über Vornamen.

    Doch drei Wochen später kam Daniel eines Abends von der Feldarbeit zurück und fand Sha’re in Tränen aufgelöst vor. Die zum Trocknen aufgehängten Binden verrieten ihm sofort, was geschehen war. Die Blutung hatte wieder eingesetzt. Sha’re lag apathisch und schluchzend auf ihrem Bett; in einem Zimmer, in dem das pure Chaos herrschte. Voller Wut und Enttäuschung hatte sie in einem Akt des Zorns mit Sachen um sich geworfen. Daniel wollte sie trösten, aber sie wandte sich von ihm ab, drehte ihm den Rücken zu, als er sie behutsam am Oberarm berührte.
    Da er nicht wusste, wie er sie in ihrer Trauer erreichen konnte, sammelte er schweigend diverse heruntergefallene Gegenstände auf, schob ein Regal wieder an die Wand und entdeckten dann seine Brille, bei der das Gestell auf der rechten Seite zerbrochen war.

    „Dieser Anblick versetzte mich in Panik wie nichts zuvor. Alles andere, was mir bisher gefehlt hatte, hatte ich irgendwie improvisieren können. Aber mir wurde in diesem Moment mit erschreckender Klarheit bewusst, dass es für einige Sachen keinen Ersatz gab. Es gab nun mal keinen Optiker auf Abydos und würde auch in den nächsten hundert Jahren keinen geben. Und ohne Brille war ich … nichts mehr als ein Bauer und Nomade! Ich könnte nicht mehr lesen, nichts mehr entziffern, kaum mehr etwas erforschen. In meine rasende Angst mischte sich Wut, denn ich hatte die Brille extra daheim gelassen, damit ich sie bei der Feldarbeit nicht beschädigen würde und jetzt hatte Sha’res Nachlässigkeit den Bügel zerbrochen. Dieses Mal war es nur der Bügel, aber was wäre, wenn es die Gläser gewesen wären? Ich hätte ihr an diesem Abend Trost geben müssen – und war nicht in der Lage dazu. Zu sehr war ich in meine eigenen, dunklen Gedanken versponnen, die mir die Welt düsterer und aussichtloser erschienen ließen, als sie wirklich war.“

    Daniel schaute von dem Buch auf, schloss es, legte es aber nicht beiseite. „Ich bin ihr nicht gerecht geworden“, meinte er leise und sein Finger malte Linien und Kreise auf den Einband. „Statt sie aus ihrer Depression zu reißen, sie zum Reden zu zwingen oder mit ihr zu weinen – ich weiß nicht, was richtig gewesen wäre, denn ich fand keinen Zugang zu ihr – ritten wir uns beide gegenseitig immer weiter rein. Es folgten Vorwürfe. Bitterböse Vorwürfe und Gemeinheiten. Sie warf mir vor, kein guter Ehemann zu sein – und für die Verhältnisse auf Abydos stimmte das wohl auch. Ich vergrub mich tagelang in Sachen, die ihr nutzlos vorkommen mussten, ließ sie viel zu oft allein, jetzt noch häufiger als vorher.“

    Daniel setzte seine Brille ab und legte sie auf den Couchtisch. Er rieb sich einmal müde die Augen, fuhr aber fort: „Natürlich beging ich nach fast einem Jahr auch hin und wieder noch Ungeschicklichkeiten oder verstieß gegen ungeschriebene Gesetze ihres Volkes. Doch während sie früher nur darüber gelacht hatte, sich daran erfreuen konnte, wie ungelenk ich in einigen Bereichen war und sie dort als Lehrmeisterin auftreten konnte, verkehrte sich das Blatt jetzt ins Gegenteil. Jeder meiner Fehler wurde gnadenlos bekrittelt, meiner Neugier begegnete sie mit Ungeduld. Sie verbrachte mehr und mehr Zeit mit ihren Freundinnen und ich blieb oft tagelang mit den jungen Männern des Dorfes weg, die gutmütig meinen Forschungseifer unterstützen und mir immer entlegenere Ruinen zeigten. Wir sahen uns kaum noch. Und als sie begann, an meiner … Zeugungsfähigkeit zu zweifeln – zahlte ich es ihr mit gleicher Münze heim. Es fielen äußerst verletzende Worte auf beiden Seiten, die doch so viel Wahrheit enthielten, dass sie umso härter trafen.“ Daniel seufzte tief auf.

    Jack legte ihm eine Hand auf die Schulter, wusste aber auch keinen Trost. Er hatte in den letzten Wochen so viel Privates über Daniel erfahren, dass es ihm eigentlich hätte leichter fallen sollen. Er bewunderte den Mut und das Vertrauen, das Daniel ihm entgegenbrachte – und er war jetzt nicht in der Lage, ein paar aufmunternde Worte zu finden! Wie armselig war denn das?

