Kapitel 4 – Die Rückkehr der Toten
Fähnrich Samuels stapfte gedankenverloren durch Deck 17, kurz nachdem sein Dienst eine Flucht von der Brücke zugelassen hat. Er war dabei lange nicht der einzige, so eilig wie es Captain und Führungsoffiziere gehabt hatten, eine Notfallbesprechung einzuberufen.
Kein Wunder, Quasare gelten als die mit Abstand gefährlichsten Anomalien im Weltraum. Diese grobschlächtigen Monster verschlangen ihre eigenen Galaxien, was ihre Masse noch mehr vergrößerte. Dabei wird so viel Materie zerrissen, dass er umschlossen ist von einer rotierenden, nebeligen Dunstglocke und die besagten Jets durch die Geschwindigkeit der Rotation hinaus katapultiert werden. Dabei sind jene Jets wahnsinnig gefährlich, da sie von ihrer Struktur Schiffsphasern nicht unähnlich sind, allerdings welchen, die von Billionen Sternen befeuert werden.
Zum Glück gab es sowas nicht in der Milchstraße, welche nur ein vergleichsweise kleines schwarzes Loch im Zentrum hat. Das war dann auch der Grund, warum noch kein Sternenflottenschiff von einem Quasar gegrillt wurde. Die ersten zu sein, das könnte wohl die zweifelhafte Ehre der USS McKay und ihrer Crew sein…
Mit diesen fürchterlichen Gedanken im Kopf betrat der Sicherheitsoffizier das Holodeck. Nicht ganz unerwartet stand dort schon Fähnrich Alex Newman am Terminal, war jedoch eifrig damit beschäftigt, einen externen Datenspeicher ans Holodeck zu stöpseln.
„Hey, na wie läuft’s?“, fragte Samuels missmutig.
„Na wie soll’s schon laufen, unsere Situation ist ziemlich hoffnungslos… Aber, das ist momentan nicht das wichtigste, Janice hat mir diesen Backup-Speicher der Krankenstation gegeben.“
„Warum das denn?“
„Sie hatte doch vor der Zerstörung unseres Atlantis-Datenspeichers bei Ikarus III die Sheppard- und McKay-Programme in den MHN-Datenspeicher transferiert.“
„Ich kann mich dran erinnern, da waren wir allerdings auf, äh, Außenmission.“
„Ja, bei dem Übertragungsvorgang jedenfalls wurden Kopien der beiden hier drin verewigt.“
Samuels jedoch schüttelte mit dem Kopf:
„Nein, die Daten wurden doch bestimmt längst überschrieben…“
„Wieso? Das würde ja bedeuten, dass jemand das MHN benutzt, was schlichtweg nicht der Fall ist. Nein, Janice hat ihre Daten dort entdeckt und nun hoffe ich dass wir sie wieder in Atlantis einfügen können. Derart hochentwickelte Charaktersimulationen im KI-Code sind eine Heidenarbeit. Sie zu verlieren, wäre ziemlich schmerzhaft…“
„Ok, du scheinst fertig zu sein, also lasst es uns mal ausprobieren… Computer! Die holografischen Dateien Sheppard und McKay aus dem externen Modul laden und darstellen!“
Der Apparat knisterte und summte daraufhin recht unregelmäßig, was auf eventuelle Schäden bei der Schlacht hinwies. Offensichtlich hatte auch er ganz schön was abgekriegt, als er sich verzweifelt aufbäumte und zwei unscharfe Torsos in den Raum projizierte. Die Hologramme sahen irgendwie Mitleid erregend aus, wie sie selbst in bunten Farben schimmerten und viele Polygone herausgerissen aus ihren Leibern wie kleine Satelliten um sie kreisten. Anschließend brach das Hologitter zusammen und die beiden jämmerlichen Kreaturen verschwanden.
„Mist, doch stärker beschädigt als erwartet…“, fluchte Samuels.
Newman jedoch wollte noch lange nicht aufgeben.
„Warte, ganz würde ich sie noch nicht abschreiben… Computer, einen Defragmentierungsalgorithmus durchführen, fehlende Satzzeichen ersetzen und unvollständige Programmcodes mit in der Datenbank vorhandenen Charakteralgorithmen überschreiben!“
Während der Computer ackerte, um alles, was zu finden war, zu flicken, schüttelte Samuels erneut den Kopf:
„Das hat doch keinen Sinn, der Computer wird noch wesentlich schlimmer an ihren Programmen herum pfuschen.“
„Oder aber wir haben Glück und nur die Standardzeilen wurden zerlegt, dann kann er alles neu ordnen.“
„Die gewünschten Änderungen wurden durchgeführt!“, unterbrach der Computer derweil ihre Zerstreuung.
„Na schön, alles oder nichts… Computer! Starte die beiden Programme erneut!“
Das Holodeck mit seiner sterilen schwarz-gelben Gitterstruktur heulte erneut auf, während mitten im Raum flimmernde Polygonreste umher schwebten. Knisternd verabschiedeten auch sie sich, zur allgemeinen Entmutigung der Sternenflottenoffiziere, nur um sich Sekunden später mit Verstärkung zurückzumelden. Diesmal formten sie sich mit aller Kraft zu zwei Torsos, welche rasch menschliche Züge annahmen. Der Computer hatte Erfolg, als sie sich in starrer Pose zurückmeldeten:
„Verflucht, das war mal ein Ritt…“, kommentierte Sheppard verwundert und betrachte seinen gänzlich wiederhergestellten Leib.
„Ja, aber was ist das hier? Ziemlich enttäuschendes Mobiliar wenn sie mich fragen…“, raunte McKay.