    Doch es schien, als hätte Daniel auch keine Worte erwartet, denn er lehnte sich für einen Moment gegen Jacks Hand, lächelte verhalten und meinte: „Danke.“
    „Wofür?“
    „Für’s Zuhören.“
    „Äh, ja …“ Jack wuschelte Daniel einmal durchs Haar, dann steckte er seine Hand in die Hosentasche, stand auf und fragte: „Wollen wir noch eine halbe Stunde in den Garten gehen? Ich muss ein paar Rosen abschneiden.“

    -------------------------------------------------------------

    Jack hatte sich schon mit Bedauern darauf eingestellt, dass es das jetzt gewesen war, dass ihre gemütlichen und vertraulichen Lektüreabende nun beendet seien. Denn kurze Zeit später waren er und der ganze Militärapparat auf dem Planeten aufgetaucht, hatten Sha’res und Ska’aras Kidnapping nicht verhindern können und Daniels ganzes Leben hatte sich von dem einen auf den anderen Tag umgekrempelt. Das Kapitel Abydos war fürs Erste abgeschlossen.

    Doch ein paar Tage später erschien Daniel mit einem weiteren rot eingebundenen Tagebuch.
    „Das erste Jahr“, meinte er zögerlich und schaute Jack fragend an. „Aber wenn du nicht …“
    „Doch!“ Eilig zog Jack ihn mit sich zum Sofa.

    Das war jetzt zwar nicht mehr so exotisch und überraschend wie Abydos, aber nicht minder interessant. Dies hier war Daniels private Sicht auf die Dinge. Auf diesen Seiten fanden sich die kleinen, aber für ihn bedeutsamen Begebenheiten, die es nicht in die offiziellen Berichte geschafft hatten. Wie z.B. Teal’cs erster Versuch für das Team auf einer Mission Kaffee zu kochen. Daniel vermerkte, dass schon der Begriff Spülwasser für diese Brühe eine unzulässige Übertreibung gewesen wäre.

    Daniel hatte eine ganz eigene – sehr unmilitärische – Wahrnehmung der Ereignisse und Jack musste abwechselnd lachen oder staunen. Oft schaute er auch verwundert oder bestürzt drein, wenn er im Nachhinein feststellen musste, dass er gewisse Zwischentöne gar nicht mitbekommen oder ganz anders gedeutet hatte als der Archäologe.

    Sie lasen sich durch ein Jahr langsamen Zusammenwachsens des ganzen Teams, in dem jeder den anderen besser einschätzen lernte. Aus dem verbitterten Colonel wurde allmählich ein etwas umgänglicherer Mann, aus dem Alien wurde ein Freund, der viel von den Tau’ri lernte, ihnen aber auch unschätzbare Informationen gab. Und aus dem forsch auftretenden blonden Captain, wurde Sam, die lernte, dass sie nicht jeden Tag aufs Neue ihre Position im Team erkämpfen musste. All die kleinen, an sich unbedeutenden Details verdichteten sich in Daniels Tagebucheinträgen zu facettenreichen Bildern der vier Menschen, die Stück für Stück so viel mehr als nur Arbeitskollegen wurden.


    TBC ...
    Geändert von Antares (13.01.2009 um 18:24 Uhr)

  15. #12
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Schwelg.....

    Die Bilder, die du von Abydos nach dem Regen entwirfst sind wunderschön, fast paradiesisch...

    Wobei das Paradies von Daniel anscheinend langsam erste Risse bekommen hat. Du beschreibst das, sehr lebendig und nachvollziehbar. Warst du dabei ? Außerdem bereitest du da den Weg für ganz andere Entwicklungen, oder lese ich da zuviel herein?

    Auch wie du das erste Jahr von SG1 zusammenfasst, finde ich sehr gelungen... ich würde zugerne mal den einen oder anderen Tagebucheintrag lesen

    Ich freue mich auf mehr!!!

    LG Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


  16. #13

    Standard

    Mir gefällt es, wie du Daniels Leben auf Abydos so viel Farbe verleihst.

    Sonnenblumengelb, Karmesinrot, Blau, das wie Lapislazuli schimmerte.
    Ich kann mir das bildlich vorstellen. Schade, dass die Beziehung zu Sha're schon nach so kurzer Zeit Risse bekommt. Aber das liegt wohl auch daran, dass für Daniel ein Kind nicht so eine hohe Priorität hat wie für Sha're. Er freut sich, wenn es kommt - kennt aber auch die Gefahr für die Frau und ist zufrieden, wenn er Sha're noch etwas für sich hat.
    Aber in frühen Kulturen werden Frauen oft über ihre Kinder definiert. Wie muss Sha're von ihren Freundinen geneckt worden sein, dass sie nicht im ersten Jahr ihrer Ehe schwanger geworden ist.
    Ich bin nett, höflich, liebenswert
    und zuvorkommend.
    Und garantiert nicht ironisch.
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  17. #14
    Second Lieutenant Avatar von Aker
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    Etwas verspätet, aber immerhin :

    Die ff gefällt mir bisher auch sehr gut. V.a. natürlich die Erlebnisse auf Abydos. Dinge, die wir nie zu sehen bekamen und die doch in ihrer Andersartigkeit so reizvoll sind. Die Überlegungen zum Fall von Ra und damit dem Verlust des religiösen Fundaments fand ich auch sehr interessant. Wobei die Lösung ja wirklich verzweifelt ist. Angesichts schlechter Erfahrungen mit Göttern, bin ich mir auch nicht sicher, ob sie so einfach auf einen anderen umgeschwenkt wären. Zumal Osiris, auch wenn er als Fruchtbarkeitsgott passend erscheint, in engem Zusammenhang mit Ra steht. Den Verweis auf die spätere Begegnung mit eben jenem war dagegen sehr passend. Wie überhaupt Daniels Reflexionen seiner damaligen Erlebnisse.
    Es ist deutlich zu merken, dass du mit den letzten Kapiteln auf eine weitere Entwicklung zusteuerst - finde ich zumindest. Jack/Daniel, das ist schon klar, aber du hättest dir ruhig mehr Zeit lassen können . Noch ein paar Erinnerungen hier und da, nicht gar so drängend voranschreiten . Auch wenn Sha're nicht so ganz dein Liebling zu sein scheint. Könnte man jedenfalls nach dem letzten Kapitel schließen. Dass sich die Beziehung zwischen ihr und Daniel normalisiert, das mag gut möglich sein, aber ginge man nach deiner Erzählung, hätten sie sich ja fast im Streit getrennt. Das passt nicht so ganz zum Eindruck der diversen Auftritte in der Serie, finde ich.
    Die Zusammenfassung des ersten Jahres im SGC gefällt mir wieder sehr gut und ich schließe mich Valdan an: Da würde ich auch gerne den einen oder anderen Eintrag lesen. Der Hinweis auf Teal'c und seinen ersten Kaffee war doch schon sehr niedlich .

    Ich bin gespannt, wie es weiter geht (und hoffe, auch zum Lesen zu kommen ).

  18. #15
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    @Valdan: Ich glaube schon, dass Abydos in archäologischer Hinsicht für Daniel ein Paradies gewesen ist. Zumal er nur ein Jahr dort war und nicht dort seine Blinddarmentzündung bekommen hat. Aber ich glaube nicht, dass mit Sha're, die er gerade ein paar Tage kannte, als er sich entschloss dort zu bleiben, alles problemlos verlief. Dazu werden sie einfach in sehr vielen Dingen zu unterschiedliche Ansichten gehabt haben.
    Und was das erste Jahr betrifft - da gibt es auch noch einen Eintrag zu, selbst wenn das jetzt so klang, als wäre das schon um, das wird im nächten Teil weiter ausgeführt.
    DANKE!!

    @Aisling: Ich glaube auch, dass Nachwuchs für Sha're noch viel wichtiger ist als für Daniel. Und wenn das im ganzen ersten Jahr nicht geklappt hat, wird sie sich wohl Neckereien - egal wie nett die gemeint gewesen sein mögen - anhören müssen. Und das wird sie auch treffen und auf sich beziehen und bis dahin ist es sicher nicht weit, dem ach so oft abwesenden Ehemann die Schuld zu geben.
    Und ich bin überzeugt, egal wie verliebt Daniel in Sha're zu Beginn ist (falls man so etwas wirklich nach zwei, drei Tagen sein kann) in seine archäologischen Ausgrabungen und Forschungen ist er noch ein wenig mehr verliebt und wird sie entsprechend oft allein lassen.

    @Aker: Angesichts schlechter Erfahrungen mit Göttern, bin ich mir auch nicht sicher, ob sie so einfach auf einen anderen umgeschwenkt wärenWas wäre denn die Alternative gewesen? Die Sache auf sich beruhen lassen und sehen wo sich die Menschen hinwenden? Ich glaube,das wäre in so einer Situation zu gefährlich, dafür ist Abydos noch nicht "fortschrittlich" genug. Und da sie ja keine schlechten Erfahrungen mit Osisiris gemacht haben, ihnen die Gottheit aber aus ihren Legenden bekannt ist, könnte ich mir schon vorstellen, wenn Kasuf ihnen das gut "verkauft" sind sie wahrscheinlich bereit einen grausamen Gott, der sie in die Sklaverei gezwungen hat, durch einen abwesenden Gott zu ersetzen.
    Aber das ist natürlich nur meine pers. Meinung, vielleicht wären sie auch mit einem neuen Ein-Gott-Glauben à la Echnaton durchgekommen.