Nun erst wurden die beiden von den Toten wiederauferstandenen Hologramme der beiden Sternenflottenoffiziere bewusst, die sie breit grinsend musterten:
„Wart ihr nicht irgendwie auf Reisen?“, fragte nun Sheppard verblüfft.
„Wieder zurück! Seit zwei Monaten…“, antwortete Newman triumphierend.
Sie hatten es geschafft, wenigstens für die Zeit, bis die Führungsoffiziere eine Entscheidung bezüglich des Stromsparens getroffen hätten.
„Tja, schön euch wiederzusehen… Die anderen hatten auf Atlantis weniger Glück.“
„Wie jetzt?“, fragte Sheppard verunsichert.
Mit wenigen Worten klärten sie die beiden über die vergangenen Tage auf, ihre Begegnung mit MHN Woolsey, die Vernichtung der Stadt bei Ikarus III und dem Chaos, dem sie sich vor einigen Wochen dank dem Wächter gestellt haben. Sheppard musste sich erst einmal setzen, wofür man ihm zuvorkommend einen Stuhl generierte, während McKay nur fassungslos dastand.
„Das heißt… alle tot?“, stammelte er.
„Naja, da sie nie wirklich im physikalischen Sinne…“
„…Schon klar! Aber trotzdem sind wir die einzigen Überlebenden?“
„Naja, sie und Woolsey, falls der jemals wieder einen Job auf der Krankenstation bekommt.“, zuckte Newman mäßig mitleidig mit den Achseln.
„Wie dem auch sei, ihr seid jetzt da, genießt es, solange ihr noch könnt, bevor die dem Holodeck endgültig den Saft abdrehen…“
Die beiden Hologramme stutzten selbstverständlich, was sollte da denn noch auf sie zukommen.
„Hat eure Crew eigentlich irgendwas gegen uns?“, erfragte Sheppard das offensichtliche.
„Nicht wirklich, die sind alle ziemlich medienversaut, es hängt mehr mit unserer Situation zusammen…“, Newman klärte die beiden nun über die neuesten Ereignisse, die Verfolgung des Telboronenschiffes, dessen Zerstörung durch das Wurmloch und die Bedrohung durch den Quasar auf.
Ihre alten Freunde aus dem Stargate-Universum, besonders Rodney, waren entsprechend verwirrt:
„Wieso um alles in der Welt ist diese Entfernung so ein Problem?“
Samuels räusperte sich, er musste dafür weit ausholen:
„Nun ja, das hier ist nicht Stargate. Wir haben zwar viel erreicht, doch wir können nicht mal eben zwischen Galaxien pendeln, nur weil uns danach ist. Die Abstände zwischen denen sind ja viel, viel, viel größer als die zwischen den Sonnensystemen. Und für die brauchen wir ja schon Stunden, wenn wir ökonomisch fliegen. Außerdem haben wir hier ein Problem mit der Treibstoffversorgung.
Als wir den Nebel des Pulsars durchflogen, haben die Bussardkollektoren unsere Deuteriumtanks bis zum Bersten gefüllt. Diese cleveren Geräte an unseren Warpgondeln saugen alles ein, was zu gebrauchen ist, zumindest was elementare Dinge angeht. Für Dilithium müssen wir trotzdem Sternenbasen anfliegen. Das führt jedenfalls zu einem scheinbar niedrigeren Verbrauch im interstellaren Raum, im intergalaktischen Raum ist allerdings rein gar nichts, was uns eine Möglichkeit zum Tanken bietet. Ich meine, hier ist vielleicht ein Atom pro Quadratlichtjahr! Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Deuterium ist und wir genau dieses mit unseren Kollektoren erwischen, geht gleich null.
Ich sage ihnen, was daher passieren wird: Unsere Galaxis ist zu weit entfernt, also werden wir dem Jet ausweichen und anschließend Kurs setzen auf dieses Inferno hinter uns. Ein paar hochentwickelte Kulturen könnten ja die Kollision der Galaxien überlebt haben und uns helfen, selbst wenn es nur beim Aufbau einer neuen Heimat ist. Auf dem Weg dorthin jedenfalls, werden erst alle unwichtigen Systeme abgeschaltet, von stromfressenden Holodecks bis hin zu den meisten Lampen. Der Großteil der Crew, bis auf eine kleine Rumpfbesatzung zur Wartung des Warpantriebs, wird in Stasiskapseln gesteckt, die man wahrscheinlich in den Frachträumen einrichtet.
Dann fliegen wir erst einmal ein, zwei Jahre durchgängig mit Warp 6, bis uns entweder die Intermix-Kammer aus Ersatzteilmangel um die Ohren fliegt, oder uns schlicht und ergreifend das Dilithium ausgeht. Wir können zwar mittlerweile einen Rekristallisierungsprozess einleiten, damit sich das Zeug nicht so schnell verflüssigt, doch auch so können wir nur das Unvermeidliche hinauszögern. Anschließend legt sich auch der Rest der Crew schlafen, nachdem ein letztes Mal die Sublichttriebwerke gezündet werden, um uns halbwegs auf Tempo zu bringen.
Aber selbst dann dauert es bestimmt noch weit über 100.000 Jahre, bis wir den nächsten äußeren Cluster zum Auftanken erreicht haben. Das schaffen wir nicht. Selbst wenn wir so viel Glück haben, vorher eine Hand voll Deuterium einzukassieren, uns geht der Saft aus, um die Stasis aufrecht zu erhalten. Verflucht, Leute, wir werden hier alle krepieren!“
to be continued...
Tja, so viel zum Optimismus. Ob es doch noch ein Fünkchen Hoffnung gibt, erfahrt ihr Möglicherweise beim nächsten Kapitel. Bis dann!