    Was "im Streit auseinandergehen" betrifft, dort kommen im nächsten Teil noch ein paar Worte zu, die es vielleicht klarer machen.
    Und zum ersten Jahr kommt auch noch was.

    Danke euch dreien für das nette und ausführliche Feedback!

  19. #16
    Second Lieutenant Avatar von Aker
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    Zitat Zitat von Antares Beitrag anzeigen
    Angesichts schlechter Erfahrungen mit Göttern, bin ich mir auch nicht sicher, ob sie so einfach auf einen anderen umgeschwenkt wärenWas wäre denn die Alternative gewesen? Die Sache auf sich beruhen lassen und sehen wo sich die Menschen hinwenden? Ich glaube,das wäre in so einer Situation zu gefährlich, dafür ist Abydos noch nicht "fortschrittlich" genug. Und da sie ja keine schlechten Erfahrungen mit Osisiris gemacht haben, ihnen die Gottheit aber aus ihren Legenden bekannt ist, könnte ich mir schon vorstellen, wenn Kasuf ihnen das gut "verkauft" sind sie wahrscheinlich bereit einen grausamen Gott, der sie in die Sklaverei gezwungen hat, durch einen abwesenden Gott zu ersetzen.
    Aber das ist natürlich nur meine pers. Meinung, vielleicht wären sie auch mit einem neuen Ein-Gott-Glauben à la Echnaton durchgekommen.
    Ich sage ja nicht, dass es einfach ist, drum finde ich es mutig, dass du dieses Thema angesprochen hast. Angesichts der Unterdrückung durch Ra wäre es natürlich möglich, dass sich sowieso schon ein geheimer Gegenkult gebildet hat. Oder es könnte eine Rückbesinnung auf den Glauben an Naturgeister geben, einfach einen Kult um ihre Befreiung... Wer sagt, dass sie nicht fortschrittlich genug sind, mit der Situation umzugehen? Die Jaffa schaffen es auch - mehr oder weniger. Aber da wohl niemand von uns mal so eine Situation beobachten wird - muss auch nicht wirklich sein - ist jede Version so gut wie die andere. Ich fand das Umschwenken zu einem neuen Gott nur sehr schnell angesichts der schlechten Erfahrungen. (Und wenn sie Legenden von Osiris kennen, wissen sie, dass er der erste von Ra eingesetzte Pharao und als Ra-Osiris eine seiner Verkörperungen ist. Bei den Ägyptern jedenfalls, aber die haben sich in Stargate ja auch erst nach Ras Abreise entwickelt). Und da die Abydonier sowohl Kasuf als auch Daniel vertrauen werden sie sie wohl wirklich auf einen Pfad leiten können, der nicht im Chaos endet. Aber genug davon, eine "richtige" Version gibt es nicht. Dass nicht jeder in jedem Punkt dieselbe Ansicht hat ist ja kein Fehler, Hauptsache die ff insgesamt gefällt. Und das tut sie .
    Was "im Streit auseinandergehen" betrifft, dort kommen im nächsten Teil noch ein paar Worte zu, die es vielleicht klarer machen.
    Und zum ersten Jahr kommt auch noch was.
    Na, das sind doch mal schöne Aussichten .

  20. #17
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Es tut mir leid, wenn meine Antwort etwas schroff rüber kam. So war das überhaupt nicht gemeint! Ehrlich nicht! Das ist der Nachteil beim Schreiben statt Sprechen.
    Ich habe mir lange überlegt, was/wen sie an die Stelle Ras setzen könnten und da Sha're später in einer Zeremonie beerdigt wird, die doch - mit dem Abwiegen der Seele und Daniel noch einem in traditioneller Kleidung der Abydonier - sehr an das alte Ägypten erinnnert, habe ich mir gedacht, dass sie wahrscheinlich beim "alten" Glauben in einer etwas abgewandelten Form geblieben sind und nicht z.B. auf einen christlichen Gott umgeschwenkt sind.

    Aber du hast schon Recht - wir wissen es natürlich nicht.

  21. #18
    Alpha Avatar von Avarra
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    Oh, eine neue Geschichte von dir! *freu*

    Du weißt ja, wie sehr ich deinen Stil mag und auch deine Themen sprechen mich immer sehr an. Insofern bin ich voller Vorfreude ans Lesen gegangen.
    Und ich wurde nicht enttäuscht.

    Wundervoll, wie du sowohl die Situationen in der aktuellen Zeit, als auch die Vergangenheit beschreibst. Man fühlt sich sofort mittendrin.
    Auch die Personen sind wunderbar getroffen, wie ich es auch schon von dir kenne.
    Du näherst dich ihnen und ihren halbverborgenen Seiten so behutsam, dass es wunderbar passt, auch wenn diese Seiten nicht so offensichtlich in der Serie präsentiert werden.

    Ich bin schon sehr gespannt, was wir noch alles aus Daniels Tagebuch erfahren werden und wie Jack damit umgeht...

    es grüßt
    Avarra
    Man erreicht viel mehr mit einem freundlichen Wort und etwas Gewalt, als nur mit einem freundlichen Wort.
    (Marcus Cole, B5)
    ~~~***~~~

    Your pierce my soul. I'm half agony, half hope.
    (Frederick Wentworth)
    ~~~***~~~

    Bekennende McShepperin

  22. #19
    Lieutenant General Avatar von Antares
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    Standard Der Vorleser, Teil 4

    @Avarra: Vielen Dank für deine netten Worte! Es freut mich, dass dir die Story bisher gefällt. Und was die halbverborgenen Seiten angeht: ich denke, das sind die interessantesten.
    -------------------------------------------------------------------------
    So, den letzten Schnitt habe ich wohl an keiner so ganz günstigen Stelle gesetzt, ich hoffe, das passt heute besser.
    -------------------------------------------------------------------------

    Rating: G // Pairing: Andeutungen von Daniel/Sha're


    Obwohl sie so unterschiedlich waren, so unterschiedliche persönliche Hintergründe und Erfahrungen hatten, wurden sie zu Freunden. Freunde, die Daniel Halt gaben in einer Zeit der Umgewöhnung. Denn war die Umstellung von den Annehmlichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts auf eine vorindustrielle Kultur nicht ohne Anpassungsschwierigkeiten vonstatten gegangen, so war die Rückkehr ins zwanzigste Jahrhundert auch nicht ohne Probleme.

    Er vermisste die Freiheiten, die er auf Abydos genossen hatte, ein Leben fast ohne Uhr, ohne wirkliche Zwänge, das sich eng an den Vorgaben der Natur orientierte.
    Plötzlich nun lag sein Tätigkeitsfeld manchmal tagelang unter der Erde, ohne natürliches Licht, viel grauer Beton statt Sand und Sonne und er war in die strenge Hierarchie des Militärapparats eingebunden.

    Aus Daniels Worten sprach deutlich, wie sehr er Sha’re und ihren ganzen Familienclan vermisste. Das Zugehörigkeitsgefühl, das Wissen, nach Hause zu kommen und immer jemanden anzutreffen. Die Leute auf Abydos hatten sehr eng zusammengewohnt und regen Anteil am Leben ihrer Nachbarn und Freunde genommen. Das war oft lästig gewesen, da man kaum etwas geheim halten konnte und jeder Streit schnell Gesprächsthema im ganzen Ort war, aber es hatte auch die Verbundenheit gestärkt. Daniel, der nach dem Tod seiner Eltern kein richtiges Familienleben mehr gehabt hatte, war oftmals überwältigt gewesen wie sehr sich die Menschen umeinander gekümmert hatten.

    Nach seiner Rückkehr von Abydos tat das „sein“ Team für ihn. Vielleicht nicht ganz so offen – oder aufdringlich, je nach Standpunkt – aber mit nicht weniger Elan und Hartnäckigkeit. Sie brachten ihn durch die ersten schwierigen Monate, in denen er von himmelhoch jauchzendem Optimismus, Hinweise auf Sha’re gleich hinter dem nächsten Sternentor zu sehen, bis zu abgrundtiefem Pessimismus, sie niemals in den Weiten des Universums wieder zu finden, schwankte.

    „Und wieder sind wir von einer erfolglosen Mission zurückgekehrt. Niemand auf der anderen Seite hatte je von Apophis, Ra oder irgendeinem anderen ägyptischen Gott mit glühenden Augen gehört. Ich habe im ganzen Dorf rumgefragt, habe ihnen sogar Bilder gezeigt, doch vergeblich. Wenn es hier je Goa’uld gegeben hat, so ist das schon so lange her, dass sich die Leute nicht mehr daran erinnern können. Sam hat mich vertröstet und mir – ausgerechnet mir! – erklärt, dass wir im falschen Kulturkreis sind. Sie sind alle so sehr bemüht, mich aufzumuntern und Jack versucht immer wieder meine Gründe, an diesen Missionen teilzunehmen, mit denen des SGC zu vereinbaren.
    Wenn ich daran denke, dass Sha’re und Ska’ara jetzt schon seit Monaten von diesen Kreaturen beherrscht werden, weiß ich gar nicht, ob ich trotz Teal’cs Zusicherung, dass das nicht so ist, glauben soll, beziehungsweise hoffen soll, dass noch etwas von den beiden überlebt hat.
    Was ist schlimmer: dass sie miterleben müssen, wie ihre Hände foltern, versklaven und töten oder dass ihr Geist wirklich und wahrhaftig tot ist? Sha’res wunderschöner Körper jetzt eine leere Hülle ist, die nichts mehr mit meiner Frau gemein hat?
    Die letzten Wochen und Monate unserer Beziehung mögen nicht immer ideal gewesen sein, aber dennoch habe ich eine Verpflichtung, sie wieder zu finden und mir in der einen oder anderen Richtung Gewissheit zu verschaffen. Ich kann nicht eher zur Ruhe kommen, ehe ich nicht weiß, ob sie mir verzeihen kann, dass ich das Tor von Abydos wieder ausgraben ließ.
    Obwohl ich inzwischen langsam eingesehen habe, dass Jack, Sam und Teal’c Recht haben, wenn sie sagen, dass das Tor nicht die einzige Möglichkeit für die Goa’uld war, nach Abydos zu gelangen. Gegen Schiffe wären die Abydonier in jedem Fall machtlos gewesen.
    Vielleicht bringt unser morgiger Besuch auf P98 B55 neue, positive Erkenntnisse?“

    „P98…?“, fragte Jack nachdenklich und versuchte der Buchstaben-Zahlen-Kombination eine Mission zuzuordnen.
    „Die Pygmäen, die Teal’c so ins Herz geschlossen hatten.“
    „Oh, ja! Unser Großer, der plötzlich zum Idol eines ganzen Stammes geworden war und mit gnadenloser Heldenverehrung fertig werden musste, ich erinnere mich. Einige wollten ihm sogar die Füße küssen, weil er so groß, so stark, so männlich war.“

    Jack grinste in der Rückschau. Dann fragte er unvermittelt: „Was war eigentlich … mit dem Kuss?“
    „Dem Kuss?“, erkundigte sich Daniel und schaute ihn verblüfft an. „Die Pygmäen …“
    „Nicht die Pygmäen. Daniel!“ Jack schüttelte leicht genervt den Kopf. Wieso konnte der Archäologe heute nicht seine Gedanken lesen?
    „Ich spreche von dem Kuss, den Sha’re und du … Ich meine, du hast jetzt schon mehrmals erwähnt, dass zwischen dir und Sha’re nicht alles so … rosig lief, dass ihr Differenzen hattet. Und trotzdem, als wir auf Abydos ankamen, hat sie dir vor der versammelten Mannschaft einen Kuss auf die Lippen gepflanzt – meine Herren, Ferretti hat wochenlang von nichts anderem gesprochen!“

    „Ach, den Kuss meinst du.“
    „Genau.“ Jack schaute auffordernd.

    „Ja, wie dir nicht entgangen sein dürfte, hatte ich mich ganz traditionell und förmlich von ihr verabschiedet als sie plötzlich … sie hat mich damit völlig überrumpelt.“ Daniel ließ ein kleines Lachen hören. „Weißt du, im Nachhinein habe ich mich gefragt, ob das nicht“, Daniels Finger beschrieben Spiralen in der Luft, um auszudrücken, wie sehr ihm im Moment die exakten Worte fehlten, „weibliche Intuition war. Ob sie euch nicht klar machen wollte, dass ich zu ihr gehöre und ihr mich nicht … mitnehmen dürft. Ich habe mir schon manchmal gedacht, ob sie irgendwie gespürt hat, dass euer Auftauchen für sie nichts Gutes bedeuten konnte. Nicht, dass sie schon an die Goa’uld gedacht hat, aber vielleicht hat sie befürchtet, dass ich allein auf die Erde zurückkehren müsste.“

    „Das war also ihre Art zu zeigen, dass du ihr gehörst?“
    „So habe ich das im Nachhinein aufgefasst. In dem Moment war ich nur begeistert, dass sie etwas von ihrer alten Leidenschaft wieder aufleben ließ.“
    „Die Jungs waren jedenfalls beeindruckt.“
    „Na wenigstens etwas“, meinte Daniel trocken. Dann wurde sein Blick weicher und er versicherte sich: „Aber Sha’re ist auch sehr attraktiv gewesen, nicht wahr?“
    „Sehr“, bestätigte Jack bereitwillig.

    „Ich weiß nicht, was ich damals, in den ersten Monaten, ohne euch gemacht hätte.“ Daniel nippte an seinem Orangensaft.
    „Du hättest das gemacht, was du immer machst, dich durchgebissen.“ Jack goss sich ebenfalls noch ein Glas ein.
    „Das ist das, was man uns gelehrt hat, was man von uns erwartet, nicht wahr?“

    Jack hielt überrascht inne. Wie waren sie eigentlich jetzt von Daniels Problemen zu seinen gekommen? Aber Jack konnte so viel Ehrlichkeit nicht mit weniger begegnen und so erwiderte er knapp: „Yep.“

    Einen Moment schwiegen sie, jeder in eigene Erinnerungen versunken, dann stand Daniel resolut auf und meinte: „Lass und noch eine Kanne Kaffee brühen. So viel Orangensaft macht mich ganz trübsinnig.“
    Jack bestritt diese seltsame Auffassung nicht und folgte Daniel in die Küche.

    --------------------------------------------------------------

    Drei Wochen später nutzten sie einen freien Nachmittag, um mit den Mountainbikes zu einem Aussichtspunkt zu radeln. Nachdem sie sich einen von der Sonne verwöhnten, abgeschiedenen Picknickplatz gesucht und Kekse, Bananen und Wasserflaschen ausgepackt hatten, stellte sich heraus, dass Daniel in den Tiefen seines Rucksacks tatsächlich das Tagebuch des ersten Jahres vergraben hatten.

    „Hey, gute Idee!“, lobte Jack. „Es ist schon Ewigkeiten her, seit wir in den Dingern gelesen haben. Was steht auf dem Plan?“
    Daniel schlug das Buch an der Stelle auf, die durch ein Lesezeichen – ein Stück Papyrus mit einer Kartusche, die „Daniel“ besagte und ein Geschenk von Teal’c war – markiert wurde.
    „Hammonds fünfzigster Geburtstag.“
    „Oh, oh.“ Jack legte sich genüsslich auf der karierten Wolldecke zurück, den Kopf auf der zusammengerollten Jacke abgestützt, verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen.

    „Mein Kopf! Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so einen Kater hatte! Da waren ja selbst die Nachwirkungen des Mondscheins auf Abydos harmlos gegen! Ich habe eine halbe Packung Aspiring in mich hinein geschüttet, einen Liter schwarzen Kaffee getrunken und pflege jetzt meinen pochenden Schädel.
    Oh, verfluchter Mist!
    Mal sehen, ob ich noch alles zusammen bekomme. Nun, es begann ganz harmlos. Der General hatte etwa dreißig Mitarbeiter des SGC zu sich nach Hause eingeladen und im Garten einen großen Grill, Bänke und Tische aufgestellt. Ob es daran lag, dass die Anwesenden sich ohne ihre Uniform unwohl fühlten, oder ob es die Privateinladung des Generals war, ich weiß es nicht, jedenfalls war das Ganze eine sehr steife und gehemmte Angelegenheit. Wir standen in kleinen Grüppchen zusammen, hielten uns an unseren Getränken fest und machten belanglosen Smalltalk. Nur Jack war sein übliches, unbekümmertes Selbst und alberte auch mit dem General herum.
    Ich kann aber nicht der einzige gewesen sein, dem diese wenig geburtstagsmäßige Stimmung aufgefallen ist, denn dieser Jemand hat zu einem sehr radikalen Mittel gegriffen, um die Zungen zu lockern, indem er irgendetwas Hochprozentiges mit sehr wenig Eigengeschmack in die Erdbeerbowle gekippt hat.“


    „Hat Hammond eigentlich jemals herausbekommen, wer das gewesen ist?“, unterbrach Daniel seine Lektüre.
    „Nein.“
    „Warst … warst du das, Jack?“
    Jack öffnete ein Auge und drehte seinen Kopf in Daniels Richtung: „Ich bin empört, Daniel. Was du mir alles zutraust!“ Er grinste spöttisch.
    „Also ja?“
    „Nein. Wie du selbst festgestellt hast, brauche ich keinen Alkohol, um meine Zunge zu lockern. Die funktioniert auch ohne die nötigen Promille.“
    Daniel musste lachen. „Na schön. Dann wird das ein weiteres ungelöstes Rätsel des SGC bleiben.“ Er rutschte etwas herum, lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und las weiter.

    „Das Resultat stellte sich nach etwa einer Stunde ein und war verblüffend – und im Nachhinein für viele wohl auch … denkwürdig und etwas befremdlich.
    Sehr angenehm anzusehen war die hawaiianische Biologin, die uns vorgemacht hat, wie der Hula geht. Weniger überzeugend waren allerdings die Versuche einiger Marines das nachzumachen. Wenngleich ich mich nicht mehr entsinnen kann, wann ich das letzte Mal so gelacht habe.
    Sam hat lautstark mit Ferretti über die Astronautenpuppe Major Matt Mason diskutiert, die es in einem Koffer, den man zu einem Raumschiff umfunktionieren konnte, gab. Wie es scheint hat sie mehrere davon besessen. Was wohl auch nötig war, da die armen Plastikgesellen kein langes Leben bei ihr hatten, denn sie hat uns bis ins Detail beschrieben, wie sie mehrmals versucht hat, diese Puppe mit einem kleinen, selbstgebastelteten Antrieb zum Fliegen zu bringen. Wenn ich das richtig gehört habe, hatte Ferretti wohl auch so eine Puppe… Ich werde mich noch mal bei Sam vergewissern und dann habe ich endlich mal etwas Erpressungsmaterial gegen ihn in der Hand.

    Was mich zu Teal’c bringt. Denn gegen den gibt es jetzt auch Filmaufnahmen, die ausschließen, dass er jemals wieder auf die Seite der Goa’uld überlaufen kann. Ich weiß nicht wie es gekommen ist, aber entgegen seiner Gewohnheit hat er mit einem Glas Sekt auf den Geburtstag des General angestoßen und dann offensichtlich mit der Erdbeer-Bowle weitergemacht. Jetzt weiß ich jedenfalls, dass es kein leeres Gerede ist, dass der Symbiont nicht vor den Auswirkungen übermäßigen Alkohohlgenusses schützt. Jedenfalls ist die Erde um einige Kriegsgesänge von Chulak reicher – und ich denke, dass man anschließend Klingonen-Opern melodisch findet.
    Und ich? Es tut mir weh, daran zu denken, aber ich fürchte, ich habe mich tatsächlich dazu hinreißen lassen, meine Hühnchen-Vorstellung von Abydos zu wiederholen. Mit demselben lächerlichen Ergebnis. Und da Sergeant Miller es unbedingt wissen wollte, habe ich auch noch ein paar Sätze in einem ausgestorbenen Indianer-Dialekt zum Besten gegeben, der die Anwesenden wahrscheinlich an eine erkältete Eidechse in der Brunftzeit erinnert hat.
    Alles in allem also ein sehr peinlicher aber auch sehr lustiger Abend, der Hammonds fünzigsten Geburtstag aus allen anderen Fünzigern, die ich je gefeiert habe, herausragen lässt.“

    „Ja, der General, der allergisch gegen Erdbeeren ist, war schon etwas verwundert, wie ausgelassen seine Leute feiern können“, meinte Jack mit einem breiten Grinsen, was er auch gut tun konnte, da er sich keine Peinlichkeit erlaubt hatte.
    „Vielleicht gut, dass wir es getan haben, denn kurze Zeit später ging ja der ganze Ärger mit dem Wichtigtuer Kinsey und der drohenden Schließung des Stargate Centers los“, gab Daniel zu bedenken.
    „Nicht nur das.“ Jack stützte sich auf seinen Ellbogen auf, damit er Daniel anschauen konnte. „Wir dachten ja auch, dass du gestorben wärest auf Klorels Schiff.“
    „Unkraut vergeht nicht“, erwiderte Daniel leichthin.
    „Blödmann. Du bist doch kein Unkraut.“ An Daniels manchmal mangelndem Selbstwertgefühl würden sie noch wohl etwas arbeiten müssen. Es tat Jack weh, dass Daniel so von sich dachte, selbst wenn er es nur im Scherz sagte und sich und seine Interessen sehr wohl zu verteidigen wusste.

    Doch bevor er näher darauf eingehen konnte, kündigte ein dumpfes Donnergrollen in der Ferne das Ende des schönen Wetters an.
    Jack sprang auf und begann die Essensreste wieder in den Rucksack zu packen. „Komm, wir sollten sehen, dass wir zurückkommen, denn das da hinten sieht nach einem Gewitter aus. Wenn wir schnell sind, sind wir vor dem Regen daheim.“

    TBC....
    Geändert von Antares (18.01.2009 um 11:18 Uhr)

  23. #20
    Ägypten-Fan Avatar von Valdan
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    Hi Antares,

    schönes Kapitel!

    Ich finde es gut, wie du die Unterschiede, aber auch die Gemeinsamkeiten, der beiden "Familien" Daniels darstellst.

    Ob sie euch nicht klar machen wollte, dass ich zu ihr gehöre und ihr mich nicht … mitnehmen dürft. Ich habe mir schon manchmal gedacht, ob sie irgendwie gespürt hat, dass euer Auftauchen für sie nichts Gutes bedeuten konnte.
    ... ein toller Bogen, von deiner Auffassung der bröckelnden Beziehung von Daniel und Sha're und dem KUSS den wir alle aus dem Pilotfilm kennen, Hut ab!

    Und die Beschreibung des Geburtstages war einfach nur göttlich. Alleine der Vergleich der "Kriegsgesänge von Chulak" und den "Klingongen-Opern". Himmer müssen die schlimm sein...

    Ein schönes Restwochenende wünscht dir
    Val
    "Der Mensch fürchtet die Zeit, doch die Zeit fürchtet die Pyramiden."
    arabisches Sprichwort

    ***


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